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27.11.2012

Wert und Akzeptanz des Urheberrechts im digitalen Zeitalter Eröffnung des Roundtable Urheberrecht

Wert und Akzeptanz des Urheberrechts im digitalen Zeitalter Eröffnung des Roundtable Urheberrecht

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich, dass Sie alle unserer Einladung gefolgt sind und ich Sie heute hier im Hamburger Rathaus begrüßen kann.

 

Bereits beim Mediendialog im Mai stand das Thema Urheberrecht auf der Tagesordnung. Wie sich Beteiligte erinnern werden, war es das Thema, bei dem die Diskussion am intensivsten und leidenschaftlichsten geführt wurde.

 

Dass sich daran nichts geändert hat, kann man an der Kampagne Verteidige Dein Netz zum Thema Leistungsschutzrecht sehen, die Google heute begonnen hat und die hier am Tisch sicherlich sehr unterschiedlich bewertet wird.

 

Wir wollen auch deshalb die Gelegenheit bieten, in Zeiten hitziger Diskussionen eine Versachlichung zu erreichen und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.

 

Das Thema Urheberrecht braucht unsere Aufmerksamkeit. Es berührt die ökonomischen und die regulatorischen Grundlagen der Medienordnung des 21. Jahrhunderts im Kern.

 

Auch deshalb haben wir nach der Veranstaltung im Mai auf Wunsch der beteiligten Unternehmen und Verbänden beschlossen, das Thema in einem eigenen Roundtable zu diskutieren. 

 

Als Medienstandort, an dem über alle Zweige der Medienbranche hinweg Unternehmen in relevanter Stärke präsent sind, bietet sich Hamburg an, die Debatte zu organisieren und Gelegenheit zum Interessenaustausch und Diskurs zu geben.

 

Als Stadt und Staat sehen wir unsere Aufgabe auch darin, einen Tisch in die Mitte zu stellen und alle Beteiligten zu bitten, daran Platz zu nehmen, um die wichtigen Branchenthemen zu bearbeiten.

 

Und dazu gehört das Urheberrecht ohne jeden Zweifel. Die Verfügungsgewalt über das geistige Eigentum ist seit Jahrhunderten, eine der Grundlagen der Medien- und Kreativwirtschaft. Selbst als sie noch nicht so hie߅

 

Die Möglichkeit, zunächst ausschließlich über die Nutzung des eigenen Werkes zu bestimmen, hat mediale Geschäftsmodelle begründet und den Charakter unserer kulturellen Öffentlichkeit geprägt.

 

Technische Entwicklungen setzen die Ausschließlichkeit zunehmend unter Druck: Ein Werk ist nicht mehr an ein Trägermedium gebunden. Es lässt sich ohne Qualitätsverlust beliebig oft digital vervielfältigen. Und es ist in globalen Informationsnetzen beinahe überall verfügbar. 

Diese Entwicklungen haben nicht Wenige dazu verleitet, die einst ehernen Grundsätze des Urheberrechts und des geistigen Eigentums zur Disposition zu stellen. Plötzlich war von Kulturflatrates, von creative commons, von einer digitalen Allmende oder von einer Ökonomie des Sharings die Rede.

 

Vieles davon wirkte auf den ersten Blick zivilgesellschaftlich sympathisch und modern. Und es gab nicht wenige auch in der Politik und zwar quer durch alle Parteien , die auf diese Leimrute gegangen sind.

 

Leimrute, weil es natürlich ein gravierender Fehlschluss ist zu meinen, dass sich am Wert des geistigen Eigentums etwas geändert hätte, nur weil es plötzlich die Digitalisierung und das Internet gibt. Die Wertedimension der Urheberschaft bleibt davon unberührt.

 

Das ist ein wichtiger Ausgangspunkt für alle weiteren Debatten. 

 

Meine Damen und Herren,

 

dass wir heute wieder weitgehend unwidersprochen über den Wert des Urheberrechts sprechen können, verdanken wir den Urhebern und Kreativen, die sich im Laufe der letzten anderthalb Jahre vehement zu Wort gemeldet und ihre Rechte eingefordert haben. 

 

Sven Regener ist sicherlich der prominenteste unter ihnen. Aber hier bei uns am Tisch sitzt auch der Chefredakteur von GEO, Peter-Matthias Gaede, der einen wirkmächtigen offenen Brief initiierte, in dem Schöpfer das Recht an ihren Werken auch im digitalen Zeitalter einforderten.

 

Diese Stellungnahmen haben ein wichtiges Widerlager in die öffentliche Debatte gebracht und all jene zum Innehalten gezwungen, die vorher unterwegs waren, sich von zentralen Postulaten des Urheberrechts zu verabschieden. Die Debatte ist seitdem realistischer und klüger geworden.

 

Leider hat sie allerdings bis heute nicht zu den politischen Konsequenzen geführt, die sie verdient. In ihrer Koalitionsvereinbarung haben CDU/CSU und FDP auf Bundesebene zwar vereinbart, den dritten Korb der Urheberrechtsreform vorzulegen. Aber das ist bis heute nicht geschehen. 

 

Stattdessen sind viele Treffen mit mäßigem Ausgang inszeniert worden. Am Ende kam nur der dürre und unsauber gearbeitete Entwurf eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger dabei heraus. Das ist zu wenig.

 

Der politische Attentismus der Bundesregierung ist vor allem für die Sache problematisch. Denn wer sich mit politischen Debatten ein wenig auskennt, der weiß, wie sie sich entwickeln, wenn sie zwar jahrelang geführt werden, dabei aber keine konkreten Ergebnisse produziert werden:

 

Alle beteiligten Interessenvertreter beginnen sich an ihren öffentlich eingenommenen Positionen einzugraben. Jeder Millimeter Abweichung von dem ursprünglich geäußerten Interesse könnte von der anderen Seite schließlich als ein Eingeständnis ohne Gegenleistung wahrgenommen werden, als Hinweis darauf, dass man beginnt, am bislang Geäußerten zu zweifeln.

 

Glauben Sie mir, wer sich in Deutschland beispielsweise einige Jahre mit der Debatte über die Einführung eines Mindestlohns befasst hat, der kennt all diese Mechanismen nur zu genau.

Und auch die Debatte über das Urheberrecht wird in Teilen nach den gleichen Mustern geführt.

 

Das ist kein Fehler der Beteiligten, sondern letztlich Ausfluss des Versagens der Politik, die Probleme dort anzugehen, wo sie kompetenziell zu bearbeiten wären. Und das ist im Falle des Urheberrechts in Deutschland nun einmal primär die Bundesebene.

 

Lassen Sie es mich ganz vorsichtig ausdrücken: Meine These ist, dass im Zuge des jahrelangen Hinhaltens die faktischen geschäftlichen Interessen der Beteiligten mittlerweile nicht mehr unbedingt und in jedem Detail mit den öffentlich artikulierten Positionen übereinstimmen müssen.

 

Darüber sollten wir sprechen. Und zwar nicht öffentlich, damit wir uns offen austauschen können. 

Die Verhältnisse in unserer Mediengesellschaft sind so komplex geworden, dass politische Klärungen vernünftiger Weise nur im Austausch mit den Branchenbeteiligten entwickelt werden können. Unser heutiger Roundtable ist das ausdrückliche Angebot, genau dieses auch im Bereich des Urheberrechtes zu tun.

 

In welchen Fragen sind Einigungen oder Branchenvereinbarungen möglich? Und in welchen muss die Politik Interessengegensätze entscheiden? Darüber sind wir am Ende des Nachmittags vielleicht ein wenig schlauer.

 

Meine Damen und Herren,

 

die Relevanz der urheberrechtlichen Debatte entspringt nicht einer grundlegenden Veränderung im normativen Haushalt unserer Gesellschaft, sondern vielmehr eher praktischen Entwicklungen.

 

 

Wir erleben im Zuge der Digitalisierung zwei gegenläufige und dennoch eng miteinander verwobene Prozesse:

 

Erstens dehnt sich der Schutzbereich des Urheberrechts weiter aus. Das jüngste Beispiel ist die geplante Einführung eines Schutzrechts für Presseverleger.

 

Zweitens sinken die Zugangsbarrieren zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke zumindest faktisch und nach dem Willen mancher künftig auch rechtlich.

 

Es gibt in der Tat eine innere Logik, diese beiden Entwicklungen auch explizit miteinander zu verknüpfen.

Denn wenn wir unter das Urheberrecht immer mehr Schutzgüter subsumieren, müssen wir zugleich gewährleisten, dass diese nicht der öffentlichen Wahrnehmung und Bearbeitung entzogen werden.

 

Es geht im Urheberrecht dann nicht mehr nur um die ausschließliche Verfügung und ihren Schutz, sondern zunehmend auch um die angemessene Vergütung für die Nutzung.

 

Das lässt sich am Beispiel des Schutzrechts für Presseverleger schön nachvollziehen: Ich halte diesen Schritt im Kern für sinnvoll,

  • wenn man erstens darauf achtet, dass man nur das schützt, was auch schützenswert ist nämlich die verlegerische Leistung; 
  • wenn man zweitens die demokratiepolitisch gewünschte Auffindbarkeit lizenzfrei gewährleistet; 
  • und wenn man drittens wie von den Verlegern bereits angekündigt einfache Lizenzierungsmodelle entwickelt, damit verlegerisch produzierte Informationen auch in Zukunft verwendet werden können.

 

Mit diesem Beispiel sind wir mitten auf dem Feld der Geschäftsmodelle. In der digitalen Medienwirtschaft begegnen sich Unternehmen, für deren Wertschöpfungsprozesse das Urheberrecht eine sehr unterschiedliche Bedeutung hat. Während nicht wenige ihre Geschäftsmodelle auf die ausschließliche Verfügbarkeit des Werkes gründen, gibt es andere, die Geld damit verdienen, Werke möglichst breit zur Verfügung zu stellen und auszuwerten.

 

Wir stehen vor der Aufgabe, zwischen diesen beiden unterschiedlichen Herangehensweisen für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen.

 

Meines Erachtens muss hierfür jenseits der Rahmensetzung nicht immer nur der Gesetzgeber sorgen. Oftmals sind kluge Branchenlösungen ebenso sinnvoll, wenn sie auf fairen Aushandlungsprozessen beruhen.

 

Mit solch pragmatischer Nüchternheit sollten wir beispielsweise auch Fragen einer Kulturflatrate diskutieren. Ich halte aktuell wenig davon, solche Modelle staatlich zu implementieren. Zugleich stellen wir fest, dass sie sich aus dem Markt heraus siehe Spotify sehr wohl als gemeinsame Projekte entwickeln.

 

Das wohlverstandene Eigeninteresse von Produzenten und Anbietern ist oft der beste Maßstab.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

wir müssen die Debatte über die Geschäftsmodelle schon deshalb führen, um das öffentliche Bewusstsein dafür zu schärfen, dass wir es in urheberrechtlichen Kontexten nicht mit einer Zweierbeziehung von Urheber und Nutzer zu tun haben, sondern mit einem Dreiecksverhältnis, in dem daneben noch die Werkmittler eine wesentliche Rolle spielen.

 

Es sind die Vermittler und Verwerter, die in unserer Medienordnung nach wie vor die institutionelle Infrastruktur gewährleisten, über die wir mit Medien- und Kreativprodukten überhaupt in Kontakt geraten. Sie liefern damit sozusagen das Rückgrat unserer informatorischen und kulturellen Öffentlichkeit und sind unverzichtbar für das Gelingen gesellschaftlicher Ordnung.

 

Das übersehen diejenigen, die glauben, dass man darauf künftig verzichten könne, um alles einfach in den charmant anarchischen Austausch zwischen Künstler und Rezipienten zu legen. Das wird nicht funktionieren.

 

Wir werden darauf zu achten haben, dass die Verwerter auch künftig eine strukturierende Leistung erbringen können und dass sie entsprechend auch gemeinsam mit den Urhebern über die Auswertungshoheit ihrer Werke verfügen. 

 

Genauso wie wir uns zum Beispiel im Urhebervertragsrecht mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Urheber ihre Rechte wahrnehmen und eine angemessene Vergütung erhalten können, werden wir uns auch um die Stellung derer kümmern, die die Infrastruktur unserer Medien- und Kreativwirtschaft gewährleisten.

Es kommt darauf an, den Ausgleich zu organisieren und eine vernünftige digitale Verwertungsstruktur zu schaffen.

Das ist für mich das zentrale Feld in der Debatte.

 

Dieses Feld liegt unmittelbar neben der berechtigten Frage, wie man bestehende Urheberrechte mit zivilrechtlichen und bisweilen strafrechtlichen Mitteln besser durchsetzen kann.

 

Und es birgt die Chance, einem oftmals als sehr repressiv wahrgenommenen Diskurs eine Wendung nach vorne zu geben.

 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir müssen unser Hauptaugenmerk auf die gewerbsmäßigen Strukturen und Finanzierungsmodelle hinter Angeboten wie kino.to legen, um solche massiven Verstöße zu unterbinden.

 

Ich habe kein Verständnis für diejenigen, die öffentlich den Eindruck erwecken, solche bandenmäßigen Geschäfte seien lediglich Kinderkrankheiten der digitalen Ordnung oder Kavaliersdelikte, die man aushalten müsse. Diesem Eindruck müssen wir mit aller Härte entgegentreten.

 

Aber wir sollten uns fragen, ob wir nicht an der Stelle überziehen, an der der Versand von Abmahnungen an Einzeluser zunehmend aussieht wie ein eigenständiges Geschäftsmodell großer Anwaltskanzleien.

 

Natürlich haben die massenhaft verschickten Abmahnungen einerseits eine empirisch relativ klar belegte aufklärende und abschreckende Wirkung.

 

Andererseits aber führen sie angesichts der rechtlichen Mechanismen ihrer Handhabung auch zu massiven Akzeptanzverlusten für das Urheberrecht.

 

Wir sollten daher überlegen, ob unser rechtliches Instrumentarium schon differenziert genug ist.

 

Die Politik in Deutschland ist weitgehend festgelegt, dass Three-Strikes-Out-Modelle nach französischem Vorbild mit unserer freiheitlichen Grundordnung nicht übereinstimmen. Aber ich kann mir durchaus Warnhinweis-Modelle oder Verbraucherinformationen vorstellen, die man gemeinsam mit den Providern ins Werk setzt, um vor illegaler Nutzung zu warnen.

 

Auch hier haben die Branchenbeteiligten viele Instrumente bereits heute selbst in der Hand.

 

Diesen und vielen weiteren konkreten Fragen der Rechtsdurchsetzung soll sich der zweite Teil der heutigen Diskussion widmen, bei dem ich leider nicht mehr teilnehmen kann. Aber sowohl der Chef der Senatskanzlei Christoph Krupp als auch der Staatsrat der Justizbehörde Ralf Kleindieck werden aufmerksam zuhören und Ihre Anregungen aufnehmen.

 

Außerdem wird uns Prof. Leistner von der Universität Bonn als jederzeit zu befragender Experte zur Verfügung stehen.

 

Meine Damen und Herren,

 

das Urheberrecht liegt in der Kompetenz des Bundes und ist vielfach europäisch normiert.

 

Aber als Stadtstaat ist die Freie und Hansestadt Hamburg Teil der legislativen Prozesse in Deutschland. Wir sind ausdrücklich gewillt, von diesen Möglichkeiten über den Bundesrat Gebrauch zu machen.

 

Aus Ihren Debatten können wir lernen, wo die faktischen Probleme liegen und mit welchen Initiativen sie gelindert werden können. Als informierter Teil einer gemeinsamen Governance können wir dann auch politische Initiativen starten.

 

Dort, wo Vereinbarungen und gemeinsame Initiativen der Marktteilnehmer möglich sind und verabredet werden können, haben sie meines Erachtens Vorrang. Aber das darf den Gesetzgeber nicht davon abhalten, den Rahmen klar abzustecken.

 

Wir werden in Hamburg keinen Entwurf eines dritten Korbes schreiben können. Aber wir können als Partner für sinnvolle Initiativen zur Verfügung stehen. 

 

Und wir können jederzeit wieder einen Tisch in die Mitte stellen und alle bitten, daran Platz zu nehmen. Die Debatte wird in drei Stunden sicherlich nicht beendet sein.

 

Wir werden sie auch weiterhin mit offenem Visier und mit allen an einem rationalen Austausch Interessierten weiterführen.

 

Ich gebe nun das Wort an Frank Thomsen, den Chefredakteur von stern.de, der uns durch diesen Nachmittag führen wird.

 

Schönen  Dank!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.