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30.01.2011

Frank Horch und Olaf Scholz im Gespräch mit der WAMS

 

Welt am Sonntag: Herr Horch, wie stehen Sie eigentlich zur Vermögenssteuer, zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie die SPD sie fordert - und zum "demokratischen Sozialismus" des SPD-Vorsitzenden Gabriel?

 

Frank Horch: Das sind alles Themen, die uns, bei vielen Gedanken, die wir uns gemacht haben, nicht vornehmlich berühren. Was uns bewegt, sind die Hamburger Belange, und vor allem das, was die Wirtschaft in Hamburg angeht.

 

Welt am Sonntag: Aber vielleicht haben Sie eine Meinung dazu. Das ist die Programmatik der Partei, für die Sie antreten.

 

Olaf Scholz: Na ja, der letzte Punkt, den Sie angesprochen haben, ist ja mehr eine Zuspitzung eines Journalisten. Um den Sozialismus geht's in Deutschland gerade nicht.

 

Welt am Sonntag: Ihrem Parteichef schon, der hat gesagt, als demokratischer Sozialist sei man gut in der SPD aufgehoben.

 

Scholz: Jeder weiß, was wir wollen: eine soziale Marktwirtschaft.

 

Horch: Ich bewerbe mich nicht um ein Berliner Ministeramt, sondern um das Amt des Wirtschaftssenators.

 

Welt am Sonntag: Bürgermeister Christoph Ahlhaus wollte Sie auch zum Wirtschaftssenator machen, ist aber an der GAL gescheitert. Ist es für Sie eigentlich unwichtig, ob Sie für die CDU oder die SPD antreten?

 

Horch: Es geht mir nicht vornehmlich um die Parteien, es geht mir um Hamburg und die Wirtschaftspolitik in Hamburg. Das, was Olaf Scholz vorhat, entspricht dem, was ich mir unter einem starken und handlungsfähigen Senat vorstelle. Insofern hängt meine jetzige Entscheidung vor allem mit der Person Olaf Scholz zusammen.

 

Welt am Sonntag: Bisweilen haben Quereinsteiger aus der Wirtschaft ja Probleme mit der Behäbigkeit politischer Prozesse. Vieles ist in der Politik schwieriger umzusetzen als etwa in einem Unternehmen. Sind Sie darauf vorbereitet?

 

Horch: Ich denke ja. Einen direkten Wechsel aus einem Vorstandsposten in die Politik würde ich für schwierig halten. Aber ich habe mich ein Jahr im Industrieverband und drei Jahre in der Handelskammer intensiv mit der Hamburger Wirtschaftspolitik beschäftigt und bin in den Themen tief drin. Ich kenne alle Verhandlungen rund um die Elbvertiefung, Moorburg und den Hafen. Diese Kenntnisse der Administration, wie man sie etwa als Präses der Handelskammer erwirbt, sind unverzichtbar.

 

Scholz: Das ist übrigens auch meine Einschätzung, deswegen habe ich mit vollem Bewusstsein gesagt: Frank Horch ist der beste für diesen Job. Denn er ist jemand, der als Unternehmer und als Manager viel Erfahrung gesammelt hat in Hamburg und international, der aber auch das Geschäft der Politik über viele Jahre kennengelernt hat. Er muss sich nicht einarbeiten. Er kann sofort loslegen. Im Übrigen verstehen wir uns sehr gut. Insofern ist das auch eine Vertrauensbeziehung zweier Männer.

 

Welt am Sonntag: Herr Horch, was ist das Erste, was Sie als Senator anpacken würden?

 

Horch: Das ist natürlich die Fahrrinnenanpassung der Elbe und alles, was die Hafenentwicklung angeht. Das sind Fragen, die dulden keinen Aufschub mehr. Ich möchte zudem die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft verstärken, da gibt es noch viel Potenzial. Außerdem will ich in der Wirtschaftspolitik auch die ökologischen Aspekte stark betonen.

 

Welt am Sonntag: Zu einer erfolgreichen Wirtschaft gehört fließender Verkehr. Da gibt es derzeit unterschiedliche Zukunftskonzepte. Herr Scholz, ist Ihr Nein zu Stadtbahn und City-Maut definitiv?

 

Scholz: Ja. Die City-Maut kommt nicht, die Stadtbahn ist zu teuer. Ich weiß auch nicht, warum die CDU diesen Unsinn plakatiert. Damit macht sie ja im Grunde Wahlkampf gegen sich selbst. Denn vor einigen Wochen hätte die CDU das alles für die Koalition mit den Grünen mitgemacht.

 

Horch: Ich bin der Meinung, dass wir mit Verboten und Regulierungen nicht weiterkommen. Ein Ziel kann eine Partnerschaft auf Schadstoffgüte sein, um besonders stark belastete Bereiche zu entlasten. Eine gemeinsame Vorgehensweise mit der Wirtschaft ist sinnvoller als eine stadtweite Umweltzone.

 

Welt am Sonntag: Der Verkehr nimmt aber zu, braucht man nicht neue Konzepte, um ihm Herr zu werden? Andere Weltstädte arbeiten mit City-Maut oder führen Straßenbahnen wieder ein. Braucht Hamburg nicht auch eine Verkehrs-Vision?

 

Horch: Richtig, das brauchen wir, und da gibt es auch noch viel zu tun. Angefangen von der Elektromobilität bis hin zur Wasserstoffnutzung. Das sind zukunftsfähige Dinge. Eine Verbotskultur aber ist keine Lösung.

 

Scholz: Was die Vision betrifft, bin ich mit denen einig, die sagen, der öffentliche Nahverkehr muss ausgebaut werden. Das betrifft die Busse wie den schienengebundenen Verkehr. Es steht vieles an: der Ausbau der S 4, die Verlängerung der U 4 nach Wilhelmsburg, die Anbindung von Siedlungen im Hamburger Westen - also Lurup und Osdorfer Born - sowie Steilshoop, möglicherweise auch schienengebunden. Bei der Stadtbahn geht es nicht um die Kosten für den ersten Kilometer, sondern was das ganze System von mindestens 52 Kilometern kostet. Diese Streckenlänge ist notwendig, damit sich das trägt. Der Senat hat berechnet, dass das zwei Milliarden Euro kostet. Ich als Bürger, ich als Politiker glaube nicht im Leben, dass es bei dieser Summe bleibt. Bevor der erste Kilometer gebaut wird, muss sicher sein, dass man sich die gesamte Strecke leisten kann. Deswegen können wir das nicht machen.

 

Welt am Sonntag: Die SPD war immer gegen die U 4 - nun wollen Sie sie verlängern?

 

Scholz: Wir wollten die Hafencity vor zehn Jahren mit einer Stadtbahn anschließen, aber jetzt ist die U-Bahn bereits begonnen. Wenn wir die Elbinseln entwickeln wollen und dort zusätzlichen Wohnungsbau wollen, dann kann eine Verlängerung sinnvoll sein. Das müssen wir jetzt prüfen und im Dialog mit den Bürgern zügig entscheiden.

Welt am Sonntag: Ein Grundvorwurf der CDU an Sie ist, dass Sie viel versprechen, ohne zu sagen, wie Sie es bezahlen wollen - die Abschaffung der Studiengebühren, kostenfreie Kitas, zum Beispiel.

 

Scholz: Wir haben ein klares Konzept, wie man den Haushalt solide finanzieren und konsolidieren kann. Da ist in den letzten Jahren viel aus dem Ruder gelaufen. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind die laufenden Kosten im Betriebshaushalt um fast eine Milliarde Euro gestiegen. Der Senat hat in zwei Jahren mehr als 1300 zusätzliche Beschäftigte in der Hamburger Verwaltung eingestellt, davon sind allein 570 leitende und entscheidende Verwaltungsmitarbeiter.

 

Welt am Sonntag: Wollen Sie jetzt also Mitarbeiter auf die Straße setzen, um zu sparen?

 

Scholz: Nein. Wir wollen einen Teil dieser zusätzlichen Stellen in der oberen Verwaltung über Fluktuation rasch wieder abbauen. Das bringt sehr viel Geld ein, denn für die zusätzlichen Mitarbeiter wurden auch teure Räume angemietet. Wenn man zudem besser plant und nicht 800 Millionen Euro durch Fehlplanungen von Großprojekten verliert, dann ergibt sich durchaus Spielraum dafür, unsere Kitas besser und am Ende das fünfstündige Grundangebot für die Familien kostenlos zu machen. Insgesamt müssen wir die Blickrichtung wechseln. Ab 2020 dürfen wir keine neuen Schulden mehr machen. Deswegen werden die Ausgaben in den kommenden zehn Jahren weniger steigen als die Einnahmen. Wenn wir also etwas zusätzlich machen wollen, müssen wir die Mittel dafür sofort an anderer Stelle im Haushalt freimachen.

 

Welt am Sonntag: Wie steht es um Einnahmenzuwächse? Sind Steuererhöhungen denkbar, etwa bei der Gewerbesteuer?

 

Scholz: Ich habe nicht vor, die Gewerbesteuer anzuheben. Wenn man Einnahmen generieren will, kann man über manches nachdenken, aber die Spielräume sind nicht mehr groß. Irgendwann müssen wir auch akzeptieren, mit unserem Geld auszukommen.

 

Welt am Sonntag: Sind andere Steuer- oder Gebührenerhöhungen denkbar?

 

Scholz: Da hat der CDU-Senat längst alles ausgereizt. Und so einen Unsinn wie die "Blaulicht-Steuer" der CDU machen wir nicht.

 

Welt am Sonntag: Herr Horch, die GAL hat in vielen Punkten Positionen vertreten, die mit Ihren kaum zusammenpassen - etwa mit der Abwendung vom Hafen. Wären die Grünen nicht für Sie ein ganz schwieriger Partner?

 

Horch: Ich kenne viele Grüne aus den regelmäßigen Gesprächen in den letzten Jahren. Mir ist wichtig, die Erreichbarkeit des Hafens zu Wasser, zu Schiene und zu Land zu verbessern. Wir müssen uns klar machen, dass Norddeutschland große Chancen hat, wirtschaftlich deutlich stärker zu werden - weil wir an der Küste sind und weil die Transportkosten zur See deutlich geringer sind als zu Lande. Durch die Fehmarnbeltquerung rückt Hamburg weiter ins Zentrum Nordeuropas. Es gibt in den Zielen nicht so große Unterschiede zu den Grünen, in der Vorgehensweise aber schon. Ich habe da sehr klare Positionen. Wir müssen Entscheidungen beschleunigen. Die Welt wartet nicht auf uns.

 

Welt am Sonntag: Herr Scholz, Sie haben bei Stadtbahn, Studiengebühren und mit der Personalie Horch viele Dinge vorab festgelegt, die den Grünen nicht passen. Sind Sie eigentlich sicher, dass Sie mit den Grünen koalieren wollen?

 

Scholz: Ich empfehle einen entspannten Umgang der Parteien miteinander. Solange nicht mit den Grundfunktionen unserer Stadt gespielt wird, wie Henning Voscherau gesagt hat, kann man sich einigen. Man muss aber auch Rückgrat haben, wenn es um wesentliche Fragen geht. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen der SPD und der CDU.

 

Welt am Sonntag: Haben Sie Herrn Horch schon das SPD-Parteibuch überreicht?

 

Scholz: Nein, das ist auch nicht mein vorrangiges Ziel gewesen.

 

Welt am Sonntag: Dann lassen Sie sich auch nicht mit Genosse Frank anreden, Herr Horch?

 

Horch: Ich würde mich nie mit einem Titel schmücken, der mir nicht zusteht.

 

 

Das Gespräch führten Florian Hanauer und Jens Meyer-Wellmann.

 


Hier finden Sie das Interview auf der Internetseite der Welt am Sonntag.