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24.06.2002

Die Innere Sicherheit in einer Großstadt

Die Innere Sicherheit in einer Großstadt    

Diskussionsveranstaltung der Gewerkschaft der Polizei
am 24. Juni 2002 im Bürgerhaus Wilhelmsburg
Beitrag des Hamburger SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz
- es gilt das gesprochene Wort -



Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die Gewährleistung der Sicherheit in unseren großen Städten ist eine besondere Herausforderung. Man muss keine weltweiten, globalen Betrachtungen anstellen, um sich das erklären zu können. Ein Blick in die drei wirklich großen Städte Deutschlands reicht.

Diese Städte sind Berlin, Hamburg und Frankfurt. In deren Metropolregionen leben jeweils 3 bis 4 Millionen Menschen. Diese Städte sind auch diejenigen, in denen die Belastung durch Straftaten am höchsten ist. Um eine vor einiger Zeit noch lebhaft geführte Debatte aufzugreifen: Der Wanderpokal Hauptstadt des Verbrechens wird wohl immer zwischen diesen drei Städten in Deutschland vergeben werden.
Berlin, Hamburg und Frankfurt sind auch die Städte mit der höchsten Polizeidichte und den meisten Polizeibeamten. Obwohl die Zahl der in Schleswig-Holstein tätigen Polizisten nicht größer ist als die Zahl der in Hamburg tätigen, trotz größerer Fläche und größerer Bevölkerung, ist die Sicherheitslage in diesem Flächenland - wie in allen anderen - anders als in Deutschlands Metropolen. Zu Fatalismus und zu der Annahme, man könne da nichts tun, gibt es aber keinen Anlass. Die besonderen Herausforderungen an die Sicherheit in den großen Städten verlangen eben auch besondere Anstrengungen und besondere Antworten.

Die Menschen in den großen Städten haben in gleicher Weise wie die Menschen in den Flächenländern ein Recht darauf, in Sicherheit zu leben. Der Staat, die Polizei und die Justiz müssen das ihnen Mögliche tun, den Menschen die von Ihnen zu Recht erwartete Sicherheit zu geben.

Der Staat, die Polizei und die Justiz sind es, die Innere Sicherheit gewährleisten müssen. Diese Gewährleistung ist nicht die Aufgabe von Privaten. Für mich gibt es zum staatlichen Gewaltmonopol keine Alternative. Allein der demokratische Staat ist legitimiert, Gewalt auszuüben, und so muss es bleiben.

Die Situation in den europäischen Demokratien ist nicht vergleichbar mit der Situation in vielen anderen Ländern der Welt. Trotzdem lohnt ein Blick nach außen. Überall auf der Welt erleben wir Staaten oder staatenähnliche Gebilde, in denen es staatliche Macht und Autorität eigentlich gar nicht mehr gibt. Stattdessen haben Warlords die Macht an sich gerissen und setzen ihre eigenen Gesetze durch. Der Libanon war lange ein solcher Staat. In diesen Unsicherheitsstaaten gerät die Sicherheit der Menschen in Abhängigkeit und Willkür von an Profit, oft auch an Menschenhandel und Krieg interessierten Gruppen. Am schlimmsten ist das heute in vielen Teilen Afrikas zu beobachten. Aber auch anderswo auf der Welt haben wir eine Tendenz zur Privatisierung der Gewalt gesehen. Im zerfallenden Jugoslawien zum Beispiel.
Nicht für die Debatte über die  Innere Sicherheit in unserem Lande, aber für die Entwicklung der äußeren Sicherheit Deutschlands ist diese Entwicklung im Übrigen auch bedrohlich. Denn wahrscheinlich werden die daraus resultierenden Kämpfe und schmutzigen Konflikte Auswirkungen auf die Aufgaben unserer Bundeswehr und unserer Außenpolitik haben. Diese Konflikte werden unsere Sicherheitspolitik mehr bestimmen, als die großen Konflikte, die vor dem Zusammenbruch des Ost-West-Konfliktes unsere Sicherheit bedroht haben.

Der Blick in die Ferne zeigt, was für ein wertvolles Gut das staatliche Gewaltmonopol ist. Und es ist in unserem Lande auch gewährleistet. Trotzdem bleibt festzuhalten: Gerade die kleinen Leute, die Menschen, die sich Sicherheit nicht kaufen können, sind darauf angewiesen, dass es einen funktionsfähigen, starken Staat gibt, der ihnen ihre Sicherheit garantieren kann.

Mir bereitet daher Sorge, dass es in wachsendem Maße Tendenzen gibt, die Privatisierung staatlicher Gewaltausübung voranzutreiben. 

Diese Debatte beginnt meist recht harmlos, etwa im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Sicherheit bei Großveranstaltungen. Dort werden Gebühren für Polizeieinsätze in die Diskussion gebracht, oft mit dem Hinweis, dass es sich ja um eine privatwirtschaftliche Veranstaltung handelt. Da wird dann diskutiert, ob man  Aufgaben, die heute die Polizei bei diesen Veranstaltungen wahrnimmt, nicht auf Private übertragen kann. Ich halte das für problematisch.

Nehmen wir zum Beispiel unsere Hamburger Profi-Fußballvereine: Wenn die Hamburgische Landesregierung ihnen den Polizeischutz verweigerte, und wenn die Vereine auf eigene Kosten für möglichst viel Sicherheit sorgen müssten, dann hätten sie natürlich einen finanziellen Nachteil gegenüber anderen Fußballvereinen. Das können wir uns für die Hamburger Clubs sicher nicht wünschen. Es bedeutete aber auch, dass im Endeffekt der HSV oder der FC St. Pauli zur Verantwortung gezogen werden könnten, wenn Hooligans außerhalb des Stadions Krawall machen. Das kann nicht sein.

Auch das Argument, die Großveranstalter seien privatwirtschaftlich motiviert, seien auf Gewinn aus und müssten dementsprechend auch für Sicherheit zahlen, ist problematisch. Das sieht man aus meiner Sicht sehr deutlich am Beispiel des indischen Schriftstellers Salman Rushdie, der seit 15 Jahren täglich um sein Leben fürchten muss. Die britische Polizei schützt ihn seit Jahren. Sie gibt für den Schutz dieses Mannes unglaublich viel Geld aus und setzt sehr, sehr viel Manpower ein. Aber soweit ich es weiß, ist noch niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, dem Schriftsteller Salman Rushdie - dessen Leben ja auch wegen des privatwirtschaftlich Gewinn produzierenden Buches Die satanischen Verse bedroht ist den Polizeischutz in Rechnung zu stellen. Dieser Schutz ist eine öffentliche Aufgabe, und es ist gut, dass die britische Polizei und andere Polizeien sie so perfekt erfüllen.

Der Schriftsteller Salman Rushdie ist ein Beispiel dafür, wie zu Recht ein ganzer Staat für die Sicherheit in dem Fall eines einzigen Bürgers einsteht. Sicherheit darf keine käufliche Ware werden, die sich dann im Zweifelsfall nur noch Reiche leisten können und manchmal nicht einmal die.

Deshalb gilt es auch, in der Diskussion um öffentliche Sicherheit und Sicherheit in unseren Großstädten sehr sorgfältig und sachlich zu bleiben. Ich habe zum Beispiel eine wachsende Skepsis,  wenn schwierige Aufgaben - wie aktuell diskutiert etwa der Transport von Häftlingen - auf Private übertragen werden sollen. Immerhin geht es dabei auch um Schwerverbrecher, und ob diese Aufgabe ordentlich von anderen als dem Staat wahrgenommen werden kann, das wage ich zu bezweifeln. Es stellen sich auch viele, viele rechtsstaatliche Probleme im Zusammenhang mit den dabei unvermeidlichen Freiheitsbeschränkungen.

Deshalb will ich auch meine Skepsis gegenüber Bürgerwehren oder ähnlichen patrouillierenden Gruppen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern nicht verhehlen. Man kann den Streifendienst der Polizei nicht privatisieren.  Polizeibeamte mit fundierter jahrelanger Ausbildung können nicht ersetzt werden durch Menschen, die einen besseren Volkshochschul-Crashkurs in Sachen Innere Sicherheit absolviert haben. Das ist eine eindeutige Überforderung. Wer weiß, wie sorgfältig die Auswahl von Bewerbern für die Laufbahn als Polizeibeamter erfolgt, und wer weiß, wie notwendig eine mehrjährige Ausbildung zur sorgfältigen Wahrnehmung dieses Amtes ist, der kann sich nicht vorstellen, wie das gut gehen soll, wenn Menschen ohne fundierte Ausbildung  mit Taschenlampe, Warnweste und Pfefferspray auf Streife gehen, um Verdächtige zu überprüfen. Es ist in Ordnung, wenn Nachbarn aufmerksam sind. Aber ich glaube nicht, dass dieses nachbarschaftliche Verhalten in einer Bürgerwehr enden muss, und ich glaube nicht, dass diese mehr Sicherheit entstehen lassen.

Aber ich glaube auf alle Fälle, dass dadurch eine Geringschätzung der hohen Qualifikation und Aufgaben der Polizei deutlich wird. Ich verstehe jede Polizistin und jeden Polizisten, die darüber düpiert sind. Das, was unsere Polizisten in Hamburg und Deutschland leisten, kann man nicht dadurch lernen, dass man öfter abends John Wayne-Filme sieht.

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt der Polizei in den Großstädten ansprechen, den ich bereits eingangs erwähnt habe: Wir brauchen in den großen Städten eine gute, eine motivierte Polizei, aber wir brauchen vor allem eine ausreichend starke Polizei mit genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Sehr selbstkritisch muss eingeräumt werden, dass es ein Fehler gewesen ist zu glauben, technischer Fortschritt, leistungsfähigere Computer und schnellere Autos machten die Polizeibeamten entbehrlich. Nein, kein Computer, kein Laptop kann den ansprechbaren Polizeibeamten auf der Straße ersetzen. Und bei Einsätzen kommt es eben oft darauf an, dass man nicht nur gute, sondern auch genügend Leute zur Verfügung hat. In schlechten Kinofilmen kommen schon mal Polizeiroboter vor, die Verdächtige überprüfen und Straftäter festnehmen. Aber nicht nur im Kino ist das eine ziemlich gruselige Perspektive, und mit der Realität hat das überhaupt nichts zu tun. Es kommt auf gute, Verantwortung tragende Polizistinnen und Polizisten an und darauf, dass wir genug davon haben.

Weil die Zahl der Polizisten eine so erhebliche Bedeutung auch für die Sicherheit in der Großstadt hat, brauchen wir eine ehrliche und rationale Debatte darüber, wie viel Menschen bei der Polizei tätig sein müssen, um die Sicherheit zu gewährleisten. Dazu gehört, wie ich eingangs bereits erwähnt habe, dass in den großen Städten, in Hamburg, Berlin und Frankfurt, immer mehr Polizei eingesetzt sein muss in Bezug auf die Zahl der Menschen, die dort leben, als anderswo in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sollten auch das Ziel haben, dass Hamburg nicht zurück steht hinter den anderen großen Städten. Hamburg kann und soll vorne liegen in diesem Wettbewerb.

Die ehrliche Debatte über richtige Personalstärke bei der Hamburger Polizei muss erst beginnen. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden in der Vergangenheit. Es war nicht richtig ich füge hinzu: es ist auch nicht richtig Engpässe schönzureden. Verheerend ist es aber, einen gewaltigen Schub an neuen Polizeibeamten irgendwo war von 2000 die Rede zu versprechen und hinterher dieses Versprechen ungerührt einzukassieren. Polizeivollzugsstellen werden auch nicht ersetzt durch die Ausweitung der Angestellten im Polizeidienst. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Das Einkassieren von Versprechen ist nicht nur im Bereich der Inneren Sicherheit nicht hinnehmbar. Es hat auch Konsequenzen für die politische Kultur. Woran sollen die Menschen noch glauben, die Menschen, die wählen und die Menschen, die bei der Polizei tätig sind, wenn sie sich auf Ansagen und Versprechen nicht mehr verlassen können? Das sind Leute, die sich im schlimmsten Fall aus der Gesellschaft zurückziehen, weil sie von den in der Gesellschaft verantwortlichen Politikern enttäuscht sind.

Jede rationale Debatte innerhalb und außerhalb der Politik verlangt, dass alle Worte ernst gemeint sind und nicht gedankenlos dahingesagt werden. Ich habe schon gesagt, dass aus meiner Sicht die Polizei und die Zahl der dort tätigen Personen größer werden muss als es in der Vergangenheit gewesen ist. Ehrlicherweise müssen wir mit dieser Diskussion auch die Debatte über Prioritäten in unseren Haushalten verbinden. Denn das Ziel einer größeren Polizei darf das Ziel der Konsolidierung staatlicher Haushalte nicht in Frage stellen. Es geht also darum, im Rahmen einer Verschiebung von Prioritäten zu ermöglichen, dass zusätzliches  Personal bei der Polizei eingesetzt wird. Jeder kann sich vorstellen, wie sensibel diese Debatten geführt werden müssen. 

Meine Damen und Herren,

vor kurzem habe ich bei einem Gespräch mit dem ehemaligen Hamburger Innensenator Helmut Schmidt auch über die heute aktuellen Probleme gesprochen: Offene Drogenszene, wachsende Jugendgewalt. Das sind, so wie wir sie heute erleben, Phänomene, die in den Zeiten seiner Amts-Verantwortung so nicht existiert haben. Das zeigt: Wer glaubt, polizeiliche Tätigkeit in ihrem gesamten Aufgabenspektrum ließe sich ein für allemal korrekt ausrichten, der irrt. Wir müssen immer wieder auf neue Anforderungen reagieren, und wir müssen kreativ und bereit sein, uns neue Antworten zu überlegen, um mit der Kriminalität umzugehen und sie zu bekämpfen. Auch das übrigens ist ein Argument für eine gut ausgebildete Polizei. Denn nur diese Ausbildung versetzt die Menschen, die Verantwortung bei der Polizei tragen, in die Lage, die notwendigen und weit reichenden Entscheidungen zu treffen.

Bei der Bekämpfung der offenen Drogenszene waren Kurskorrekturen notwendig, die ich durchgesetzt habe in der bekanntermaßen kurzen Verantwortung, die ich für die Hamburger Polizei hatte. Es war eine Reaktion auf eine veränderte Wirklichkeit. Und es war eine Reaktion auf ein Phänomen, das Polizistinnen und Polizisten genauso empört wie die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und auch den damaligen Innensenator: Es kann nicht sein, dass einem immer wieder die gleichen Straftäter begegnen und man das Gefühl hat, es ist nicht möglich, sie dingfest zu machen und dem Richter zu überstellen. Deshalb hatte ich als verantwortlicher Senator entschieden, dass zur Überführung von Dealern Brechmittel eingesetzt werden dürfen - so wie das in vielen anderen Städten der Bundesrepublik Deutschland auch der Fall ist.

Ich möchte die Gelegenheit benutzen, Ihnen hier zu sagen: Ich halte diese Entscheidung nach wie vor für richtig. Ich sage das trotz des tragischen Todes, den einer dieser Drogenhändler im Zusammenhang mit der Vergabe eines Brechmittels erlitten hat. Dieser Tod hat uns deutlich gemacht, dass die Entscheidungen, die die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, aber auch die politische Führung in diesen Fragen zu treffen haben, eine große Verantwortung bedeuten. Manches, was ich in der Nachfolge gehört habe, hat nicht den im Rechtsstaat angemessenen Respekt vor dem Leben eines anderen Menschen zum Ausdruck gebracht. Das bedaure ich.  Denn ich finde, dass es möglich ist, den Tod dieses Menschen zu bedauern und trotzdem für richtig zu halten, dass es bei diesen Einsätzen bleibt.

Was ist im Kern die rechtstaatliche Antwort auf das Problem der Bürgerinnen und Bürger damit, dass Täter immer wieder auftauchen und sie nicht vor dem Richter landen und verurteilt werden? Der bloße Verdacht reicht schließlich nicht zu einer Verurteilung.

Umso mehr kommt es darauf an, dass wir Wege finden, dieses Problem trotzdem zu lösen. Ein Weg ist: die Verurteilung von Straftätern. Meines Erachtens ist die direkte, intensive Bearbeitung der Intensivtäter das richtige Konzept, zu dem die Hamburger Polizei sich ja vor einiger Zeit auch mit Erfolg entschlossen hat. Sowohl bei den wiederholt auftretenden Drogenhändlern als auch bei denjenigen, die immer wieder gewalttätig gegenüber anderen Jugendlichen werden, muss klar sein, dass am Ende Polizei und Justiz die Stärkeren sind und sich durchsetzen. Das ist übrigens nicht nur wichtig für das Rechtsstaatsempfinden der Bürgerinnen und Bürger, sondern das ist auch wichtig für die Zukunft der Gesetzesbrecher: Dass sie rechtzeitig und frühzeitig wissen, dass sie nicht durchkommen mit ihrem nicht hinnehmbaren  Verhalten.

Es muss Bürgerinnen und Bürgern wie Straftätern klar sein: Sanktionen sind notwendig, und Sanktionen finden auch statt. Regeln sind nichts wert, wenn man nicht bereit ist, ihre Einhaltung auch durchzusetzen. Wer glaubt, auf Repressionen verzichten zu können, verwechselt die Realität in einer Großstadt mit den Utopien linksradikaler Kitschromane.

Im Übrigen gehört zu einer Sicherheitsstrategie in einer großen Stadt auch, dass wir die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen verbessern. Da läuft nicht alles zum Besten, um es höflich zu sagen. Es nützt zum Beispiel nichts, wenn die Polizei immer wieder junge Täter auffindet und zum Beispiel in Jugendwohnungen bringt, wo sie sich eigentlich aufhalten sollen - und hinterher geschieht dort mit ihnen nichts. Wir brauchen eine funktionierende Kooperation zwischen der Polizei und den anderen Institutionen in unserer Stadt, die sich darum kümmern, dass die Menschen eine Perspektive für ihr Leben im Rahmen ordentlicher Gesetzesbefolgung finden. Es wird daher auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass mit der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Justiz, Jugend- und Sozialbehörden alles zum Besten steht und diese Institutionen alle Aufgaben, für die sie geschaffen sind, auch wahrnehmen.

Zur Sicherheit in einer großen Stadt gehört auch, den Opfern zu helfen. Da kann die Polizei oft als Erstansprechpartner etwas tun, indem qualifizierte Mitarbeiter der Polizei Ansprechpartner sind für Opfer zum Beispiel von Vergewaltigungen oder Gewalt in der Familie. Aber wir benötigen daneben Institutionen, die mit einem anderen Erfahrungshintergrund und einer anderen Perspektive als die Polizei den Opfern zur Seite stehen.

Opferschutz ist eine zentrale Aufgabe der Politik und das Zusammenwirken von Polizei und Organisationen, die sich um die Opfer kümmern, ist von einer wichtigen Bedeutung für die Sicherheit der Metropolen. Ich verstehe daher nicht, dass gerade solche Institutionen - die sich zum Beispiel um die Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt kümmern - nun besonders stark finanziellen Kürzungen ausgesetzt sind. Gerade bei der schlimmen Kriminalität gegenüber Kindern und gerade bei sexuellem Missbrauch von Kindern wissen wir, dass es lange dauert, bis solche Taten überhaupt angezeigt werden. Es muss unsere Politik sein, dafür zu sorgen, dass die Täter angezeigt werden.

Die Gesetzgebung hat reagiert, indem sie zum Beispiel die Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch von Kindern durch Erwachsene erst mit der Volljährigkeit der Kinder beginnen lässt. Dadurch können auch noch über 20jährige diejenigen anzeigen, die sie als Kinder missbraucht haben. Aber es ist ein schwieriger Vorgang, denn oft handelt es sich bei den Tätern um Mensche, die mit den Opfern verwandt sind oder die den Opfern nahe stehen. Es ist notwendig, sich an Institutionen wenden zu können, die einem Stück für Stück dabei helfen, mit dieser großen Katastrophe im eigenen Leben fertig zu werden. Es ist aber auch notwendig, dass sich die Opfer schließlich zu einer Anzeige durchringen.

Das gleiche gilt übrigens bei der Frage der häuslichen Gewalt. Wir haben mit dem Gewaltschutzgesetz und der Veränderung des Hamburger SOG im letzten Jahr die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Gewalttätige aus der gemeinsamen Wohnung der Eheleute gewiesen werden können. Das Gesetz greift früher ein, und es wird bereits oft angewandt. Jetzt muss dafür gesorgt werden, dass nicht nur die Polizei ihre Arbeit tut, sondern dass daneben weitere Einrichtungen zur Verfügung stehen, die den Menschen, die sich in solchen Konfliktsituationen befinden, mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Ich will noch einmal zurück kommen auf das Thema der Drogenbekämpfung aber auch der Gewalt: Beide bedürfen auch der Arbeit von Institutionen und von Menschen, die sich darum kümmern, dass solche Gewalt und dass Drogenabhängigkeit nicht entstehen, oder aber beendet werden kann. Das ist nicht Aufgabe der Polizei. Aber jeder kluge Polizist, jede kluge Polizistin weiß, dass sie einen Drogenabhängigen nicht mit den Methoden, die uns zur Verfügung stehen, gesund machen können. Wir brauchen daher ein effektives Hilfesystem. Es ist dabei übrigens völlig berechtigt, wenn Einrichtungen, die nicht effizient arbeiten, auch kritisiert werden. Von der Polizei, von der Öffentlichkeit und da ist mancher comment noch zu durchbrechen auch von den anderen Mitanbietern von Präventionsmaßnahmen.
Unverzichtbar ist aber, dass diese zur Verfügung stehen und dass sie in großem Umfang und geschickt über die Stadt verteilt sind. Ich bedaure daher, dass Prävention und Hilfe in der großen Stadt Hamburg jetzt eine geringere Rolle spielt als früher. Denn wir brauchen auch die präventiven Elemente, um insgesamt die Kriminalität zu reduzieren. Leider führt der Anblick eines uniformierten Polizeibeamten nicht  dazu, dass Menschen ihre Drogensucht überwinden.

Ich will zum Schluss ein Thema ansprechen, das aus meiner Sicht ebenfalls von zentraler Bedeutung ist: der Öffentliche Raum.
Sicherheit entsteht nicht nur dadurch, dass Straftaten aufgeklärt, Straftäter überführt und verurteilt werden. Sicherheit bedeutet auch, dass sich die Menschen dieser Stadt an jeder Stelle sicher bewegen können und mögen. Deshalb spielt es eine Rolle wie unsere Wege beschaffen sind, ob sie sauber oder dreckig sind, ob Hecken geschnitten werden, ob das Straßengrün gepflegt wird, wie die Parks sind, ob sie verschmutzt sind. Und natürlich spielt es auch eine Rolle, ob Eltern sich trauen, ihre Kinder auch unbeobachtet auf jeden Spielplatz zu schicken, oder ob sie das Gefühl haben, sie müssten immer nach dem Rechten sehen, wenn sie ihre Kinder dort spielen lassen.

Diese Sicherheit müssen wir noch gewährleisten. Das unmittelbare Reagieren auf negative Entwicklungen im öffentlichen Raum ist wichtig. Die allgemein anerkannte  broken-windows-Theorie sagt ja zu Recht, dass ein vernachlässigter, verwahrloster öffentlicher Raum Nährboden für kriminelles Handeln ist.

Eine gepflegte Umwelt vermittelt demgegenüber zu Recht das Gefühl von Sicherheit, weil sie deutlich macht, dass dies ein Raum ist, um den sich gekümmert wird und bei dem man dann auch entsprechend annehmen darf, sich frei und ungehindert bewegen zu können.
Ein Bestandteil des sich frei bewegen Könnens und der Sicherheit sind auch unsere öffentlichen Verkehrsmittel. Da hat es viele Verbesserungen gegeben. Aber dennoch sind wir noch nicht so weit gekommen, dass wirklich alle Bürgerinnen und Bürger angstfrei an jeder Stelle und zu jeder Zeit jedes öffentliche Verkehrsmittel benutzen mögen. Es ist verdammt eine Aufgabe des Staates, sicherzustellen, dass kein Hamburger und keine Hamburgerin Sorge hat bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Auch deshalb ist es so wichtig dass wir verhindern, dass dort Straftaten begangen werden. Wenn jetzt die offene Drogenszene sich teilweise in S-Bahnen und andere Verkehrsmittel verlagert, wenn immer wieder an der selben Stelle in den Bahnen Handel getrieben wird, dann ist es auch unsere Aufgabe, das zu verhindern.

Ich glaube, es ist eine der großen Fehlentscheidungen der letzten 20, 30 Jahre in den Städten und Gemeinden Deutschlands gewesen, bei den einfachen Tätigkeiten Stellen so stark zu reduzieren. Wahrscheinlich sind viel zu viele Häuptlingsstellen geschaffen und zu viele Indianer entlassen worden. Und mit Sicherheit sind viel zu viele Stellen von Gärtnern, Aufsichts- und Servicepersonen und von Hilfskräften im Öffentlichen Dienst abgeschafft worden, die mitgeholfen haben, dass der öffentliche Raum attraktiv und Vertrauen einflößend ist.

Etwas flapsig gesagt: Manche dieser Stellen wurde vor 10, 15, 20 Jahren abgeschafft und wird jetzt als ABM-Maßnahme neu besetzt. Das ist sicherlich widersinnig. Wir brauchen wieder mehr Beschäftigte, die mit ihrer Tätigkeit dafür sorgen, dass unser öffentlicher Raum die Qualität wieder gewinnt, die wir von ihm erwarten.

In diesem Zusammenhang halte ich für richtig, die Diskussion über einen kommunalen Ordnungsdienst zu beginnen. Er sollte viele Aufgaben mit aufnehmen, die sich gerade um die Frage ranken, wie wir sicher stellen, dass alle Straßen, Parks und Wege, dass der öffentliche Raum ähnlich ordentlich ist wie das eigene Wohnzimmer.

Sicherheit in einer großen Stadt ist ein Thema, das die Menschen aufwühlt. Und deshalb ist es das muss nicht wundern angesichts der vielen Veränderungen, die in den großen Städten viel schneller vonstatten gehen als anderswo in unserer Republik, auch ein Thema. Jede Veränderung verunsichert die meisten Menschen. Deshalb auch sind die großen Städte besonders anfällig sind für das Schüren von Ressentiments. Etwas einfacher gesagt: Die großen Städte sind besonders anfällig für die schlechte Eigenart, schlecht über andere Menschen zu denken und zu reden.

Aber auch in dieser Frage bin ich nicht fatalistisch und glaube durchaus, dass eine gute Entwicklung möglich ist. Wir sind nicht hoffnungslos denjenigen ausgeliefert, die mit den Vorurteilen, den Ressentiments, dem Schlechtdenken über andere spielen. Aber wir müssen dazu eine Voraussetzung erfüllen, die ich von zentraler Bedeutung halte: Wir müssen für Sicherheit in den Städten und für einen ordentlichen öffentlichen Raum Sorge tragen. Wir müssen uns bekennen zu der dazu notwendigen Härte und Striktheit.

Liberalität und eine tolerante Gesellschaft sind sehr wohl mit einer straffen Politik der Inneren Sicherheit vereinbar. Und diese Kombination ist wahrscheinlich die Alternative zur gelegentlichen Benutzung von Ressentiments anstatt von echter wirksamer Politik.


Ich danke Ihnen.