Interview mit der Passauer Neuen Presse
Der 1. Mai steht im Zeichen steigender Arbeitslosigkeit - was unterscheidet diesen Tag der Arbeit von anderen?
Scholz: Es ist ein 1. Mai mitten in einer plötzlichen und sehr dramatischen Wirtschaftskrise. Die Ursachen liegen in Staaten, die keine sozialstaatlichen Traditionen haben. Überzogene Renditeerwartungen haben zu gewaltigen Risiken geführt. Jetzt müssen wir alles tun, damit nicht Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das ausbaden müssen, was einige angerichtet haben. Wir müssen zeigen, dass der Sozialstaat die Prüfung übersteht. Vielleicht wird am Ende Sozialpartnerschaft mehr geschätzt als zuletzt.
Gegen die Krise setzen Sie Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld. Was haben Sie konkret vor?
Scholz: Das Kurzarbeitergeld ist ein deutsches Modell. Der Förderzeitraum ist bereits am Beginn der Krise auf 18 Monate erweitert worden. Dieser Zeitraum wird noch einmal auf 24 Monate erhöht. Wir sind bereit, ab dem siebten Monat die Belastung der Unternehmen durch Sozialversicherungsbeiträge auf die ausgefallene Arbeitszeit vollständig zu übernehmen. Das ist ein Angebot, gemeinsam durch die Krise zu kommen. Spätestens im Laufe des nächsten Jahres wird es nach Erwartung aller wieder aufwärts gehen. Wir federn mit dem Kurzarbeitergeld diesen Zeitraum so ab, dass die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz nicht verlieren müssen.
Wie viele Menschen sind in Kurzarbeit oder für wie viele ist sie beantragt?
Scholz: Die Zahlen zur tatsächlich in Anspruch genommenen Kurzarbeit liegen nur mit Verspätung vor. Aber wir wissen, dass die Zahl der Arbeitnehmer, die seit Januar in Kurzarbeit waren, weit über einer Million liegt. Das bedeutet, dass die Unternehmen sich gegen Entlassungen entschieden haben. Darüber freue ich mich. Selbst im Touristik- und im Handelsbereich gibt es Überlegungen, also in dafür untypischen Branchen. Es zeigt die gemeinsame Einschätzung: Die Krise wird vorübergehen, und die Arbeitnehmer sollen möglichst so lange in Beschäftigung bleiben.
Im April hat die Arbeitslosenquote bei 8,6 Prozent stagniert, fast 3,6 Millionen sind ohne Job. Wird das Jahr 2010 auf dem Arbeitsmarkt noch schwieriger als dieses Jahr?
Scholz: Auf dem Arbeitsmarkt wird es 2010 sicherlich schwieriger als 2009. Die Arbeitslosigkeit steigt ja auch trotz unserer Maßnahmen, und sie wird weiter steigen. Allerdings ist das, was wir gegen die Krise in Deutschland unternehmen, einmalig. Es ist deshalb auch möglich, dass der nächste Aufschwung sich viel schneller in neuer Beschäftigung niederschlägt, weil die Arbeitnehmer ja noch bei ihren Unternehmen sind.
Die Bundesagentur stellt die Entwicklung vor Finanzprobleme. Wann ist ihr Polster aufgebraucht?
Scholz: Am Beginn der Krise hatten wir ein erhebliches Finanzpolster, dank der rot-grünen Arbeitsmarktreformen und der Politik der Großen Koalition. Dieses Polster steht uns noch 2009 zur Verfügung. Im nächsten Jahr wird ein Darlehen des Bundes in Anspruch genommen werden müssen. Zurückgezahlt wird es erst, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse das erlauben. Mitten in einer Wirtschaftskrise wird der Beitragssatz nicht erhöht. Dieser Schutzschirm für Beitragszahler ist auch ein Beitrag zur Bekämpfung der Krise.
Zur Rente: Massive Kritik an ihrem Plan einer Bestandsgarantie für die Rentenhöhe. Warum brauchen wir überhaupt noch eine Rentenformel, wenn die Politik dauernd in sie eingreift?
Scholz: Wir greifen nicht alljährlich ein. Die Rentenfinanzen sind stabil, die Rücklage ordentlich. Die Beitragssätze der Rente werden im gesamten nächsten Jahrzehnt nicht über die heutige Höhe von 19,9 Prozent steigen. Wir sind voll im Plan. Die Bundesregierung geht davon aus, dass Tatarenmeldungen über notwendige Rentenkürzungen schlicht falsch sind. Eine Rentenkürzung ist nicht erforderlich. Unsere Berechnungen zeigen eine positive Bruttolohnentwicklung auch 2009 und 2010 - trotz angenommenen Wirtschaftswachstums von minus 6 Prozent. Um das Vertrauen der Rentnerinnen und Rentner aber sicherzustellen, wird noch einmal gesetzlich abgesichert, was ohnehin klar ist: Es gibt keine Rentenkürzung.
Das Interview finden Sie auch auf der Internetseite der Passauer Neuen Presse.