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29.07.2009

Auftakt des Ideenwettbewerbs "Gute Arbeit für Alleinerziehende"

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor allem: sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der ausgewählten Projekte, um sechs Uhr früh aufstehen, Frühstück machen, Pausenbrote schmieren, Kinder wecken, den Kleinen in die Kita, die Große in die Schule, schnell auf Arbeit und auf Verständnis beim Chef hoffen, dass man auch heute nicht eben eine Stunde länger bleiben kann. Wer großes Glück hat, kann am Nachmittag bei Oma anrufen, ob mit den Hausaufgaben alles läuft. Dann Kinder wieder einsammeln, einkaufen gehen, eben durchsaugen, Abendessen, noch den Brief an die Kindergeldkasse fertig machen, Kinder ins Bett, den Kleinen noch eine Geschichte vorlesen, bei der einem selbst die Augen zufallen mehr Zeit bleibt nicht. Das klingt nicht gerade einfach. Dennoch ist es wohl in etwa der beste und einfachste aller vorstellbaren Tagesabläufe einer alleinerziehenden Mutter. Denn es sind ja ehrlicherweise fast nur Frauen an die 90 Prozent , die ohne Partner mit ihren Kindern durchs Leben steuern.

Wenn ein Tag in den allermeisten Fällen so funktionieren würde und zwar auch dann, wenn eines der Kinder noch unter drei Jahren ist und am besten in der nächst gelegenen Schule auch eine Ganztagsbetreuung angeboten wird , dann hätten wir schon einen Riesensprung nach vorn gemacht. Aber so weit sind wir leider noch lange nicht. Die tatsächlichen Zahlen beschreiben eine noch weit schwierigere Realität. Insgesamt sind es fast 1,6 Millionen Familien, die den Alltag mit nur einem Elternteil meistern. Das ist fast jede fünfte, in Großstädten sogar fast jede zweite.

Immerhin gut die Hälfte der Alleinerziehenden schafft das tagtägliche kleine Wunder, sich und die Familie durch eigenes Einkommen zu finanzieren. Weit über 40 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte beziehen dagegen Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Von den 2,1 Millionen Kindern alleinerziehender Eltern sind rund 800.000 von Armut bedroht. Damit ist ihr Armutsrisiko bedeutend höher als das ihrer Altersgenossen, die in Familien mit zwei Elternteilen aufwachsen.

Besonders bedrückend ist, dass die Hilfebedürftigkeit viel zu oft zur Sackgasse wird. Alleinerziehende schaffen es nur viel seltener, wieder auf eigene Beine zu kommen und bleiben lange von der staatlichen Unterstützung abhängig. Ein Viertel aller Leistungsbezieher sind daher Alleinerziehende und ihre Kinder. Besonders schwierig wird die Situation, wenn der andere Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nachkommt. Und das kommt häufig vor.

Meine Damen und Herren,

die Belastungen, die Alleinerziehende durch Erziehung, Alltag und Beruf zu bewältigen haben, sind für viele andere kaum vorstellbar.

Wie gesagt: Erstaunlich viele meistern das erfolgreich. Aber die Herausforderung kann auch schnell zur Überforderung werden.

Wir wissen alle, dass das mitnichten daran liegt, dass Alleinerziehende unmotiviert oder schlechter ausgebildet wären: Schon der anfangs kurz skizzierte Tagesablauf zeigt: Alleinerziehende sind Leistungsträger und sie sind leistungsbereit.  Und zwar nicht nur, weil sie keine andere Wahl haben. Im Gegenteil: Zwei Drittel der nicht-erwerbstätigen Alleinerziehenden wollen gern arbeiten. Und die erwerbstätigen Alleinerziehenden, die es nicht schaffen, mit ihrem Job sich und die Familie über die Runden zu bringen und deswegen aufstocken, geben zum weit überwiegenden Teil an, dass sie selbst dann arbeiten würden, wenn sie nicht darauf angewiesen wären.

Die Motivation dieser Frauen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, ist damit wesentlich höher als im Rest der Bevölkerung. Sie sind dafür meist auch gut ausgebildet.  Ihr Bildungsstand unterscheidet sich nur geringfügig von Müttern in Paarfamilien. Etwas weniger Abiturabschlüsse sind dabei, dafür mehr Realschulabschlüsse. Ohne Abschluss ist nur jede zwanzigste. Immer noch viel zu viele, das ist klar! Aber kein Wert, der ihre oft extrem schwierige wirtschaftliche Situation erklären könnte. Auch bei den beruflichen Abschlüssen gibt es kaum Unterschiede. Daran liegt es also nicht.

Das Potenzial der oftmals gut ausgebildeten und motivierten Alleinerziehenden, ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden, ist enorm. Dennoch schafft es unsere Gesellschaft nicht, diesen Frauen und den wenigen betroffenen Männern, die Chance zu geben, auf eigene Beine zu kommen. Wir alle versagen zum Teil auf ganzer Linie.

Wenn wir unseren Anspruch, in einem Sozialstaat leben zu wollen, ernst nehmen, können wir nicht einfach hinnehmen, dass diese Familien und vor allem ihre Kinder von der Gesellschaft abgekoppelt werden dass sie kaum eine Chance haben, jemals ihre Hilfebedürftigkeit zu überwinden. Und das tun wir auch nicht!

Einiges haben wir schon getan vor allem um die materielle Situation von Kindern zu verbessern:

Wir haben eine dritte Altersstufe bei den Kinderregelsätzen für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren eingeführt, die den spezifischen Bedarf in diesem Alter besser abdeckt.

Wir haben ein Schulpaket zu Beginn des Schuljahres eingeführt, damit die nötigen Anschaffungen für die Schule nicht zu kurz kommen. Damit jedes Kind mit dem Wasserfarbkasten, Turnschuhen oder dem Zirkel für den Mathematikunterricht ins Schuljahr startet. Jetzt in diesen Tagen wird diese neue Leistung zum ersten Mal überwiesen.

Auch der Kinderbonus von 100 Euro aus dem Konjunkturpaket hilft Alleinerziehenden, den Haushalt zu bewältigen.

Hinzu kommen:
•    ein spezifischer Steuerentlastungsbetrag für Alleinerziehende,
•    die Möglichkeit 14 Monate statt 12 Elterngeld zu beziehen,
•    Zuschläge in der Grundsicherung und
•    Einkommensfreibeträge beim Wohngeld.

Es ist ein Versprechen des Sozialstaats, dass niemand ins Bodenlose fällt. Die materielle Existenz muss immer gesichert sein. Das ist wichtig. Weil das Armutsrisiko von Kindern Alleinerziehender doppelt so hoch ist wie in anderen Familien, mussten wir da unmittelbar etwas tun.

Letztlich müssen wir uns aber um die Ursachen kümmern. Mit der Linderung von Symptomen kann keiner zufrieden sein.

Sozialstaat heißt für mich vor allem auch, dass Anstrengung sich lohnen muss. Dass man die Chance bekommt, seine Situation zu verbessern, wenn man sich ins Zeug legt. Das müssen wir möglich machen. Davon dürfen Alleinerziehende nicht ausgeschlossen bleiben.

Der Armuts- und Reichtumsbericht hat uns gezeigt, dass fast die Hälfte aller Kinder in Haushalten, in denen niemand erwerbstätig ist, von Armut bedroht sind. In Haushalten, in denen mindestens einer arbeitet, sind es nur noch 8 Prozent. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Die Ausgrenzung zu überwinden, heißt vor allem, Chancen auf gute und gut bezahlte Arbeit zu eröffnen.

Und damit das besser funktioniert, haben wir die Leistungen ausgebaut, die gering verdienende Familien ergänzend zum Lohn unterstützen: das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Wohngeld. Diese drei Leistungen sollen es möglich machen, dass auch alleinerziehende Eltern aus dem Aufstocken herauskommen.

Das wollen wir auch in Zukunft noch weiter tun, um noch mehr Bürgerinnen und Bürgern den Weg aus der Grundsicherung zu ebnen. Der beste Schutz vor Kinderarmut ist eine existenzsichernde Erwerbsarbeit der Eltern. So lautet die einfache Erkenntnis. Allein, indem man mehr Geld ausgibt, kommt man da aber nicht weiter. Wir müssen an die Strukturen, die Alleinerziehende zu einem viel zu großen Teil von der Arbeitswelt fern halten. Dazu braucht es vor allem drei wesentliche Bausteine:

Erstens flächendeckende und qualitativ hochwertige Betreuungsangebote.

Zweitens anständige Löhne.

Und drittens eine spezialisierte Arbeitsberatung und -vermittlung für Alleinerziehende, die eng mit Betreuungseinrichtungen, mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe und anderen Hilfestellen vernetzt ist.

Meine Damen und Herren,

in Sachen Betreuung hat sich einiges getan in den letzten Jahren. Aber wir müssen ehrlich sein: Das Ziel ist immer noch nicht in Reichweite. Dass viele Alleinerziehende keinen Arbeitsplatz finden oder zumindest keinen, der sie aus der Hilfebedürftigkeit führt, liegt zu einem großen Teil daran, dass die Betreuungsmöglichkeiten in vielen Regionen immer noch katastrophal sind. Wenn die Infrastruktur fehlt, kann auch eine hervorragend qualifizierte junge Mutter nicht in den Beruf zurück. Das liegt auf der Hand.

Hier sind übrigens auch die Arbeitgeber gefragt. Auch sie sind in der gesellschaftlichen Verantwortung, ihren Beitrag zu einer familienfreundlicheren Arbeitswelt zu leisten. Zumal Sensibilität gegenüber den Problemen Alleinerziehender, betriebliche Betreuungseinrichtungen oder einfach ein Familienservice, der Eltern bei der Suche nach einem Kita-Platz unterstützt, auch dem Arbeitgeber helfen: Solche Angebote machen einen Arbeitsplatz für qualifizierte Fachkräfte, die im Nebenberuf Eltern sind, erheblich attraktiver.

Auf der anderen Seite sind vor allem die Gemeinden und bei den Schulen die Länder in der Pflicht. Eigentlich müsste es so sein, dass 24 Stunden nachdem man eine Jobzusage bekommt, einem selbstverständlich auch ein Kita-Platz in der gleichen Gemeinde angeboten wird. In manchen ostdeutschen Gegenden mag das noch einigermaßen realistisch sein. In den meisten westdeutschen Flächenländern ist es aber eine für undenkbar gehaltene Utopie.

Hier müssen die Bürgermeister und Landräte noch einige Hausaufgaben machen, bis sie sagen können, dass sie ihre Aufgabe erfüllt haben. Da wird viel zu viel schleifen gelassen, weil die Verantwortlichen sich zu leicht davon stehlen können.

Und die Kosten, um die Erwerbslosigkeit der Alleinerziehenden zu finanzieren die viel lieber selbstbestimmt für ihren Lebensunterhalt sorgen würden , werden am Ende ja sowieso vom Bund übernommen.

In die Röhre gucken am Ende vor allem die Alleinerziehenden und die Kinder, die sich gegen die Verantwortungslosigkeit nicht wehren können. Eigentlich müssten wir dazu übergehen, dass jeder Chef, jede Chefin einer Arbeitsagentur regelmäßig der lokalen Presse erklärt, wie viele gut qualifizierte, motivierte Mütter er nicht auf offene Stellen vermitteln konnte, weil die nötigen Betreuungsplätze in der Region fehlen. Ich stelle mir vor, dass wir das demnächst auch einmal im Jahr machen. Und am besten sollten wir auch gleich dazu sagen, was das die Unternehmen und die Beitragszahler kostet, dass die Gemeinde ihre Aufgabe nicht erledigt hat.

In der Schulpolitik müssen die Länder noch stärker von der Öffentlichkeit in die Pflicht genommen werden. Alles, was wir auf Bundesebene unternehmen können, versuchen wir zu tun. Schon Renate Schmidt hat sich den massiven Ausbau der Kinderbetreuungsangebote auf die Fahnen geschrieben.

Außerdem haben wir schon unter der letzten Bundesregierung begonnen, den Ländern mit Milliardensummen beim Ausbau der Ganztagsbetreuung in Schulen unter die Arme zu greifen. Diese Anstrengungen haben wir weiter fortgesetzt.

Ehrlich gesagt interessieren mich da Kompetenzgrenzen herzlich wenig. Wir alle wissen, dass die Föderalismusreform die Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen nicht immer einfacher gemacht hat. Auch wenn es stimmt: Niemandem ist geholfen, wenn man nur auf die Zuständigkeiten anderer verweist. Und den Alleinerziehenden ist es erst recht egal, wer die Hilfe organisiert, wenn es am Ende klappt. Und es gibt ja auch Beispiele, dass konstruktive Zusammenarbeit möglich ist, wenn der nötige Wille aufgebracht wird. Wir haben zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz geschaffen und zwar schon vom ersten Geburtstag an.

Die nötige Infrastruktur zu schaffen, nimmt jedoch viel Zeit in Anspruch. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz kann daher erst 2013 greifen.

Übrigens möchte ich mir als Arbeitsminister den Hinweis erlauben, dass wahrscheinlich noch nicht ansatzweise genug der dafür nötigen Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet sind oder eine Ausbildung begonnen haben dafür wird es allerdings langsam Zeit.

Und selbst dieser Schritt reicht meines Erachtens nicht aus. Das müssen wir in Zukunft noch weiter entwickeln. Denn auch der Rechtsanspruch auf irgendeinen Kita-Platz reicht nicht aus auf Dauer brauchen wir einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung! Nur so wird Berufstätigkeit von Alleinerziehenden wirklich möglich.

Wo wir die Kompetenz haben, zum Beispiel bei der Förderung von Fortbildungen, tun wir, was wir können:
Beim Meister-BAföG bekommen Alleinerziehende neben den für alle Familien geltenden Unterhaltszuschüssen für Kinder auch einen monatlichen Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten von 113 Euro pro Kind und Monat. Das macht die Entscheidung, sich weiterzubilden und beruflich voranzukommen, leichter.

Gleichzeitig investiert der Bund gemeinsam mit den Ländern auch weiter in Schulen und Kitas übrigens auch im Rahmen der Konjunkturpakete.

Die Umsetzung des Rechtanspruchs auf einen Kita-Platz in 2013 ist allerdings noch lange hin. Viel zu lang für diejenigen, die heute auf Hilfe angewiesen sind.

Da werden schon jetzt konkrete Maßnahmen gebraucht, um mit den vorhandenen Möglichkeiten das Beste zu erreichen. Dazu gehören ich habe es schon erwähnt , dass wir die gesetzlichen Voraussetzungen für erträgliche Löhne schaffen. Die Etablierung flächendeckender Mindestlöhne ist auch ein Programm für Alleinerziehende. Vielen von denen, die heute aufstocken müssen, wäre schon geholfen, wenn wir überall Lohndumping verhindern könnten. Denn Frauen und besonders Alleinerziehende sind überdurchschnittlich oft gezwungen, in Niedriglohnbereichen zu arbeiten. Das ist auch ein zentraler Grund dafür, dass Frauen in Deutschland immer noch 23 Prozent weniger verdienen als Männer. Eine Lohnlücke, die durch nichts zu rechtfertigen ist. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn würde da schon etwas bringen.

Die britische Low Pay Commission hat ausgerechnet, dass sich die Lohnlücke in Großbritannien zwischen Frauen und Männern durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 16,1 Prozent innerhalb von neun Jahren auf 10,8 Prozent (2006) reduziert hat. Das wäre doch schon ein kleiner Erfolg!

Wir sind in dieser Legislatur da schon ein gutes Stück vorangekommen obwohl nicht alle in der Koalition das richtig fanden. In sechs zusätzlichen Branchen haben wir dieses Jahr Mindestlöhne möglich gemacht.

Zusätzlich können jetzt auch in Sektoren, in denen die Tarifpartner selbst gar nicht mehr in der Lage sind, für vernünftige Arbeitsbedingungen zu sorgen, Mindestlöhne eingeführt werden. Da haben wir mit der Modernisierung des Mindestarbeitsbedingungengesetzes eine Möglichkeit geschaffen.

Diese Schritte sind nicht nur dringend nötig gewesen, um insgesamt für soziales Gleichgewicht im Arbeitsleben zu sorgen. Das ist auch ein erheblicher Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit und nicht zuletzt auch zur Verbesserung der Situation Alleinerziehender.

Auf diesem Weg müssen wir konsequent weitergehen. Ziel kann nur ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn sein, der gleichermaßen für alle Arbeitsverhältnisse gilt. Um aber einen ordentlichen Lohn zu verdienen,

meine Damen und Herren,

muss zunächst einmal überhaupt ein Arbeitsplatz vorhanden sein. Damit komme ich also zum dritten Punkt: Wir müssen auch dafür sorgen, dass Alleinerziehende, die arbeiten wollen, eine individuelle Arbeitsberatung und -vermittlung bekommen, die auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Eine Arbeitsberatung, die die familiäre Situation, die praktische Hilfe für die Bewältigung des Alltags und die Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder gleichermaßen im Blick hat, wie die Fähigkeiten und Weiterbildungsbedarfe der oder des Alleinerziehenden.

Eine Arbeitsberatung, die eng mit anderen Stellen zum Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe, den kommunalen Betreuungseinrichtungen und anderen Ansprechpartnern vor Ort zusammenarbeitet.

Wir müssen uns dabei allerdings davor hüten, die Probleme, denen sich Alleinerziehende gegenüber sehen, über einen Kamm zu scheren. Eine junge Mutter ohne Schul- oder Berufsabschluss benötigt andere Unterstützung als eine gut ausgebildete Frau, die vielleicht nach einer Scheidung und langjähriger Abwesenheit vom Arbeitsmarkt, wieder einen Job sucht. Wer früh ein Kind bekommen hat, braucht wahrscheinlich Hilfe, um einen Schul- oder Berufsabschluss nachzuholen.

Wer lange nicht mehr im Berufsleben war, muss fachlich auf die Höhe der Zeit kommen und muss vielleicht auch ermutigt werden, sich wieder mehr zuzutrauen.  Einige leben in so schwierigen persönlichen Lebenslagen, dass ihnen erst einmal mit sozialen Beratungsangeboten, Selbsthilfegruppen und Nachbarschaftstreffs unter Gleichgesinnten am meisten geholfen ist.

Wer auf dem Land wohnt, hat oft ganz andere praktische Probleme als in der Großstadt.

Die eine Lösung kann es also nicht geben, um Alleinerziehenden den Weg auf den Arbeitsmarkt zu ebnen.

Ideen zu sammeln und neue Wege auszuprobieren, wie einzelnen Zielgruppen am besten geholfen ist das ist das Ziel des Wettbewerbs Gute Arbeit für Alleinerziehende.

Der Wettbewerb ist Teil und Herzstück einer strategischen Partnerschaft, in der sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Bundesagentur für Arbeit unter dem Motto Perspektiven für Alleinerziehende zusammengeschlossen haben.

Es geht letztlich darum, Unterstützung so zu organisieren, dass alle Angebote lokaler Institutionen und Ansprechpartner lückenlos und wirksam ineinander greifen. Dass eben die Familienberatung nicht an der Grundsicherungsstelle vorbei arbeitet. Dass die Hilfeleistungen des Jugendamts mit denen der Arbeitsagentur koordiniert werden.

Wie können wir für die spezifischen Lebenslagen von Alleinerziehenden Angebote machen, die wirklich helfen? Wie können wir die im Einzelfall wichtigen Leute in einem funktionierenden Netzwerk zusammenbringen? Wie sieht ein individuelles Fallmanagement aus, das die lokalen Ansprechpartner in Behörden, Betreuungseinrichtungen und privaten Initiativen mit einbezieht?

Diese Fragen sind die ausgewählten Projekte des Wettbewerbs, die ich heute offiziell vorstellen kann, mit neuen Ideen angegangen.

Wir stellen insgesamt 60 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung, damit diese Ideen auch in die Tat umgesetzt werden können. Ursprünglich wollten wir mit diesem Geld mindestens 60 Projekte fördern.

Die Resonanz war fast überwältigend. Das zeigt, wie groß die Sensibilität für das Thema vor Ort ist. Insgesamt sind mehr als 300 Projektvorschläge von Grundsicherungsstellen und anderen Organisationen, die mit der Arbeitsvermittlung vor Ort zusammenarbeiten, eingegangen.

Die Jury hatte also keine einfache Aufgabe, die erfolgversprechendsten Ideen auszuwählen. Ich freue mich deswegen sehr, dass wir letztendlich sogar 79 Projekte auswählen konnten. Bei der Durchsicht der Vorschläge habe ich viele spannende Konzepte entdeckt, denen man genau ansieht, wie viel Erfahrungen von den Projektträgern mitgebracht werden und wie viele Gedanken und Zeit in die Konzepte geflossen sind.

Auch wenn nicht alle zum Zug kommen konnten: Ich bin mir sicher, dass die 79 ausgewählten Projekte uns einen großen Schritt voranbringen werden. Wir müssen jetzt einfach ganz praktisch ausprobieren, was hilft. Dass wir dabei so viel Unterstützung vor Ort bekommen, kann einen nur freuen. Später werden beispielhaft vier Projekte hier aus der Region aus Berlin und Brandenburg vorgestellt werden. Nicht nur von diesen möchte ich gern einiges nennen, was mich besonders beeindruckt hat:

Da wird zum Beispiel eine umfassende Betreuung junger Frauen mit besonders großen Schwierigkeiten geplant. Je nach Bedarf werden sie auf ihrem Bildungs- und Lebensweg individuell beraten, bekommen ein Bewerbungstraining, können Schulabschlüsse nachholen und Prüfungen wiederholen und werden über längere Praktika an Betriebe herangeführt. Natürlich ist das Angebot von Betreuungsplätzen immer mit dabei.

Auch später wird in regelmäßigen Gesprächen weiter Hilfe bei Problemen auf der Arbeit, aber auch im persönlichen Umfeld angeboten, damit Erfolge auch auf Dauer tragen.

Die Menschen dort abholen, wo sie sind, ist eine modische Redewendung in der Politik geworden, die eigentlich keiner mehr hören kann. Hier stimmt sie aber in ganz besonderem Maße. Auch das haben sich die Projekte zu Herzen genommen:

In einem anderen Projekt werden daher zunächst in Familiencamps Erfahrungen ausgetauscht und die individuellen Stärken und Schwächen erkannt. Sobald man sich seiner eigenen Kompetenzen bewusst ist, können sich dann Bewerbungstraining, Qualifizierungen, aber auch psychologische oder Gesundheitsberatungen anschließen je nachdem, was die einzelne Teilnehmerin wirklich braucht.

Besonders spannend ist dabei die Idee, den jungen Frauen ältere Mentorinnen und Mentoren beratend zur Seite zu stellen. Die können dann später ihre Kontakte in die Unternehmen der Region nutzen, um die Teilnehmerinnen in Arbeit zu bringen.

Ein anderer Träger wird eine mobile Beratung anbieten. Auch in einer eher dünnbesiedelten Region kann so mit einem mobilen Büro in einem Transporter vor Ort im gewohnten Lebensumfeld Unterstützung angeboten werden.

Direkt in der Familie sollen entlastende Angebote gemacht werden und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlernt werden. Wenn es einmal schneller gehen muss, ist zusätzlich ein Krisen-, Sorgen- und Erfolgstelefon geschaltet. Um den Gang zum Amt zu umgehen und die Schwelle möglichst niedrig zu halten, ist dagegen in einer großen Stadt vielleicht die Idee von Treffpunkt-Cafés erfolgversprechender. Hier werden Mütter zusammenkommen, Informations- und Beratungsangebote zu so essenziellen Fragen, wie Ernährung, Haushalt und Finanzen bekommen oder nach langer Zurückgezogenheit einfach das Lernen wieder Lernen.  Erst im Anschluss, wenn daran überhaupt wieder zu denken ist, geht es an die Ausbildung der nötigen fachlichen Kompetenzen.

Sie sehen: Die Projekte sind so vielfältig wie die Problemlagen Alleinerziehender und die Regionen unseres Landes. Immer geht es darum, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und den alleinerziehenden Eltern individuell und vor allem ganz praktisch geholfen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Abschluss möchte ich den heute anwesenden Vertretern der ausgewählten Projekte noch einmal herzlich gratulieren zu der guten, engagierten Arbeit, die Sie in Ihre Vorschläge gesteckt haben.

Noch wichtiger als Glückwünsche zu verteilen, ist es mir allerdings, Ihnen zu danken, dass Sie so viel Einsatz für dieses wichtige Thema zeigen. Man kann allen Projekten nur von ganzem Herzen Erfolg bei der Umsetzung der Konzepte wünschen. Viele Alleinerziehende werden dadurch ganz konkret ihre Lebenssituation verbessern können. Und vor allem: Wir werden recht bald noch genauer wissen, welche Maßnahmen wirklich erfolgversprechend sind.

Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam viel auf den Weg bringen können, was Alleinerziehenden ganz praktisch hilft, ihr Leben selbstbestimmt zu meistern und ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen.

Vielen Dank.