"Dass die SPD Kurs hält, ist eine gute Empfehlung für Wahlen" Interview mit der Deutschen Presseagentur
Olaf Scholz: Ich habe ich mich am Wahlsonntag bei verschiedenen Gelegenheiten zu allen drei Wahlen geäußert. Klar ist, das Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz ist ein großer Vertrauensbeweis für die sozialdemokratische Partei und für die Ministerpräsidentin. Genauso klar ist aber auch, dass die Wahlergebnisse in den beiden anderen Ländern für die SPD nicht gut ausgefallen sind.
dpa: In beiden Ländern ist die SPD aus der Regierung heraus quasi untergepflügt worden, konnte froh sein, noch ein zweistelliges Ergebnis erlangt zu haben. Was war schuld an dem Debakel?
Olaf Scholz: In Baden-Württemberg ist das SPD-Ergebnis durch den Wettbewerb von Grünen und CDU um das Amt des Ministerpräsidenten negativ beeinträchtigt worden. Und in Sachsen-Anhalt haben wir eine insgesamt sehr schwierige Lage, wie man auch an dem sehr hohen AfD-Ergebnis sieht. Die SPD hat dort früher den Ministerpräsidenten gestellt und ist schon lange an der Regierung. Und es zeichnet sich ab, dass die SPD auch weiterhin Teil der Regierung sein wird.
dpa: Trotz des Abrutschens auf Platz vier noch hinter die AfD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt mit 12,7 und 10,6 Prozent bleibt die SPD für Parteichef Sigmar Gabriel eine Volkspartei. Beleg seien die 36,2 Prozent in Rheinland-Pfalz. Hat er recht?
Olaf Scholz: Die SPD ist seit ihrer Gründung im 19. Jahrhundert eine demokratische mitgliederstarke Partei. Das Modell der demokratischen Mitgliederpartei ist von ihr in unserem Land überhaupt erst etabliert worden. Volkspartei wurde die SPD Ende der 1950er Jahre, weil Männer wie Helmut Schmidt, Willy Brandt oder Herbert Wehner es sich zum Ziel gesetzt hatten, die SPD zu einer Partei zu machen, die die Regierung des Landes stellen kann. Es hat dann noch fast zehn Jahre gedauert, bis sie es 1966 das erste Mal im Nachkriegsdeutschland in die Bundesregierung geschafft hat. Insofern bedeutet Volkspartei zu sein, eine Politik zu vertreten, die auf Mehrheiten ausgerichtet ist, und darauf, dass man ein Programm vertritt, das es den Wählerinnen und Wählern möglich macht zu sagen: Der Kanzler soll von der SPD kommen.
dpa: Zentrales Thema aller Landtagswahlen war die Flüchtlingsfrage. Profitiert hat vor allem die AfD. Was lief da bei der SPD schief?
Olaf Scholz: Deutschland ist in der Flüchtlingsfrage vor eine besondere Herausforderung gestellt. Das hat sich auch in den Wahlergebnissen niedergeschlagen. Und das zeigt, dass es den Parteien der demokratischen Mitte eben gelingen muss, dass sich die politischen Diskurse aus ihren Vorstellungen über die Zukunft des Landes ergeben. Da ist auch die SPD gefordert.
dpa: Gabriel hat erklärt, dass die SPD jetzt erst recht Kurs hält. Ist ein "Weiter so" nicht zu einfach nach den AfD-Erfolgen?
Olaf Scholz: Die AfD ist eine Schlechte-Laune-Partei. Schlechte Laune ist kein politisches Programm und führt auch nicht dazu, irgendein Problem zu lösen ob es um eine seriöse Haushaltspolitik geht oder darum, die Infrastruktur in Deutschland voranzubringen, oder etwas dafür zu tun, dass wir genügend Betreuungsangebote für Kinder haben. Natürlich muss man auch darüber sprechen, wie man mit Flüchtlingen umgeht. Aber das muss man verantwortungsbewusst und konstruktiv tun.
dpa: Reicht das? Schließlich erleben Sie in Hamburg bei der Volksinitiative gegen große Flüchtlingsheime gerade am eigenen Leib, was passiert, wenn es Unmut über die Regierungsarbeit gibt.
Olaf Scholz: Wir haben in Hamburg eine klare Strategie. Wir haben dafür gesorgt, dass keine Turnhallen belegt werden und dass es genug Plätze in Krippen, Kitas und Schulen gibt, so dass es keine Verschlechterung der Angebote für diejenigen gibt, die schon länger in Hamburg leben. Auch haben wir begonnen, für Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese Arbeit finden. Und trotzdem sind Diskussionen unausweichlich, wenn man 140 kleine und größere Flüchtlingseinrichtungen in der Stadt geschaffen hat.
dpa: Bis zur Bundestagswahl stehen noch fünf Landtagswahlen an. Vier Mal stellen sich SPD-geführte Regierungen, einmal ist die SPD CDU-Juniorpartner. Was muss die SPD tun, damit es ihr nicht wieder so ergeht wie am vergangenen Sonntag?
Olaf Scholz: Ich bin sicher, dass die SPD überall da, wo sie den Regierungschef, die Regierungschefin stellt, das auch weiterhin tun wird. Das ist ja das Zeichen, das auch vom letzten Wahlsonntag ausgeht. Malu Dreyer hat ihren Regierungsauftrag verteidigt. Und so wird das auch allen anderen gelingen. Und dort, wo wir nicht den Regierungschef stellen, geht es darum, dass die SPD im politischen Wettbewerb ein eigenes Gewicht entfaltet.
dpa: Sollte es dennoch Niederlagen geben: Was bedeutet das für die Bundestagswahl 2017 zumal die SPD in Umfragen schon jetzt regelmäßig unter ihrem Ergebnis von 2013 mit 25,7 Prozent liegt?
Olaf Scholz: Bis dahin ist es ja noch eine Weile hin. Und dass die SPD, wenn es stürmisch wird, Kurs hält, ist eine gute Empfehlung auch für die Wahlen. Von uns wird erwartet, dass wir keine taktischen Manöver unternehmen, sondern dafür sorgen, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gelingt. Sicherlich würde das Regieren in der Koalition einfacher, wenn die Unionsparteien sich weniger streiten würden. Wir werden jedenfalls in der Regierung konstruktiv unseren Beitrag dazu leisten, dass Deutschland seine Aufgabe in Europa wahrnimmt, dass wir ein liberales Land bleiben und dass wir eine starke Wirtschaft mit zunehmend mehr Arbeitsplätzen haben. Dafür treten wir an.
dpa: Die große Koalition besteht nun ja schon seit 2013. Chancen zur Profilierung gab es genug. Umfragen sehen die SPD aber dennoch weiter bei nur rund 25 Prozent.
Olaf Scholz: Die SPD, die in den Ländern auch deutlich bessere Ergebnisse erzielt, muss bei einer Bundestagswahl immer mit der Perspektive antreten, das Land regieren zu können. Und wenn man uns das zutraut, werden auch die Umfrageergebnisse besser. Das funktioniert allerdings nur, wenn wir nicht morgens den einen und abends den anderen Kurs fahren, nur weil eine Umfrage schlecht ist. Die SPD muss als eine Partei wahrgenommen werden, in der Leute sind, die wissen, was sie tun, und deren Handeln von Vernunft und Pragmatismus geprägt ist.
dpa: Liegt es möglicherweise am Spitzenpersonal? Bleibt es dabei, dass in der SPD stets der Parteivorsitzende das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur hat?
Olaf Scholz: Das bleibt so.
Das Interview führte Markus Klemm.