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08.09.2021

Rede im Bundestag

Generaldebatte im Bundestag am 7. September 2021: Rede von Olaf Scholz

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Wir nähern uns dem Ende einer Legislaturperiode, die anders verlaufen ist, als wir uns das alle dachten. Wir als Regierung, Sie als Abgeordnete und natürlich die Bürgerinnen und Bürger, wir alle haben mit der größten Herausforderung für unser wiedervereinigtes Land zu tun gehabt.

Wir haben jetzt eine sehr, sehr lange Zeit miteinander gegen die Coronakrise gekämpft. Wir haben gemeinsam gekämpft um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, gekämpft, damit Arbeitsplätze und Unternehmen durch diese Krise kommen und damit ein Aufschwung kommt, damit es auch in Zukunft noch Arbeitsplätze gibt. Und es ist uns gelungen, so weit zu kommen, wie wir heute gekommen sind, weil wir zusammengehalten haben. Wir haben zusammengehalten als ganzes Land, aber - das will ich ausdrücklich dazusagen - wir haben auch zusammengehalten als Regierung und all die notwendigen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die man unternehmen muss, damit man eine so große Herausforderung bewältigen kann.

Deshalb möchte ich am Ende dieser Legislaturperiode angesichts dieser großen, unerwarteten Herausforderung sagen: Schönen Dank für die Zusammenarbeit, auch an Sie, Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel.

Jetzt haben wir eine Situation, die sehr viel anders ist. Viele Bürgerinnen und Bürger sind geimpft. Das ist ein anderer Zustand, als wir ihn im letzten Jahr hatten. Deshalb dürfen wir hoffen, dass der Herbst und Winter, die jetzt vor uns liegen, anders verlaufen als der Herbst und Winter, die wir hinter uns haben. Für mich gibt es deshalb ein paar Dinge, die man hier klar aussprechen kann: Wir werden keinen neuen Lockdown haben, und wir können die Kinder, die Schülerinnen und Schüler, auch wieder im Präsenzunterricht in den Schulen haben.

Was wir dazu tun müssen, ist natürlich, weiter dafür zu werben, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich impfen lassen; denn die hohe Zahl der Geimpften ändert nichts daran, dass es besser wäre, wenn noch mehr es tun würden. Das will ich ausdrücklich dazusagen: Ich finde, es wäre falsch, wenn jetzt eine Debatte über Impfpflichten und Ähnliches beginnt. Was wir machen müssen, ist, die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen.

Und auch das will ich gerne sagen: Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir sie überzeugen, indem wir das locker und gelassen machen, auch mit Witzen, über die auf vielen Veranstaltungen gelacht wird. Wenn einige nicht lachen wollen und sich darüber aufregen, hat das vielleicht etwas damit zu tun, dass sie beim Blick auf ihre Umfragewerte wenig zu lachen haben.

Deshalb auch mein Wunsch: Macht das! Lasst euch impfen! Es ist gut für euch, es ist gut für eure Liebsten, es ist gut für diejenigen, auf die ihr Wert legt. Deshalb: Überzeugt die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb! Überzeugt die Freunde im Sportverein, die Kollegen und Freunde am Stammtisch! Alles das gehört dazu, damit wir jetzt so weit wie möglich kommen.

Und natürlich werden wir in dieser Zeit noch ein paar Vorsichtsregeln beachten müssen. Das gilt für Masken in Bahnen und Bussen. Das gilt selbstverständlich auch dafür, dass, wer ein Restaurant oder eine bestimmte Einrichtung besucht, genesen, geimpft oder getestet sein muss. Alles zumutbare Beschränkungen.

Das sind keine unvertretbaren Grundrechtseinschränkungen, wie die AfD-Alternative für Deutschland uns immer sagt. Es sind die Maßnahmen zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, und sie werden uns zusammen mit dem Impfen durch diese Krise bringen.

Dass wir so weit gekommen sind und dass wir auch gesundheitlich und ökonomisch durch die Krise gekommen sind, das hat etwas damit zu tun, dass wir zusammengehalten haben, dass wir sehr viele Mittel eingesetzt haben, damit die deutsche Wirtschaft durch diese schwierige Situation kommt. Grundlage dafür ist eine leistungsfähige, weltweit wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Grundlage ist auch, dass wir in den letzten Jahren gut gehaushaltet haben. Es war richtig, dass wir so viele Mittel eingesetzt haben, um Arbeitsplätze und Unternehmen in dieser Krise zu retten. Dank dieses großen Einsatzes können wir jetzt sehen: Der Aufschwung kommt, wir wachsen aus der Krise hinaus. Es ist aber auch klar zu sagen: Wir werden mit dem Wachstum die finanziellen Verpflichtungen, die aus dieser Krise erwachsen sind, auch bewältigen können. Das ist uns nach der letzten Wirtschaftskrise gelungen, das wird uns nach dieser wieder gelingen.

Wachstum ist das Entscheidende. Aber was nicht funktioniert - das will ich gerne ausdrücklich sagen -, ist, wenn jetzt, in dieser Situation, einige in diesem Haus vorschlagen, dass Leute, die so viel verdienen wie ein Bundesminister oder ein Bundestagsabgeordneter oder noch, noch, noch viel mehr, dringend eine Steuersenkung brauchen. Steuersenkungen im Umfang von 30 Milliarden Euro - die Sie vorschlagen - für Spitzenverdiener und Unternehmen mit riesigen Gewinnen sind in dieser Situation unfinanzierbar und völlig aus der Zeit gefallen und kein Beweis für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft.

Das muss man also anders machen, wenn wir zusammenhalten wollen - so wie wir das jetzt auch tun bei der Bekämpfung der Folgen der Flut, die uns in den letzten Tagen so sehr bedrückt hat. Das ist eine große Herausforderung für unser Land.

Auch dort gilt wieder die eine Erkenntnis, die für unsere gute Zukunft wichtig ist: Wir werden solche Krisen und Herausforderungen nur bewältigen können, wenn wir zusammenhalten, wenn wir das gemeinsam durchstehen wollen, wenn niemand mit seinen Problemen alleingelassen wird, jetzt nicht die Bürgerinnen und Bürger, deren Häuser zerstört sind, jetzt nicht die Dörfer und Städte, die zerstört worden sind, jetzt nicht die Länder, die all die Infrastruktur wieder aufbauen müssen. Wir müssen als Land zusammenhalten. Wir tun das, und es ist richtig, dass der Bundestag dazu die notwendigen Mittel jetzt bewilligt.

Zusammenhalt ist auch das, was wir im Blick haben müssen, wenn wir über die Zukunft unserer Gesellschaft diskutieren. Deshalb will ich über drei Garantien reden, die für den Zusammenhalt, den wir hierzulande brauchen, aus meiner Sicht ganz wichtig sind:

Die erste Garantie ist eine, die für die jungen Leute wichtig ist, für die Kinder, für diejenigen, die hier aufwachsen. Ich finde, in einem so reichen Land wie Deutschland darf es nicht so sein, dass Kinder in Armut aufwachsen. Wir müssen etwas tun, um sie für eine gute Zukunft zu unterstützen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir das Kindergeld weiterentwickeln, dass wir eine Grundsicherung bekommen, die Armut für Kinder verhindert. Das muss in der nächsten Legislaturperiode gelingen!

Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie gut aufwachsen können. Deshalb war es richtig, dass wir den Weg mit dem Gute-KiTa-Gesetz eingeschlagen haben. Deshalb war es richtig, dass wir den Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben haben. Und deshalb ist es richtig, dass wir jetzt vier Jahre dafür gestritten haben - und heute es hoffentlich vollenden -, dass es auch Ganztagsangebote in den Schulen gibt. Deutschland muss ein Land werden, das besser ist zu seinen Kindern, mit einer guten Kinderbetreuung, mit einem Ganztagsangebot in den Schulen. Das ist etwas, was wir gemeinsam erreichen müssen, Bund, Länder und Gemeinden zusammen.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die jungen Leute berufliche Perspektiven haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir dafür sorgen, dass diejenigen, die studieren wollen, bessere Möglichkeiten bekommen durch eine bessere Ausbildungsförderung.

Aber noch viel wichtiger ist, dass wir uns um die wichtigste Ausbildung in Deutschland kümmern: Das ist unverändert die Berufsausbildung. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass jeder, der nach der 9. oder 10. Klasse die Schule verlässt, auch eine gute Perspektive auf eine Ausbildung hat. Eine Garantie, einen Ausbildungsplatz zu finden, das ist das, wofür ich mich einsetzen werde.

Die zweite Frage, die für uns so wichtig ist, ist: Kann man sich das Leben leisten? Und das hat ganz viel zu tun mit der Frage, ob man eine Wohnung findet, die man bezahlen kann, oder ob der Traum vieler aufgeht, die lange gespart haben, um sich ein kleines Häuschen zu kaufen. Alles das sind Anliegen, für die wir uns als Gesellschaft, als Politik, als Gemeinwesen einsetzen müssen. Die Tatsache, dass es in Deutschland nicht genug Wohnungen gibt, die Tatsache, dass die Wohnungsmieten durch die Decke schießen, hat etwas damit zu tun, dass in den letzten Jahren in Deutschland nicht genug gebaut worden ist. Wir müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass mehr Wohnungen in Deutschland errichtet werden.

Ich habe mir die Zahlen einmal angeschaut: 1973 sind in Deutschland 800.000 Wohnungen gebaut worden, 700.000 im Westen Deutschlands, 100.000 im Osten. Heute sind wir bei 300.000. Deshalb will ich erreichen, dass wir jedes Jahr, Jahr für Jahr, ohne damit aufzuhören, 400.000 Wohnungen bauen, davon 100.000 geförderte Wohnungen, damit auch diejenigen mit wenig Geld sich eine Wohnung neu mieten können.

Weil das nicht von einem Tag auf den anderen geht, weil das eine Anstrengung ist, die uns viele, viele Jahre - das nächste Jahrzehnt - beschäftigen wird, sage ich ausdrücklich: Wir müssen zwischendurch auch dafür sorgen, dass die Mieten nicht durch die Decke schießen, weil es zu wenig Wohnungen gibt. Deshalb brauchen wir ein starkes Mieterschutzrecht, deshalb brauchen wir eine Begrenzung der Mietpreissteigerung bei Neuvermietung, und deshalb brauchen wir ein Moratorium für die Mietpreisanstiege in Deutschland.

Das Dritte, wo die Bürgerinnen und Bürger eine Garantie haben wollen, wozu sie eine Aussage verlangen und wozu sie eine Aussage verdient haben, das ist die Frage: Was ist eigentlich mit der Rente? Ich will das ausdrücklich ansprechen, weil das ein Thema ist, das das ganze Land betrifft und nicht nur, wie einige immer sagen, die Älteren, die jetzt in Rente sind, oder diejenigen, die demnächst in Rente gehen. Das ist ebenso ein Thema für die jungen Leute.

Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt und eine Berufsausbildung beginnt, derjenige oder diejenige hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Die ganze Zeit müssen Beiträge gezahlt werden. Die ganze Zeit muss er oder sie sich darauf verlassen können, dass das hinterher auch etwas bringt für die Rente. Deshalb müssen klare Aussagen her. Kein Anstieg des Renteneintrittsalters und ein stabiles Rentenniveau, das muss unsere Gesellschaft den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes garantieren. Das geht auch.

Ich will Ihnen gerne sagen, dass ich sehr aufgeregt und empört bin, wenn all die Expertinnen und Experten, die uns in den 90er-Jahren so viele Dinge gesagt haben, sich jetzt wieder melden. Sie haben uns damals gesagt, wir würden jetzt, zu dieser Zeit, viel höhere Beiträge zahlen, als wir jetzt zahlen, und sie haben uns damals gesagt, es würde jetzt viel weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben. Tatsächlich zahlen wir geringere Beiträge zur Rentenversicherung als zur Zeit von Helmut Kohl, und tatsächlich ist es so, dass Millionen zusätzlicher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft einbringen, Geld verdienen und auch die Rentenfinanzen stabilisieren. Das ist die Wahrheit.

Und weil das die Wahrheit ist, muss man auch sehr klar sagen: Da hätten sich einige vielleicht mal zu melden, um zu sagen: Wir haben uns verrechnet, unsere Vorhersagen stimmten nicht. Stattdessen melden sie sich jetzt wieder und sagen das Gleiche, was sie in den 90er-Jahren gesagt haben. Dabei muss die Antwort doch klar sein: Es geht um Beschäftigung. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ein hohes Beschäftigungsniveau in Deutschland haben. Und wenn es uns gelänge, auch nur besser zu werden - in der Art und Weise, wie das in Schweden der Fall ist, was Frauenerwerbstätigkeit betrifft -, dann hätten wir schon stabilere Renten. Und wenn es uns gelingen würde, dass eine 55-Jährige und ein 58-Jähriger, die ihren Arbeitsplatz verlieren, sicher annehmen können, dass sie erneut eine gute Beschäftigung finden werden, dann hätten wir stabile Renten. Das ist die Aufgabe, die wir anpacken müssen; um die geht es.

Wir haben die Chance, dass wir das hinkriegen mit unseren Renten, mit den Rentenfinanzen, wenn wir das als gesamtes Land solidarisch angehen. Ich finde, deshalb ist das eine wichtige Aussage, die viele verdient haben. Ich jedenfalls werde mich dafür einsetzen, dass wir diese drei Garantien für unsere Zukunft geben.

Dann müssen wir uns den beiden großen Herausforderungen zuwenden, die jetzt vor uns liegen, wenn wir uns durch die 20er-Jahre bewegen, die jetzt begonnen haben. Die nächsten zehn Jahre werden entscheidend sein für die Zukunft unseres Landes. Die Weichen, die wir jetzt falsch stellen, werden dazu führen, dass wir es nicht schaffen, die großen Herausforderungen zu bewältigen. Wenn wir es falsch machen, kann uns das Wohlstand und Arbeitsplätze kosten. Wenn wir es richtig machen, werden wir eine bessere Zukunft haben. Deshalb zwei Dinge, die mir da wichtig sind:

Eine erste große Herausforderung für mich ist: Ich möchte gerne dafür Sorge tragen, dass in dieser Gesellschaft mehr Respekt herrscht - Respekt vor jedem und vor jeder. Ich will dafür Sorge tragen, dass jede berufliche Leistung, jede Lebensleistung anerkannt wird. - Für mich hat das etwas damit zu tun, dass Anerkennung auch den Leistungen entgegengebracht wird, die jetzt, in dieser Krise, erneut als systemrelevant erkannt worden sind. Deshalb sage ich Ihnen: Die Lebensmittelverkäuferin, der Paketbote, die Altenpflegerin, der Krankenpfleger und viele weitere haben in dieser Krise zu Recht Anerkennung bekommen und Beifall erhalten. Das muss aber auch nach der Coronakrise noch ein Prinzip unseres Landes sein.

Und auch das gilt: Anerkennung ist wichtig; aber es geht immer auch ums Geld. - Deshalb, finde ich, kann es nicht dabei bleiben, dass diejenigen, die jetzt den Beifall bekommen haben, in diesem Land weiter schlecht bezahlt werden.

Darum setze ich mich dafür ein, dass wir im ersten Jahr der neuen Regierung den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen. Das ist eine Gehaltserhöhung für 10 Millionen Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. 10 Millionen: Das heißt übersetzt ja, es sind sehr, sehr viele. Das sagt etwas über das Gehaltsniveau in diesem Lande aus. Das zeigt, warum die Forderung für ein gutes Miteinander in unserer Gesellschaft so wichtig ist.

Für mich bedeutet das aber auch, dass wir uns nicht auf Mindestlöhne beschränken dürfen, sondern dass wir auch an anderer Stelle dafür sorgen müssen, dass es besser läuft - so wie wir es nach vielen Anläufen hingekriegt haben, dass in der Fleischindustrie jetzt endlich normale Arbeitsverträge abgeschlossen werden. Das war lange überfällig; wir haben es durchgesetzt.

Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns in vielen Anläufen darum bemüht haben, dass in der Altenpflege endlich besser gezahlt wird, und es ist gut, dass wir es jetzt hingekriegt haben, ein Gesetz zu beschließen, in dem drinsteht, dass ab dem nächsten Sommer Pflegeeinrichtungen gemäß Tarif bezahlen müssen, wenn sie bei der Kasse abrechnen wollen. Das ist ein erster Schritt, dem für diese Arbeit viele weitere folgen müssen.

Die zweite große Herausforderung, die wir in unserer Gesellschaft bewältigen müssen, wenn wir an die 20er-Jahre denken, ist, dafür zu sorgen, dass wir in 10, 20 und 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben. Viele Bürgerinnen und Bürger sind sich nicht sicher, ob das wohl so ausgehen wird. Sie haben Sorge. Sie schauen sich in der Welt um und stellen fest, dass es, anders als vor vielen Jahrzehnten, so ist, dass viele auf dieser Welt Ähnliches können wie wir. Es sind Milliarden im wiederaufgestiegenen Asien, und es werden viele sein in Afrika und im Süden Amerikas - was gut für die Welt ist, was aber die Anforderungen für uns und unser Land richtig formuliert: Wir müssen technologisch vorne dabei sein. Wir müssen vornean stehen, wenn es darum geht, wirtschaftlich mit an der Spitze auf dem Weltmarkt tätig zu sein. - Dafür müssen wir uns jetzt einsetzen. Wir brauchen technologischen Fortschritt für Deutschland und eine leistungsfähige Industrie auch in der Zukunft.

Gute Arbeitsplätze wird es aber nur geben, wenn wir es gleichzeitig schaffen, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Das ist für mich die ganz große Herausforderung, vor der wir stehen und bei der wir jetzt die notwendigen Entscheidungen treffen müssen. Wir haben uns mit einem Gesetz, das aus dem Anfang dieses Jahrtausends stammt, für den Einstieg in die erneuerbaren Energien entschieden. Wir haben uns entschieden, die Grundvoraussetzung dafür zu schaffen, dass die Atomenergie nicht mehr genutzt werden kann, und wir steigen im nächsten Jahr aus ihr aus. Wir steigen auch aus der Kohleverstromung aus. Wir wollen in knapp 25 Jahren klimaneutral wirtschaften.

Das ist eine ehrgeizige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass 250 Jahre Industriegeschichte darauf beruhen, dass wir Kohle, Gas und Öl einsetzen. Deshalb sage ich: Das darf man nicht unterschätzen. Weil es aber eine große Aufgabe ist und weil wir sie hier in Deutschland bewältigen können, müssen wir sie jetzt anpacken und müssen wir jetzt die notwendigen Entscheidungen treffen.

Zu diesen Entscheidungen gehört aber auch, dass wir sagen, was wir dazu brauchen; denn als Alternative für die weggehende Nutzung der Atomenergie und die ausbleibende Nutzung der Kohleverstromung werden wir zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen - aus Windkraft auf hoher See und an Land und der Sonne - nutzen müssen. Für das, was die Industrie vorhat, brauchen wir aber noch viel mehr Strom. Wer einmal mit der Stahlindustrie, mit der Chemieindustrie, mit denen, die Zement herstellen, mit der Automobilindustrie, mit den Zulieferern, mit den Maschinenbauern und mit all den Industrie- und Wirtschaftszweigen, die in Deutschland so wichtig sind, spricht, der weiß, dass sie einen klaren Plan haben, was zu tun ist, dass sie milliardenschwere Investitionen vorhaben, dass sie genau wissen, wie sie es hinkriegen, klimaneutral zu wirtschaften. Das ist der Unterschied zu Ihnen: Die Industrie weiß mehr als Sie von der AfD; sie weiß, wie der Weg geht.

Sie sagen aber: Was wir dazu brauchen, ist Strom - Strom aus Windkraft, aus Sonne, aus Wasserstoff - und ein leistungsfähiges Stromnetz. - Deshalb müssen wir die Ausbauziele hochsetzen. Die Chemieindustrie hat uns gesagt, sie werde 2050 so viel Strom verbrauchen wie Deutschland heute insgesamt, und auch die Stahlindustrie braucht entsprechend mehr Strom - alles aus Windkraft, Sonne und der Nutzung von Wasserstoff. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt bewältigen müssen, indem wir jetzt die Ausbauziele für 2045 festlegen, indem wir jetzt festlegen, dass wir das Stromnetz entsprechend ertüchtigen, und indem wir im nächsten Jahr alle Gesetze ändern, damit die Dinge rechtzeitig fertig werden können. Eine Windkraftanlage in Deutschland zu genehmigen, darf nicht mehr sechs Jahre dauern; das muss in sechs Monaten gehen.

Klimaschutz, das ist jetzt Industriepolitik. Deshalb muss es darum gehen, dass wir mit der Industrie zusammen diese große Herausforderung bewältigen. Klimaschutz ist auch Teil einer Politik, die die Industrie will. Sie hat die Pläne; sie weiß, wie das geht. Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, damit das funktioniert, und deshalb bin ich dafür, dass wir diese große Aufgabe anpacken. Das ist wichtig für den Wohlstand unseres Landes und die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland.

Vielleicht noch eine Bemerkung auf einen Einwand, der immer wieder kommt - zum Beispiel aus Ihren Reihen, denen der AfD, aber auch von anderen -, indem gefragt wird: Was bringt das, wenn wir das hier in Deutschland machen? Wir sind ja nur ein kleiner Teil der Welt, und wenn wir das hier machen, dann hat das ja gar keine Auswirkungen auf andere Orte der Welt. - Das ist falsch. Natürlich werden wir die Länder Asiens, Afrikas und im Süden Amerikas niemals davon abbringen können, den gleichen Wohlstand haben zu wollen wie wir; das steht ihnen zu, und sie tun alles dafür, dass ihnen das möglich ist. Aber was wir können mit unseren Ingenieurinnen und Ingenieuren, mit unserer Industrie, mit unserer Wirtschaftskraft, ist, die Technologien zu entwickeln, die für die ganze Welt eine Alternative zu den fossilen Ressourcen sind, die heute genutzt werden. Und genau diese Aufgabe müssen wir jetzt angehen.

Weil wir in dieser Debatte ab und zu ja auch sehr freundlich zueinander sind, möchte ich das an dieser Stelle sagen: Die Tatsache, dass die CDU/CSU in den letzten Jahren jedes Jahr wieder den Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten abgelehnt hat, weil sie der festen Überzeugung war, dass das falsch ist und nicht gebraucht wird - sie hat noch vor zwei Jahren gesagt, man braucht nicht mehr Strom, sie hat noch im letzten Jahr gesagt, man braucht nicht mehr Strom, und sie hat noch im Juni gesagt, man braucht nicht mehr Strom -, ist eine Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine weitere von der CDU/CSU geführte Bundesregierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Respekt in unserer Gesellschaft. Wir müssen dafür sorgen, dass uns die Zukunft gelingt: dass die 20er-Jahre ein Aufbruch werden, der sicherstellt, dass wir in 10, 20, 30 Jahren noch gute Arbeitsplätze haben, und dass wir den menschengemachten Klimawandel aufhalten können. Wir müssen aber auch gut verstehen, dass wir nicht alleine auf der Welt sind, sondern dass wir nur gemeinsam mit unseren Freundinnen und Freunden in Europa eine Perspektive haben, in der künftigen Welt gut zurechtkommen und das verteidigen zu können, was uns an Rechtsstaatlichkeit, an Demokratie und an sozialer Marktwirtschaft wichtig ist.

Deshalb will ich hier an dieser Stelle noch einmal bekennen: Ein weiterer Fortschritt für Europa ist das wichtigste nationale Anliegen, das wir in Deutschland haben. Nur mit der Europäischen Union gemeinsam werden wir in einer Welt, die um die Mitte dieses Jahrhunderts 10 Milliarden Einwohner hat, noch relevant sein, noch mitbestimmen, noch entscheiden können, wie sich unser Leben entwickeln soll. Darum muss Deutschland die Aufgabe wahrnehmen, dafür zu sorgen, dass die Europäische Union gelingt und wir eine bessere Europäische Union bekommen.

Deutschland ist das große Land in der Mitte der Europäischen Union. Wir sind die, die nicht am Rande stehen können, schlecht gelaunte Kommentare zu den Plänen der anderen abgeben und letztendlich das Spiel spielen, dass man hierzulande den Fernsehkameras mitteilt, was man in Brüssel alles erreichen will, dort freundlich verhandelt, hinterher zurückgeht und erklärt, wie man es allen anderen gezeigt hat.

Wir müssen das anders machen. Wir müssen das Land sein, das sich für diesen gemeinsamen Fortschritt verantwortlich fühlt und dafür sorgt, dass es keine Spaltung zwischen Nord und Süd und West und Ost in Europa gibt, sondern dass die weitere Integration Europas gelingt. Das ist die große Herausforderung! Das ist die große Aufgabe, die wir haben. Das wollen wir gemeinsam hinkriegen: die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, dieser Deutsche Bundestag und die künftige Bundesregierung.

Aber auch wenn Europa das ist, woran wir arbeiten müssen, an einem starken, souveränen Europa, das in der Lage ist, die eigenen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen, wird das nur im Verbund mit der NATO und in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika gelingen, mit der transatlantischen Zusammenarbeit, die so unverzichtbar ist. Das galt und das gilt auch in Zukunft.

Für mich bedeutet das auch, dass wir alles dafür tun müssen, dass wir unsere Verteidigungsanstrengungen auch gut gewährleisten können. Deshalb bin ich froh, dass in dieser Legislaturperiode die schlechte Zeit für die Bundeswehr, die unter einer schwarz-gelben Koalition begonnen hat – es tut mir leid, das sagen zu müssen –, endlich zu Ende gegangen ist, dass der Bundeswehrhaushalt in den letzten Jahren die größten Steigerungen bekommen hat. Das war richtig so. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten, meine Damen und Herren.

Wir werden auch in Zukunft – das will ich an dieser Stelle sagen – weiter Entscheidungen im Rahmen der EU, im Rahmen der NATO und auf Grundlage von Beschlüssen der Vereinten Nationen treffen müssen, dass wir Soldaten im Ausland einsetzen. Ich finde, dass die Entwicklung in Afghanistan einen Anlass dafür gibt, jeweils zu diskutieren, was man macht und was richtig ist. Aber es muss dabei bleiben, dass wir verstehen, dass wir nicht alleine sind, sondern dass wir mit den anderen zusammen für Frieden und Sicherheit in der Welt sorgen müssen. Das wird auch in Zukunft eine Aufgabe sein.

In diesem Sinne haben wir heute in diesem Haus die letzten Debatten. Ich bin sehr dankbar, dass wir hier noch so miteinander diskutieren können; denn jetzt ist ja die Zeit der Bürgerinnen und Bürger. Sie entscheiden am 26. September, wie es mit diesem Land weitergeht. Sie entscheiden, wie es mit unserer Gesellschaft weitergeht, ob Respekt sie bewegt, ob wir eine gute Zukunft haben, ob wir ein starkes und souveränes Europa haben.

Die Bürgerinnen und Bürger haben jetzt das Wort. Ein Aufbruch ist möglich. Ich hoffe und ich bin sicher: Er wird gelingen!

Schönen Dank.