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02.07.2015

Grußwort: 175 Jahre Freshfields Bruckhaus Deringer

 

Sehr geehrter Herr Dr. Dieselhorst,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
meine sehr geehrte Damen und Herren,

Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde. Der Philosoph Immanuel Kant, einer der großen Vordenker der Aufklärung, formulierte dieses Postulat 1785 in seinem Werk Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Heute 230 Jahre später können wir seinen Kategorischen Imperativ immer noch guten Gewissens unterschreiben. Integrität kommt nicht aus der Mode. Sie zählt zu den unverzichtbaren gesellschaftlichen Grundwerten.

Ich freue mich sehr, mit Ihnen gemeinsam das 175. Bestehen von Freshfields Bruckhaus Deringer in Deutschland zu feiern und überbringe Ihnen auch die besten Wünsche des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg. Heute geht es um ein Traditionsunternehmen, das in Deutschland seit 175 Jahren der Integrität oder, um es ruhig auf Deutsch zu sagen: dem unbestechlich gradlinigen Gang verpflichtet ist. Eine Sozietät, die unsere Gesellschaft immer wieder aktiv mitgestaltet hat.

Freshfields Bruckhaus Deringer hat sich im Laufe der Jahre zu einer der erfolgreichsten internationalen Großkanzleien entwickelt. Die Kanzlei berät und vertritt nationale und internationale Industrie- und Finanzunternehmen, Institutionen und Regierungen. Damit sage ich den meisten Anwesenden nichts Neues.

Wie genau Sie alle das Kanzlei-Logo kennen, das den Erzengel Michael darstellt, ist vielleicht nicht so eindeutig. Es handelt sich um das Familienwappen von James William Freshfield, der die Kanzlei in London bereits im 18. Jahrhundert mit aufbaute. Der Heilige, aber durchaus kampfbereite Michael gilt in der Johannes-Offenbarung als der Bezwinger Luzifers und schien Freshfield daher ein gutes Sinnbild für die Arbeit des Anwalts zu sein. Ich bin ja aus der Branche und muss sagen: Manchmal hat man es dort mit höllisch verschlagenen Gegnern zu tun.

Das war jetzt keine aktuelle Anspielung auf irgendetwas. Nein, es war schon immer so und wird auch so bleiben. Wer sich mit Veränderungen schwertut, macht gerne die schnelllebigen Zeiten dafür verantwortlich, inzwischen mit dreifachem el geschrieben. Aber die Zeiten sind heute nicht bewegter als früher, sie sind auch nicht essentiell komplizierter oder schwieriger als vor 175 Jahren, nur digitaler und das finden wir doch alle gut. Wir mögen vor großen Herausforderungen stehen, aber auch im Jahr 1840 hatte man sein Päckchen zu tragen.

Ludwig Noack, der Gründer der ersten deutschen Vorläuferkanzlei, baute sich seine Existenz als Advokat in Hamburg praktisch aus dem Nichts auf. Die Festschrift, die Ihnen vorliegt, schildert seine Zeit als eine Zeit großer politischer Umwälzungen, die es ihm alles andere als leicht machten, seinen Beruf auszuüben. 1848 erfasste die Revolution Deutschland, musste es aber bald wieder loslassen. Ein Deutschland, das noch kein Nationalstaat war, sondern ein Gemisch aus Territorialstaaten, Fürstentümern und freien Städten. Der Deutsche Bund war ein Zusammenschluss ohne gemeinsame Gesetze und ohne einheitliche Währung.


Auch Hamburg gehörte im Vormärz, also in den Jahren vor der Revolution von 1848, dem Deutschen Bund an. Erst 1860 erhielt unsere Stadt eine moderne Verfassung. Bis dahin galt der Hauptrezess von 1712, danach waren Rat und Bürgerschaft Träger der Staatsgewalt. Wesentliche Rechtsgebiete waren noch gar nicht kodifiziert. So gab es in Hamburg weder ein schriftliches Handelsrecht noch eine Zivilprozessordnung.

Wann entstanden einheitliche rechtliche Grundlagen, die für uns heute eine Selbstverständlichkeit sind? Trotz früherer Bemühungen Napoleons, dessen Code Civil auch im damaligen Département der Elbmündungen galt in Teilen Deutschlands sogar lange über die eigentliche Franzosenzeit hinaus nahm das doch erst nach der Reichsgründung im Jahr 1871 bleibende Formen an. So traten 1879 die vier großen Reichsjustizgesetze in Kraft zur Gerichtsverfassung, zum Konkursrecht sowie zur Straf- und Zivilprozessordnung. 1900 folgten das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Handelsgesetzbuch (HGB), welches das Handelsrecht an das neue Zivilrecht anpasste. Im Kaiserreich wurden auch im Bereich des Wirtschaftsrechts zahlreiche Grundlagen geschaffen, die zum Teil noch heute gültig sind. So etwa im gewerblichen Rechtsschutz: 1874 wurde das Markenschutzgesetz erlassen, 1877 entstand mit dem ersten Patentgesetz ein reichsweites kaiserliches Patentamt in Berlin. 1896 folgte das Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Auch unser heutiges Steuerrecht geht zu großen Teilen auf Bestimmungen des Kaiserreiches zurück.

Manches davon klingt, wenn man sich das kaiserlich wegdenkt, geradezu modern. Während dessen gab es allerdings in Deutschland, auch in Hamburg: kein Wahlrecht für Frauen, keinen Achtstundentag und keine Kennzeichnungspflicht für Inhaltsstoffe von Lebensmitteln, mit immer wieder verheerenden Folgen. Soviel zur Prioritätensetzung in der Rechtsgeschichte.  

Meine Damen und Herren,
gerade in dem Zusammenhang fallen mir aber stellvertretend für die vielen klugen Köpfe dieser Kanzlei vier große Hamburger Anwälte ein, die besondere Persönlichkeiten in der Sozietätsgeschichte waren.

Julius Scharlach (1842 1908) war Partner in der Sozietät Ludwig Noacks und einer der angesehensten Anwälte Hamburgs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er beriet zahlreiche große Unternehmen, die der Kanzlei oft jahrzehntelang die Treue hielten.

Julius Seebohm (1834 93), ebenfalls Partner in der Sozietät Ludwig Noacks, war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Anwalt für Seerecht. Er beriet das Deutsche Reich 1890 beim Rückerwerb Helgolands von Großbritannien übrigens nicht im Tausch gegen Sansibar, wie es oft zu lesen ist. Das wäre auch kein sonderlich integres Geschäft gewesen.   

Kurt Sieveking (1897 1986), ein überzeugter Demokrat auch unter den Bedingungen der NS-Zeit. Der Anwalt stammte aus einer alten hanseatischen Patrizierfamilie und war nach der Rückkehr zur Demokratie von 1953 bis 1957 Erster Bürgermeister in Hamburg. Mit seiner Politik der Elbe setzte sich Sieveking, auch im Sinne der damaligen sozialdemokratischen Opposition, für eine praktische Verständigung mit den Staaten Mittel- und Osteuropas ein. Delegationen des Senats reisten nach Prag, Budapest und Leipzig. Dieses Engagement mündete in die Städtepartnerschaft mit dem damaligen Leningrad, heute St. Petersburg, die älteste Hamburgs. 1959 wurde Sieveking als Partner in die Sozietät aufgenommen, auch er konzentrierte sich auf Seerecht.

Der Wirtschaftsanwalt Christian Wilde (1939 2004) gilt bis heute in Kollegenkreisen als anwaltliche Ausnahmepersönlichkeit. Sein Schwerpunkt war die gesellschaftsrechtliche Beratung von Unternehmen im In- und Ausland. Er setzte sich als Partner der Sozietät zunächst für eine deutschlandweite, später für eine weltweite Expansion ein. Auf deutscher Seite war er im Jahr 2000 maßgeblich an der Entstehung der heute so erfolgreichen super law firm beteiligt. Diese letzte, oder bisher letzte Fusion wird im Management-Lehrplan der Harvard University bis heute als Modellfall gelehrt. Bis zu seinem frühen Tod im Jahr 2004 war Christian Wilde erster Co-Seniorpartner der neuen internationalen Großkanzlei.

Bis dahin war es ein langer Weg mit vielen Meilensteinen, sicher auch jetzt sage ich es vornehm englisch Diversions. Zu den historischen Mandaten der Kanzlei zählen beispielsweise 1925 der Zusammenschluss der sechs größten deutschen Chemieunternehmen zur I. G. Farbenindustrie, deren Leumund später ein fragwürdiger wurde. Anders verhielt es sich 1974 mit dem Einstieg des Iran bei Krupp. Die persische Beteiligung brachte damals insgesamt 1,4 Milliarden D-Mark in die Kassen, die wohl dringend benötigt wurden. Selbst der damalige Bundeskanzler Willy Brandt gratulierte und meinte trocken, es sei das erste Mal, dass ich davon gehört habe, dass die Ölgelder sinnvoll angelegt werden. Inzwischen hat ja Rot-Weiß Essen eine Zuwendung von der Krupp-Stiftung für die Jugendarbeit erhalten, eine gute Spätfolge, wenn es denn eine ist.

Eine wichtige beratende Funktion hatten Freshfields Bruckhaus Deringer in den 1990er-Jahren, als sie die Treuhandanstalt bei der so schwierigen Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft begleiteten. Ebenso waren sie gefragte Experten in der Finanz- und Eurokrise.

Die Kanzlei stand auch im Auge des Sturms, als 2008 mit der Insolvenz der New Yorker Investmentbank Lehmann Brothers ein Kredit-Tsunami ausbrach, wie es ihn ich zitiere US-Notenbankchef Alan Greenspan, nur einmal in hundert Jahren gebe. Hoffen wir's.

Jedenfalls griff die Bundesregierung, der ich damals angehört habe, aus gutem Grund auf die wirtschaftliche und rechtliche Expertise von Freshfields Bruckhaus Deringer zurück. Denn die Lage war auch in Deutschland dramatisch: Unter immensem Zeitdruck galt es komplexe juristische Fragen zu lösen, die sich in dieser Form noch nie zuvor gestellt hatten. Am 17. Oktober 2008 konnte das Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz im Bundestag verabschiedet werden, das die Einrichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) ermöglichte. Während wir im Arbeitsministerium intensiv über Kurzarbeit nachdachten nicht für uns selbst, sondern als ein Mittel, die Folgen der Krise für die deutsche Wirtschaft zu mildern und einen Grundstein für den Wiederaufschwung zu legen.  

Die Hansestadt Hamburg zählt ebenfalls zu den Mandanten der Kanzlei. Freshfields bereitete zum Beispiel 1997 damals noch unter dem Namen Bruckhaus Westrick Stegemann den Verkauf von Anteilen an der Hamburgischen Landesbank an die Landesbank Schleswig Holstein vor. Kein so feierliches Thema, aber dafür kann die Kanzlei  nichts.

Im Jahr 2000 begleitete sie den Verkauf von 49 Prozent der Anteile an der Flughafen Hamburg GmbH an eine Tochtergesellschaft aus dem HOCHTIEF-Konzern vor. Rückblickend betrachtet ein erfolgreiches Joint Venture, das sich auch mit dem Rechtsnachfolger PSP einem kanadischen Pensionsfonds positiv fortsetzt.

2006 und im folgenden Jahr hat die Kanzlei die Beteiligung an EADS zusammen mit anderen Bundesländern an Airbus-Produktionsstandorten vorbereitet.

Ein besonderer Erfolg war der Verkauf von Aktien an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Als 2007 deren Börsengang anstand, war auch dem Senat damals von anderen politischen Mehrheiten als jetzt getragen klar, dass die historischen Speicherstadt-Gebäude nicht privatwirtschaftlichem Rendite-Denken unterworfen werden sollen. Freshfields entwickelte die Idee, die eigentlich für börsennotierte Spin-offs vorgesehenen Tracking Stocks konzeptionell auf die HHLA anzuwenden nur anders herum: Die eigens kreierten Speicherstadt-Aktien verblieben vollständig bei der Stadt, während die Logistik für private Investoren geöffnet wurde. Diese Konstruktion wurde anfangs als im Markt nicht vermittelbar abgetan. Heute ist sie akzeptiert und sorgt weiterhin für konstante Ausschüttungen aus diesem Immobilienvermögen an die Stadt.
 
Gute Arbeit leistete F B D auch beim Erhalt des Firmensitzes von Hapag-Lloyd in Hamburg. Die Kanzlei unterstützte das Hamburger Albert Ballin Konsortium seit 2009 unter anderem bei dem Erwerb weiterer Anteile von TUI 2012.


Wenig später wurde F B D von Hapag-Lloyd selbst mit der Interessenvertretung beim Einbringen des Containergeschäfts von CSAV betraut nach dem erfolgreichen Zusammenschluss rangiert das Unternehmen jetzt weltweit als viertgrößte Linienreederei mit rund 200 Schiffen und einem Jahresumsatz von zehn Milliarden Euro.

Meine Damen und Herren,
Hamburg kennt jeder als international bedeutende Hafenstadt, aber sie ist längst auch ein bedeutender Rechtsstandort, nicht zuletzt als Sitz des Internationalen Seegerichtshofs. Überhaupt haben Rechtsfragen und Streitschlichtungen in Seefahrt und Handel bei uns fast immer eine internationale Dimension. Das Europäische Patentgerichtsübereinkommen (EPGÜ) wird uns in diesem Zusammenhang weiter stärken und der Senat setzt darauf, dass es auch in Deutschland zügig ratifiziert werden kann. Schon jetzt ist Hamburg ja das zuständige Patentgericht auch für Schleswig-Holstein, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.

Grundlagenforschung, Wissenschaftstransfer und eine international ausgerichtete Ausbildung von Juristen finden an Hochschulen und Forschungsinstitute in Hamburg auf hohem Niveau statt, etwa am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, an der Bucerius Law School und der Universität Hamburg.

Doch von der nächsten Juristengeneration zurück in die Hohen Bleichen: Hamburg profitiert ebenso wie die Standorte Berlin, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und München   auch von der Tatsache, dass sich zahlreiche Anwälte bei Freshfields Bruckhaus Deringer neben ihrer Mandatsarbeit gesellschaftlich engagieren, sei es in Vereinen oder in der Lehre. Und es freut mich, dass viele ihr Fachwissen gemeinnützigen Organisationen unentgeltlich in Form von Pro-Bono-Aktivitäten zur Verfügung stellen.

Hamburg und Freshfields Bruckhaus Deringer verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. Hamburg ist eine international ausgerichtete, weltoffene Stadt und mir scheint, diesen Anspruch hat die Kanzlei auch. Freshfields Bruckhaus Deringer erhalten als Arbeitgeber regelmäßig Auszeichnungen und Top-Bewertungen ein Kompliment an die Unternehmenskultur. Und was ich wichtig finde: Freshfields Bruckhaus Deringer sind bestrebt, den Mitarbeitern unabhängig von Herkunft, Weltanschauung, Geschlecht oder sexueller Orientierung ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu bieten. Hierfür hat das Unternehmen im Februar den azur Diversity Award 2015 erhalten.

Meine Damen und Herren,
Thomas Morus, englischer Staatsmann, humanistischer Autor und fachkundiger Jurist, hat vor über 500 Jahren einmal gesagt: Tradition ist nicht das Aufbewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme. Ein schöner Satz, allerdings mit dem Nachteil, dass er ideologisch dehnbar ist und später in der Tat von unterschiedlichsten Epigonen zitiert wurde. Auf die Flamme des leidenschaftlichen Eintretens für Integrität, für in jeder Hinsicht gutes Recht trifft er zu. Wir dürfen gespannt sein, wie die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer auch in Zukunft die gute Tradition des Vorausschauens pflegen wird.

Danke.

 

Es gilt das gesprochene Wort.