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16.03.2009

"Corporate Social Responsibility ist kein Schönwetterthema, sondern eine Strategie, die sich gerade in Krisenzeiten auszahlt"

Rede von Olaf Scholz auf ASEM-CSR-Konferenz 2009 "Shaping Corporate Social Responsibility (CSR) Opportunities for the Well-Being of the ASEM Workforce"  in Potsdam

 

Sehr geehrter Herr Kommissar Spidla,
sehr geehrter Herr Minister Suparno,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus Asien und Europa,
Exzellenzen, hochrangige Vertreter der internationalen Organisationen, Sozialpartner und Unternehmen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen in Potsdam, herzlich willkommen zu dieser Konferenz, die uns als Arbeits- und Beschäftigungsminister der ASEM die Gelegenheit geben wird, unsere gute Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Potsdam ist dafür ein gut gewählter Ort. Schließlich sind wir hier schon vor zweieinhalb Jahren zu unserem ersten Treffen zusammengekommen. Damals haben wir uns unter dem Titel Mehr und bessere Arbeit die soziale Dimension der Globalisierung gemeinsam stärken über wichtige Herausforderungen und Möglichkeiten zu ihrer gemeinsamen Bewältigung verständigen können. Seither stehen wir in einem regelmäßigen und fruchtbaren Austausch miteinander, dem wir mit diesem Treffen eine vertiefende Verständigung über das Thema Corporate Social Responsibility hinzufügen wollen. Wir folgen damit einem Arbeitsauftrag der zweiten ASEM Arbeits- und Beschäftigungsministerkonferenz, die uns im Oktober des vergangenen Jahres in Bali zusammenführte und deren Gastgeber, Herrn Minister Suparno, ich heute hier in Potsdam herzlich begrüßen möchte.

Meine Damen und Herren,

die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise bedroht weltweit in bisher nicht dagewesener Weise Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, ja ganze Staaten in ihrer Existenz. Unser Treffen heute und morgen gewinnt vor diesem Hintergrund an zusätzlicher Bedeutung. Als Delegationen des Asia Europe Meeting vertreten wir zwei der stärksten und größten Wirtschafts- und Lebensräume der Welt.

ASEM hat sich als Forum des Dialogs und des Austauschs bewährt, ASEM-Initiativen sind Katalysatoren für wichtige Zukunftsfragen. Dazu zähle ich mehr denn je die Herausforderung, ein gemeinsames Verständnis für die soziale Gestaltung der Globalisierung zu entwickeln. Wir müssen politische Antworten finden auf die Frage, wie wir die Vorteile der Globalisierung nutzen und wie wir gleichzeitig die zerstörerischen Kräfte des globalen Kapitalismus zähmen können.

Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch die Unternehmen selbst spielt dabei eine mit entscheidende Rolle. Corporate Social Responsibility ist kein Schönwetterthema, sondern eine Strategie, die sich gerade auch in Krisenzeiten für die Unternehmen auszahlt und ganze Volkswirtschaften stärkt.  Unternehmensverantwortung kann aber politisch nicht einfach verordnet werden, sondern wird als freiwilliges Engagement primär von den Unternehmen ausgehen müssen idealerweise unter Einbeziehung der Beschäftigten. Auch deshalb sind echte Fortschritte auf diesem Feld am besten unter Beteiligung der internationalen wie regionalen Sozialpartner zu erzielen.

•    Mit dem ASEM-Sozialpartnertreffen im Juni 2008 in Brüssel
•    und dem informellen Auftakttreffen der Sozialpartner mit den ASEM-Delegationen im Oktober in Bali
haben wir diese Position bekräftigt und zugleich erfahren, wie wichtig es ist, den Perspektiven aller Beteiligten Geltung zu verschaffen.

Auf diesem Weg des Dialogs und der Kooperation wollen wir heute und morgen weiter vorangehen.

Meine Damen und Herren,

mit fortschreitender Globalisierung haben sich Unternehmen weltweit nicht nur Märkte erschlossen, sie sind auch zu maßgeblichen Mitgestaltern der sozioökonomischen Verhältnisse an ihren Standorten geworden.

Mit dieser veränderten Rolle geht auch eine neue Verantwortung einher. Dazu zählt die naheliegende Verantwortung für das Wohl der Beschäftigten. Dazu zählt aber auch Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt und nicht zuletzt Verantwortung für diejenigen, die sich in vielen unserer Länder zunächst nicht zu den Gewinnern der Globalisierung rechnen dürfen. Asien und Europa haben hier mehr gemeinsame Interessen als viele glauben und es ist nicht nur sinnvoll, sondern es bleibt letztlich ohne Alternative, gemeinsame Ziele durch gemeinsames Handeln erreichen zu wollen.

Uns muss klar sein: Wenn wir uns auf einen beinharten Konkurrenzkampf, das vielbeschworene race to the bottom, einlassen, wird es nur Verlierer geben.

Umgekehrt gilt: Soziale Verantwortung ist eine wirtschaftliche Kraft, von der in einer immer stärker vernetzten Welt letztlich alle nur profitieren können.

Dazu ein Beispiel aus der Praxis:

Ein deutscher Sportartikelhersteller kooperiert mit über 1.000 externen Zulieferbetrieben in 67 Ländern. Zwei Drittel dieser Zulieferbetriebe befinden sich in Asien.  Nach den Vorgaben des Herstellers haben die Zulieferer ihre Geschäfte nicht nur in Übereinstimmung mit den jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen ihres Landes zu führen. Für jeden dieser Partnerbetriebe gelten darüber hinaus die Workplace Standards des Unternehmens. Diese Standards regeln global und verbindlich Themen wie beispielsweise Kinderarbeit, Löhne, Arbeitszeiten, Koalitionsfreiheit und Tarifverhandlungen, Gesundheit und Sicherheit sowie Umweltbestimmungen. Die Einhaltung dieser Bestimmungen wird von eigenen Teams, aber auch von externen Auditoren und NGOs überprüft. Dieses Beispiel steht für viele vergleichbare Arrangements und übrigens auch für Partnerschaften asiatischer Hersteller mit Zulieferbetrieben in Europa.

Aber es können und müssen natürlich noch viele mehr werden:

Deshalb werbe ich bei den Unternehmen ausdrücklich dafür, den Sinn für ihre Möglichkeiten zu schärfen, die Zulieferer noch stärker als Partner zu begreifen und mitzunehmen bei der Beachtung und Weiterentwicklung von Regeln, die sich an den Mindeststandards der ILO und der OECD orientieren.

Solche Regeln sichern den Arbeiterinnen und Arbeitern in diesen Unternehmen wichtige individuelle und kollektive Rechte. Sie können darüber hinaus aber auch dazu beitragen, Handelsbarrieren abzubauen und die globalen Märkte für Betriebe in Entwicklungs- und Schwellenländern zu öffnen.

Mit gutem Grund hat sich Corporate Social Responsibility daher national und international zu einem Top-Thema auf der Agenda von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Verantwortungsbewusst wirtschaften das nützt zunächst den Unternehmen selbst:

Denn verantwortungsbewusst wirtschaften heißt, unnötige Risiken zu vermeiden, Trends und Marktentwicklungen frühzeitig zu erkennen und sich langfristig für den Wettbewerb zu rüsten und auf diese Weise die Grundlagen für einen dauerhaften Erfolg zu legen.

Das wiederum nützt der Gesellschaft,

•    zum Beispiel, weil verantwortungsbewusste Unternehmen auch denen eine Chance auf Ausbildung geben, die sonst vorschnell ins Abseits geschoben werden,
•    zum Beispiel, weil flexible Arbeitszeitmodelle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern,
•    zum Beispiel, weil Weiterbildung im Betrieb kein Fremdwort ist,
•    zum Beispiel, weil Arbeitsplätze alternsgerecht und altersgerecht ausgestaltet werden.

Wenn wir uns hier im multilateralen Rahmen mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigen, sollten wir auch im Blick haben, was sich zu diesem Thema auf den internationalen Bühnen tut.

Die G 8 befassen sich gemeinsam mit den großen Schwellenländern, Indien und China eingeschlossen, im Rahmen des Heiligendamm-Prozesses intensiv mit dem Thema Responsible Business Conduct. Vorgestellt und diskutiert wurden dazu zahlreiche Beispiele für CSR-Aktivitäten von kleinen und großen Unternehmen auch aus Schwellenländern. Dabei zeigte sich schnell, dass die angewandten Strategien so unterschiedlich sind wie die Bedingungen der Unternehmen selbst es gilt der Grundsatz: no one size fits all. Das schließt natürlich eine Verständigung über gemeinsame Prinzipien nicht aus und ich hoffe deshalb sehr, dass der G 8-Gipfel in La Maddalena eine Fortsetzung und Erweiterung des Heiligendamm-Prozesses beschließen wird.

Meine Damen und Herren,

wenn Unternehmen über ihre rechtlichen Pflichten hinaus gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, dann geschieht das freiwillig. Dennoch bleibt die Politik gefordert, ökologische und soziale Mindeststandards zu setzen national und international. Darüber hinaus aber lautet unsere Aufgabe: Wir räumen den Weg frei für alle, die sich für gesellschaftliche Verantwortung stark machen wollen. Wir bestärken diejenigen, die mit eigenen Initiativen bereits aktiv sind, wir motivieren aber auch all jene, die bisher noch zögern aus welchen Gründen auch immer! Unsere Basis dafür ist und bleibt der Dialog. Wir wollen vorrangig eine Moderatoren- und Vermittlerrolle einnehmen unter anderem beim Dialog zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit. Wir wollen sichtbar machen, wo Engagement sinnvoll ist, Aktivitäten bündeln, gute Beispiele zur Nachahmung empfehlen und selbst Vorbild sein zum Beispiel bei der öffentlichen Beschaffung. Politik kann einen Rahmen setzen, Netzwerke knüpfen und Orientierung geben.

Um genau das möglichst effektiv tun zu können, haben wir in Deutschland ein CSR-Forum eingerichtet, das alle, die es angeht, an einen Tisch bringt. Aufgabe des Forums ist es, Empfehlungen zu den Inhalten der nationalen CSR-Strategie zu entwickeln. Es geht um eine Bestandsaufnahme aller Aktivitäten in Deutschland, um die Entwicklung von konkreten Aktionsfeldern, es geht aber auch um die Positionierung im internationalen Kontext.

Meine Damen und Herren,

wir haben uns für diese beiden Konferenztage viel vorgenommen, aber unsere Aufgaben sind zu bewältigen, wenn wir unsere Erfahrungen und Kompetenzen bündeln. Das Asia Europe Meeting bietet uns allen die sicherlich gern genutzte Gelegenheit, voneinander zu lernen und gemeinsam mit Unternehmensvertretern und Gewerkschaften bei der Förderung von Unternehmensverantwortung neue Wege einzuschlagen.

Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, einen Prozess anzustoßen, der uns schon bald zu konkreten Empfehlungen führt, die wir im kommenden Jahr der dritten ASEM Arbeits- und Beschäftigungsministerkonferenz vorlegen können.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen zwei ebenso kreative und ergebnisreiche Konferenztage in Potsdam.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!