Interview mit der Passauer Neuen Presse
Der Vorsprung von Angela Merkel und der Union in den Umfragen ist mehr als deutlich. Wäre es für die SPD nicht schon ein Erfolg, wenn es am Ende noch zum Mitregieren in einer Großen Koalition reichen würde?
Scholz: Die SPD wird aufholen bis zur Wahl. Beide großen Lager werden ungefähr gleichauf liegen. Wir werden am Ende die Nase vorn haben. Da bin ich mir sehr sicher. Wir haben unser Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Da gibt es viel Spielraum nach oben. Die Union steht in der Wählerzustimmung übrigens deutlich schlechter da als zum gleichen Zeitpunkt vor der letzten Bundestagswahl.
Dennoch hat die SPD die richtige Strategie gegen Angela Merkel und die Union noch nicht gefunden, oder?
Scholz: Doch die haben wir, und wir werden jetzt die Ärmel hochkrempeln. Die SPD wird klar zeigen, was die Alternativen sind. Frau Merkel lässt im Unklaren, was von CDU und CSU zu erwarten ist, wenn sie nicht mit der SPD regieren würden. Union und FDP sind bereit, wichtige Errungenschaften unseres Sozialstaates und Teile der Arbeitnehmerrechte einfach aufzugeben. Wir sorgen dafür, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Nur eine starke SPD ist dafür der Garant.
Wie sehr hat die Affäre um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihren gestohlenen Dienstwagen der SPD geschadet?
Scholz: Natürlich freut sich niemand darüber. Aber das wird sich klären. Und: Bei der Bundestagswahl geht es um anderes, um die Zukunft unseres Landes. Die Wähler wissen das sehr gut zu bewerten.
Während der Wahlkampf beginnt, machen sich viele Menschen in Deutschland Sorgen um ihre Jobs. Sehen Sie auch Hoffnungszeichen?
Scholz: Vieles deutet darauf hin, dass es im nächsten Jahr wieder besser wird. Die Krise und ihre Auswirkungen werden sich auf dieses und auf nächstes Jahr beschränken. Das macht vielen Unternehmern Hoffnung. Auch deshalb setzen sie auf Kurzarbeit und verzichten - von Ausnahmen abgesehen - darauf, ihre Beschäftigten in der Krise zu entlassen. Dass die Arbeitslosigkeit bisher nur geringfügig zugenommen hat, ist unser Erfolg.
Dennoch rechnen Experten für 2010 mit 4,75 Millionen Arbeitslosen im Jahresschnitt. Ein realistisches Szenario?
Scholz: Es spricht viel dafür, dass wir in diesem Jahr unter der Vier-Millionen-Marke bleiben. Und auch 2010 können wir deutlich erfolgreicher sein als die düsteren Prognosen es vermuten lassen. Die meisten Unternehmer handeln verantwortlich, entlassen nicht. Sie wissen, dass ihnen sonst die Fachkräfte fehlen, sobald es wieder aufwärts geht.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat mit Blick auf die kommenden Tarifrunden für die Arbeitnehmer gesagt, eigentlich wären Lohnsenkungen in der Krise notwendig. Hat er Recht?
Scholz: Nein, Lohnsenkungen wären volkswirtschaftlich völlig falsch. Einige sind auf den Finanzmärkten mit hohen Renditeerwartungen große Risiken eingegangen und haben die Krise dadurch verursacht. Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmer das jetzt ausbaden sollen. Wir brauchen Vertrauen in die soziale Sicherheit, damit ein neuer Aufschwung entstehen kann. Lohnsenkungen sind da kontraproduktiv.
Themenwechsel: Sie wollen die staatliche Förderung der Altersteilzeit verlängern. Union und Arbeitgeber haben vor Rückschritten gegenüber der Agenda 2010 gewarnt. War Ihr Vorschlag mehr als ein Versuchsballon in Wahlkampfzeiten?
Scholz: Ja, ich habe den fertigen Gesetzentwurf in der Schublade. Das können wir sofort umsetzen. Nichts spricht dagegen, dass Menschen, die ihr ganzes Leben lang geschuftet haben, kurz vor der Rente einmal halblang machen und weniger arbeiten. Gleichzeitig hilft mein Vorschlag den Jüngeren: Die staatliche Förderung würde nur bei Übernahme eines Auszubildenden im gleichen Betrieb gezahlt. Das ist eine sinnvolle Beschäftigungsbrücke in der Krise, die richtige Antwort zum richtigen Zeitpunkt.
Sie wollen Langzeitarbeitslosen ein höheres Schonvermögen zur Altersvorsorge lassen. Sogar die FDP geht inzwischen in diese Richtung. Wie beurteilen Sie die Umsetzungschancen?
Scholz: Das Echo ist sehr positiv. Mein Vorschlag trifft auf viel Zustimmung. Alles, was ausschließlich der Altersvorsorge dient und unwiderruflich zu einer Zusatzrente führt, darf nicht als Vermögen betrachtet und verrechnet werden. Auch das lässt sich noch vor der Wahl in Gesetzesform bringen. Ich kann nicht verstehen, warum sich die Union querstellt.
Immer wieder neue Debatten über eine längere Lebensarbeitszeit: Kürzlich wurde von der Bundesbank die Rente mit 69 ins Gespräch gebracht. Wird sie eines Tages notwendig sein?
Scholz: Die Rente mit 69 ist mit der SPD nicht zu machen. Dieser Vorschlag war töricht. Im Moment geht es um etwas völlig Anderes: Wir kämpfen dafür, dass die Beschäftigungschancen der Älteren besser werden. Da ist noch viel zu tun!
Interview: R. Buchsteiner