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20.07.2010

Der Senat hat an Ansehen verloren

Interview mit der Welt


DIE WELT: Die SPD hat sich stets für längeres gemeinsames Lernen eingesetzt. Wie bitter ist für Sie die Niederlage beim Volksentscheid?

 

Olaf Scholz: Der Volksentscheid gilt. Wir haben uns, nachdem wir viele Verbesserungen durchgesetzt haben, für die Unterstützung der Primarschule entschieden. Aber ich kann nicht für Volksentscheide sein und mich dann darüber beklagen, wenn sie nicht wie gewünscht ausgehen. Wichtig ist: Wir haben nur noch zwei weiterführende Schulen, das Gymnasium und die Stadtteilschule, die eine Oberstufe bekommt. Das dreigliederige Schulsystem ist dauerhaft überwunden.

 

DIE WELT: Aber die Primarschule ist vom Tisch. Wie erreichen Sie trotzdem das Ziel, die Chancen für Kinder aus Migrantenfamilien und aus sozial schwächeren Stadtteilen zu verbessern?

 

Scholz: Die von uns in den Verhandlungen mit dem Senat durchgesetzten kleinen Klassen bleiben ja erhalten. Die Ganztagsschulen müssen nun zügig ausgebaut werden, ebenso wie die frühkindliche Bildung. Außerdem muss die Gebührenerhöhung für die Kitas zurückgenommen werden, weil sie den Zielen der Schulreform zuwiderläuft.

 

DIE WELT: Verschwindet die Primarschule nun auch aus dem Programm der SPD, oder bleibt sie trotzdem die Wunsch-Schule der Partei?

 

Scholz: Wir müssen sicherstellen, dass alle Schüler so ausgebildet werden, dass sie auch eine Lehrstelle finden. Daher muss der Unterricht verbessert werden.

 

DIE WELT: Also wird die Primarschule nicht auftauchen können?

 

 
Scholz: Die Hamburger haben eine Entscheidung getroffen. Ich kann keiner Partei in Hamburg raten, diese Entscheidung nicht zu akzeptieren. Das würde zu Recht als Hochmut aufgefasst.

 

DIE WELT: Sie habe nach dem Rücktritt des Bürgermeisters Neuwahlen gefordert. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind doch stabil. Es gibt keinen Grund für Neuwahlen. Wieso fordern Sie trotzdem welche?

 

Scholz: Der Rücktritt war für viele CDU-Wähler eine Überraschung, denn sie haben die CDU oft nur wegen von Beust gewählt. Die fühlen sich jetzt düpiert. Das gilt auch für die Grünen, denn die haben auch einen Koalitionsvertrag unterschrieben, bei dem sie nicht annehmen konnten, dass ihnen im Laufe der Legislaturperiode der Bürgermeister abhanden kommt, mit dem sie den Vertrag verhandelt haben. Insofern ist das eine Situation, in der man nicht einfach weitermachen kann, als wäre nichts passiert. Für den Fall einer Fortsetzung wird das eine Quälerei. Der Senat hat an Ansehen verloren, viele Projekte sind nicht erfolgreich. Es ist ein Fehler, Bürgermeister im Hinterzimmer auszugucken.

 

DIE WELT: Christoph Ahlhaus ist immerhin Senator für Inneres. Trauen Sie ihm das Amt nicht zu?

 

Scholz: Nein. Er hat eine Funktionärslaufbahn hinter sich und als Innensenator keine erfolgreiche Leistungsbilanz vorzuweisen. Er hat die brennenden Autos, die Gewalt gegen Polizeibeamte und die Überfälle auf Polizeiwachen nicht im Griff. Das ist kein guter Hintergrund für eine solche Bewerbung.

 

DIE WELT: Für den Fall einer vorgezogenen Neuwahl muss die SPD einen Spitzenkandidaten benennen.

 

Scholz: Ja.

 

DIE WELT: Und wer wird das sein?

 

Scholz: Wir haben uns verabredet, dass wir bei einem regulären Wahltermin im Februar 2012 im Sommer 2011 eine Entscheidung vorbereiten. Wir können dies natürlich auch schneller entscheiden.

 

DIE WELT: Wenn Sie aber Neuwahlen fordern, müssen Sie doch eine personelle Alternative anbieten. Wer also würde für die SPD als Bürgermeister kandidieren?

 

Scholz: Ich zitiere: "Alles hat seine Zeit."

 

DIE WELT: Sie fordern Neuwahlen, dann sind Sie auch in der Pflicht, den Kandidaten zu benennen. Wer wird es also?

 

Scholz: Die SPD wird, wenn es zu Wahlen kommt, rechtzeitig einen Kandidaten nominiert haben, und dieser wird in der Lage sein, die Hamburger zu motivieren, ihr Kreuz bei der SPD zu machen. Auch wenn sie keine typischen SPD-Anhänger sind.

 

DIE WELT: Werden Sie dieser Kandidat sein?

 

Scholz: Erst, wenn diese Entscheidung ansteht, kann es auf diese Frage eine Antwort geben.

 

DIE WELT: Möchten Sie denn gerne die SPD in den nächsten Wahlkampf führen?

 

Scholz: Meine Parteifreunde haben mich gebeten, dass ich dazu einen Vorschlag mache, und das werde ich auch tun.

 

DIE WELT: Beim vergangenen SPD-Parteitag hat man ja geradezu gespürt, dass die Mitglieder sich nach einer Erklärung von Ihnen in dieser Frage sehnen. Warum enthalten Sie Ihren Genossen diese vor?

 

Scholz: Die Sozialdemokratische Partei steht in Hamburg gut da, weil wir uns auf die Sacharbeit konzentrieren. In den letzten Meinungsumfragen kommen wir in die Nähe von 40 Prozent. Da müssen wir nicht unnötig hektisch handeln.

 

DIE WELT: Sie sagten selbst, dass eine Bürgerschaftswahl auch immer eine Bürgermeisterwahl, eine Personalwahl ist. Dann ist es doch eine politische Entscheidung, die zu treffen ist. Wer soll denn Ihrem Vorschlag nach für die SPD kandidieren?

 

Scholz: Alles ist gesagt. Aber schönen Dank für Ihr großes Interesse an der Frage. Offenbar spricht viel dafür, dass nach der nächsten Wahl ein Sozialdemokrat Bürgermeister sein wird.

 

Das Interview führte Per Hinrichs. Sie finden das Interview auch auf der Homepage der Welt.