"Das Beste kommt erst noch" Gespräch zum Thema "Hamburg City of Content"
Seit Jahren ist von der Krise der Medienbranche die Rede. Wie sehen Sie das wird alles noch schlimmer, oder geht es langsam wieder aufwärts?
Olaf Scholz: Ich kann das Krisengerede nicht mehr hören. Mein Eindruck ist: Nach wie vor kann mit guten Inhalten gutes Geld verdient werden, auf allen Verbreitungswegen, gerade in Hamburg.
Viele Medienhäuser haben die digitale Herausforderung mittlerweile voll angenommen. Es wird viel Neues probiert, auch bei den traditionellen Verlagen, die sich immer mehr innovativen und zeitgemäßen Organisationsformen, Vermarktungsansätzen und neuen Technologien öffnen.
Die Aufmerksamkeit der Mediennutzer wird freilich zunehmend von sozialen Netzwerken und Aggregatoren geradezu magisch angezogen.
Olaf Scholz: Was Sie beschreiben, ist Teil des umfassenden Medienwandels. Keine Frage, wer sich diesem Wandel nicht stellt, verschwindet vom Markt. Tatsächlich stecken aber alle Medienunternehmen längst mitten im Transformationsprozess.
Bei allen Unterschieden: Die Entwicklungen, die ich verfolge, geben Anlass für viel Optimismus mit Blick auf die Zukunft. Denken Sie etwa an die Möglichkeiten des Datenjournalismus, die enormen Reichweiten und Kommunikationskanäle oder an die neuen, vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten von Inhalten. Ich bin mir sicher: Das Beste kommt erst noch.
Die digitale Disruption geistert nach wie vor durch den medialen Diskurs ...
Olaf Scholz: Der Begriff Disruption ist nun doch schon reichlich abgegriffen. In Hamburg arbeiten rund 110.000 Menschen in der IT- und Medienbranche, in großen Unternehmen mit langer Tradition ebenso wie in jungen Start-ups. Es wäre nicht klug, diese Strukturen einer schöpferischen Zerstörung à la Schumpeter zu überlassen. Stattdessen wollen wir sie in ihrem Wandlungsprozess begleiten. Ich halte es eher mit Steve Jobs: Lasst euch nicht von Dogmen einengen. Dabei will ich gerne helfen.
Was heißt das konkret?
Olaf Scholz: Das Amt Medien leistet eine intensive Branchenbetreuung, ebenso werden dort die regulatorischen Rahmenbedingungen bearbeitet so wie aktuell bei der von Hamburg mit angestoßenen Neuordnung des Medienrechts zwischen Bund und Ländern. Wir bieten mit dem Mediendialog Hamburg ein bundesweit bedeutendes Forum zum Austausch zwischen Vertretern aller Sektoren der Medien und der Politik.
Außerdem haben wir zusammen mit zahlreichen Unternehmen die Initiative nextMedia.Hamburg gegründet.
Damit etablieren wir Hamburg als den Ort, an dem sowohl bestehende Geschäftsmodelle auf professionelle Weise umgestellt wie auch kreative und innovative Projekte entwickelt und vorangetrieben werden.
Soll Politik Managern und Machern das Digitalbusiness erklären?
Olaf Scholz: Natürlich nicht. Im Rahmen von next-Media werben wir dafür, dass Inhalteproduzenten und Technologieanbieter mehr zusammenarbeiten.
Jenseits des erwünschten Wettbewerbs bietet die digitale Transformation viele neue Chancen für sinnvolle Kooperationen.
Dafür vernetzen wir die Akteure am Standort stärker und stoßen gemeinsame Vorhaben an. Auf diese Weise ist ein digitales Ökosystem entstanden, in dem Verlage, Werbe- und Design-Agenturen, IT-Entwickler und Filmproduzenten, Start-ups und Medien-Entrepreneure voneinander profitieren.
So können Technologieanbieter den Medienhäusern weiter Dampf machen ...
Olaf Scholz: Eine gute Allianz nutzt beiden Seiten. Hochwertige Inhalte sind in der digitalen Welt stark gefragt und auch refinanzierbar.
Das Geschäft ist aber komplexer geworden, mit viel mehr Kundenkanälen und langen Wertschöpfungsketten.Da ist viel Spezialwissen nötig. In Hamburg schöpfen klassische Inhalteanbieter aus dem Erfahrungswissen der Web-Vertriebsspezialisten und der großen Digitalkonzerne, die hier ebenfalls ansässig sind: zum Beispiel XING, Google, Facebook, Twitter oder Dropbox.
Zu dem erwähnten Ökosystem zählen außerdem E-Commerce-Unternehmen wie Otto sowie Kommunikationsagenturen und Kunden wie Unilever oder Beiersdorf.
Was tut sich in Sachen Start-ups in Hamburg?
Olaf Scholz: Die großen Medienhäuser haben den Wert von Start-ups glücklicherweise längst erkannt. Der Next Media Accelerator im betahaus zum Beispiel ist so entstanden ein Entwicklungslabor neuer digitaler Geschäftsmodelle für die Inhalteindustrie. DER SPIEGEL, dpa, Gruner + Jahr, DIE ZEIT und viele andere namhafte Unternehmen unterstützen dieses Projekt finanziell und mit Mentoren für die jungen Gründer, die so nachhaltig gefördert werden. Ich sehe das als unbedingten Ausdruck des Willens zur notwendigen permanenten Reflexion, Selbstüberprüfung und Veränderung in allen Mediensektoren.
Apropos Veränderung: Nutzen Sie selbst eigentlich mittlerweile andere Medien als früher?
Olaf Scholz: Ich nutze vor allem die neuen Verbreitungswege wie E-Paper oder die Tagesschau App. Wenn man wie ich viel unterwegs ist, dann hilft es sehr, wenn auch die Informationen überall verfügbar sind. Ich habe mir aber noch nicht abgewöhnt, Medien in Gänze zu rezipieren, und werde vermutlich auch nie nur mit einer Nachrichtenauswahl in einem Pressespiegel oder Newsletter zufrieden sein. Ich mag es, wenn eine Redaktion mich als Leser oder Zuschauer mit Dingen konfrontiert, die ich noch nicht wusste oder kannte.
Das Gespräch erschien in der Broschüre Hamburg City of Content der Behörde für Kultur und Medien.