"Abendblatt": Entspricht das Ergebnis der Mitgliederbefragung Ihren Erwartungen?
Olaf Scholz: Die SPD hat jetzt gemeinsam die klare Entscheidung getroffen: Wir wollen in die Regierung eintreten. In hunderten Veranstaltungen haben die SPD-Mitglieder miteinander diskutiert: Leidenschaftlich in der Sache, fair im Ton das hat mir gut gefallen.
"Abendblatt": Sind zwei Drittel Zustimmung der Basis genug Rückenwind für eine stabile und erfolgreiche Arbeit in der Bundesregierung?
Olaf Scholz: Ja. Übrigens sind in den vergangenen 15 Monaten fast 50.000 neue Mitglieder in die SPD eingetreten. Aus der Dynamik, die diese neuen Mitglieder in die Partei tragen, können wir bei der nächsten Bundestagswahl neue Kraft gewinnen.
"Abendblatt": Wie wollen Andrea Nahles und Sie das Drittel der Mitglieder einbinden, das die Große Koalition ablehnt?
Olaf Scholz: Die Debatte der vergangenen Wochen hat uns alle zusammengeführt. Diejenigen, die gegen die Koalition gestimmt haben, haben dies ja aus einem verständlichen Motiv getan: Aus der Sorge, dass eine Regierungsbeteiligung ein Hindernis ist für die notwendige Erneuerung der SPD. Auch wenn ich diese Sorge nicht teile, steht außer Frage, dass die SPD sich neu aufstellen muss. Am Wochenende hat der Parteivorstand bei einer Klausur in Berlin erste Ideen diskutiert, wie wir die SPD erneuern. Strukturell, organisatorisch und programmatisch: Es bleibt unsere Aufgabe, eine fortschrittliche, sozialdemokratische Antwort zu finden auf die Herausforderungen unserer Zeit.
"Abendblatt": Werden Sie jetzt in die Bundesregierung als Finanzminister und Vizekanzler eintreten?
Olaf Scholz: Eins nach dem anderen. Das Mitgliedervotum der SPD liegt jetzt gerade einmal ein paar Stunden vor. Nun besprechen wir miteinander, welche sechs Frauen und Männer für die Partei ins Kabinett gehen.
"Abendblatt": Wann wird die Entscheidung über die Besetzung der sechs Kabinettsposten, die der SPD zustehen, bekannt gegeben?
Olaf Scholz: Ich denke, zum nächsten Wochenende werden wir Klarheit haben.
"Abendblatt": Warum dauert es so lange? Ist die Angst vor der Kritik an den Personalvorschlägen so groß?
Olaf Scholz: Wir nehmen unsere Mitglieder ernst und haben deshalb gesagt, dass wir zunächst darüber entscheiden, ob wir in die nächste Bundesregierung eintreten wollen.
"Abendblatt": Sie muten der Hamburger SPD, deren Vorsitzender Sie sind, und dem rot-grünen Bündnis einen wochenlangen Entscheidungsstillstand zu. Warum halten Sie das für vertretbar?
Olaf Scholz: Es gibt keinen Stillstand.
"Abendblatt": Welcher Zeitplan gilt jetzt für eventuell notwendigePersonalentscheidungen in Hamburg?
Olaf Scholz: Nochmal: Eins nach dem anderen.
"Abendblatt": Wäre Andreas Dressel im Fall der Fälle der richtige Nachfolger für Sie als Bürgermeister?
Olaf Scholz: Netter Versuch. Eins nach dem anderen.
"Abendblatt": Wollen Sie SPD-Landesvorsitzender bleiben?
Olaf Scholz: Sie kennen mich zu gut, um darauf jetzt ernsthaft eine Antwort zu erwarten.
Das Interview führte Peter Ulrich Meyer.