Grußwort: Parlamentarischer Abend Offshore-Windenergie
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Ferleman,
sehr geehrter Herr Senator Lohse,
sehr geehrter Herr Westhagemann,
sehr geehrter Herr Kuhbier,
sehr geehrter Herr Dr. Buddenberg,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich Willkommen in der Hamburger Landesvertretung. Sehr gerne haben wir den Vorschlag der Offshore-Wind-Industrie Allianz, der Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE und der Arbeitsgemeinschaft Offshore-Windenergie aufgegriffen, hier in Berlin einen parlamentarischen Abend durchzuführen, der weder schlechtes Wetter noch Sturm fürchtet.
Dem antiken Fabeldichter Äsop wird die Fabel von Sonne und Wind zugeschrieben. Darin streiten sich Sonne und Wind darüber, wer von beiden stärker sei. Als ein Wanderer vorbeikommt, soll eine Wette die Diskussion beenden. Gewonnen habe, wer den Wanderer dazu zu bewegt, seinen Mantel auszuziehen. Also gibt der Wind sein Bestes und bläst mit aller Kraft. Aber der Wanderer hüllt sich dummerweise nur noch fester in seinen Mantel. Die Sonne dagegen strahlt. Und dem Wanderer wird so warm, dass er seinen Mantel ablegt. Der Wind muss die Sonne als Siegerin anerkennen.
Die Sache hätte auch ganz anders ausgehen können. Und zwar dann, wenn Sonne und Wind sich offshore gestritten hätten. Wenn auf hoher See ein Segelboot vorbeigetrieben und die Besatzung aus eigener Kraft nicht weitergekommen wäre wer hätte dann wohl gewonnen?
Man sieht: Alles ist relativ. Wettbewerb ist natürlich immer eine gute Sache. Aber warum sollte man individuelle Stärken gegeneinander ausspielen?
Wind und Sonne sind keine Kontrahenten, sondern Partner. Diese Erkenntnis ist grundlegend für die deutsche Energiewende. Wind und Sonne sind die tragenden Säulen unserer zukünftigen Energieversorgung. Bis 2050 sollen erneuerbare Energien 80 Prozent unseres Strombedarfes decken.
Die Politik hat vor 15 Jahren mit dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien das Ziel vorgegeben. Und die Energieindustrie hat sich auf den Weg gemacht und seitdem kontinuierlich geliefert. Zur Jahrtausendwende wurden in Deutschland gerade einmal 6,2 Prozent des Stroms mit Hilfe erneuerbarer Energien erzeugt. Heute sind es bereits über 27 Prozent. Im ersten Halbjahr 2015 liegt der Anteil an der Bruttostromerzeugung sogar bei rund 31%.
Dazu hat auch die Offshore-Windenergie beigetragen. Die Branche hat erfolgreich Neuland auf dem Meeresgrund betreten. Offshore-Windenergienutzung ist eine vergleichsweise junge Technologie, die noch nicht lange im Rennen ist. Doch sie hat schon einige Hindernisse genommen und jetzt erst mal durchgestartet und Fahrt aufgenommen.
Deutschlands Windstärke liegt vor unseren Küsten, auf hoher See. Man kann es nicht oft genug betonen: Offshore-Windenergie hat den großen Vorteil, dass der Wind auf See deutlich konstanter und stärker weht als sonst irgendwo. Sie nicht zu nutzen, können wir uns nicht leisten.
Gerade einmal fünf Jahre ist es her, dass 2010 mit Alpha Ventus der Startschuss für den ersten deutschen Offshore-Windpark fiel. Ein Testfeld in der Deutschen Bucht, bestehend aus 12 Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 60 Megawatt. Alpha Ventus allein deckt den rechnerischen Strombedarf von etwa 70.000 Haushalten. Die Einwohner ganz Rostocks könnten damit ein Jahr lang gut versorgt werden.
Seitdem hat sich auf hoher See eine Menge getan. Immer wieder tritt die Branche den Beweis an, dass küstenferne Windenergieanlagen erfolgreich gebaut werden können. Und das in ganz großem Stil. Monat für Monat gehen neue Windenergieanlagen ans Netz: Bard Offshore I, Riffgat, Meerwind Süd und Ost, Nordsee Ost, Trianel Borkum, Baltic 1, Butendiek, DanTysk, Global Tech1, Baltic 2 und zuletzt Borkum Riffgrund 1.
Zudem sind weitere Offshore-Windparks im Bau. Für fünf Parks wurden finale Investitionsentscheidungen getroffen!
Alle diese Anlagen liefern den Beweis, dass Offshore- Windstrom zuverlässig sehr viele Volllaststunden liefert. Die Stromproduktion ist konstanter, der Stromertrag ist höher und das Ganze insgesamt deutlich kosteneffizienter geworden.
Allein im ersten Halbjahr 2015 gingen so viele neue Windenergieanlagen ans Netz, dass sich die offshore installierte Leistung in dieser Zeit um 170 Prozent erhöht hat. Das neue Jahr werden wir voraussichtlich mit einer Leistung von etwa 3.300 Megawatt einläuten können. Das entspricht dem jährlichen Strombedarf von rund 3,7 Millionen Haushalten.
Deutschland hat mit der Energiewende ein Leuchtturm-Projekt angestoßen, das international Maßstäbe setzen wird. Dass auf dem Weg zum Ziel gelegentliche Kurskorrekturen notwendig werden würden, war zu erwarten.
Doch bei alledem ist es weiterhin unerlässlich, die Energiewende für alle Akteure planbar zu gestalten. Niemand hat etwas zu verschenken. Weder die Investoren noch die Betreiber, nicht die Zulieferer und Entwickler und schon gar nicht die Stromkunden in Deutschland.
Auch wenn es aus heutiger Sicht noch ambitioniert erscheint, Offshore-Windenergie zu einem starken Pfeiler unserer künftigen Stromversorgung zu entwickeln: Es ist machbar. Und es ist auch wirtschaftlich geboten, dass die Branche in die Serienfertigung einsteigt. Die Branche kann noch mehr leisten. Die Energiewende als Ganzes wird den Return on Investment schaffen. Dazu müssen verlässliche Rahmenbedingungen allerdings den notwendigen Rückenwind liefern. Für alle Seiten gilt: Wer einen langen Weg vor sich hat, darf nicht auf halber Strecke stehen bleiben, sonst waren alle Mühen vergeblich, wenn auch nicht umsonst.
Einen Windpark errichtet man nicht alleine und nicht mal eben so. Hier geht es um komplexe Großprojekte, die eine gute und langfristige Zusammenarbeit von Unternehmen, Banken und Politik erfordern. In Deutschland hat sich ein gesunder Branchenmix etabliert, aus dem produktive Wertschöpfungsketten hervorgehen. Mittelständische Unternehmen sind daran in großem Umfang beteiligt in der deutschen Offshore-Windbranche zu 70 Prozent.
Man kann sich als Laie kaum vorstellen, welch ein Kraftakt die kommerzielle Erzeugung von Windkraft ist. Bis der Wind vor den deutschen Küsten seine Arbeit tun kann, ist es ein ziemlich langer Weg. Wenn die Einzelteile auf einem gigantischen Errichtungsschiff bis zur Baustelle transportiert, mitten im Wasser präzise zusammenmontiert und wie im Falle von Global Tech1 stabil in 40 Metern Meerestiefe verankert werden, dann ist das nur der krönende Abschluss eines jahrelangen Vorlaufs. Ein Offshore-Windpark ist eine planerische, technische und logistische Meisterleistung. Erbracht von Projektentwicklern, vielen verschiedenen Herstellern und Komponentenlieferanten, von maritimen Dienstleistern, Logistikern, Hafenbetreibern, Werften und natürlich den zuständigen Behörden.
Viele dieser Akteure haben ihre Heimat in der Metropolregion Hamburg. Als eine Windhauptstadt in Europa ist Hamburg ein wichtiges Zentrum für die Offshore-Branche. Einige der international bedeutendsten Hersteller von Windenergieanlagen haben bei uns ihren Hauptsitz. Ihre Entwicklung und den Vertrieb haben sie in Hamburg gleich mit angesiedelt. Zum Beispiel Siemens, das Unternehmen ist mit seinem Geschäftsbereich Wind Power weltweiter Marktführer. Auch maßgebliche Projektentwickler haben sich bei uns niedergelassen. So dürfen wir uns auf die Fahnen schreiben, dass zwei Drittel aller Offshore-Windparks, die bereits gebaut oder noch in Planung sind, in Hamburg entwickelt wurden.
Man sagt zu Recht: Mit einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass wir in Norddeutschland an Herausforderungen gemeinsam herangehen. In der Metropolregion und in ganz Norddeutschland konzentrieren sich weitere wichtige Aktivitäten der Branche. Dazu zählen auch der Spezialschiffbau, die Logistik und die Sicherheitskonzepte. Und auch viele Küstenstädte haben ihren Beitrag für die Offshore-Industrie geleistet, indem sie die Hafeninfrastrukturen entwickelt haben.
Dazu sind wir im Norden hervorragend vernetzt mit Industrie, Zulieferern sowie den Experten an Universitäten und Fachhochschulen. Rund 180 Mitglieder hat das Hamburger Cluster Erneuerbare Energien Hamburg. Zusätzlich setzt die Offshore-Branche über das Cluster in der Offshore Wind Industrie Allianz auf Wissensaustausch und Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren,
Sie wissen es selbst am besten: Die beteiligten Unternehmen engagieren sich mit zumeist ganz erheblichen finanziellen Mitteln für die öffentliche Sache, die res publica. Planungssicherheit ist da nicht zu viel verlangt. Deshalb wird es für das Gelingen der Energiewende entscheidend sein, dass die Akteursvielfalt erhalten bleibt und der Ausbau der Offshore-Windkraft im fairen Wettbewerb weiter geht. Umgekehrt kann und muss auch die Offshore-Windenergie-Branche ihren Beitrag leisten. Ihre öffentliche Akzeptanz wird steigen, wenn die Stromgestehungskosten sinken.
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Die Menschen grübeln schon sehr lange darüber und finden keine Antwort. Die einen sagen so, die anderen behaupten genau das Gegenteil. Die Diskussion um Ausbau der Stromnetze erinnert ein bisschen daran. Müssen zuerst die Offshore-Windparks errichtet oder zuerst die Netze ausgebaut werden? Doch hier geht es natürlich um sehr viel mehr als um ein theoretisches Gedankenspiel und wir haben keine Zeit zu verlieren. Wie der offshore erzeugte Strom in die deutschen Haushalte kommt, das ist eine sehr konkrete Frage. Deutschland kann es sich nicht leisten, die Antwort auf die lange Bank zu schieben.
Der Netzausbau auf dem Meer ist zentral. Wir in Norddeutschland werden genau im Auge behalten müssen, dass der Netzausbau zum Meer und in den Süden der Republik vorausschauend und kompatibel zu den übrigen Rahmenbedingungen erfolgt. Das betrifft auch die Ausschreibungsmodelle, die derzeit Gegenstand der Konsultationen sind. Dabei haben wir als norddeutsche Länder immer eindeutig Position bezogen: Zuerst die Infrastruktur in Form der Netze, dann die Windparks. Eine hundertprozentige zeitliche Parallelität beim Bau ist unrealistisch, das wissen wir aus der Vergangenheit. Zeitlich befristete Teilleerstände können und sollten wir ertragen.
Ein Loch beim Netzausbau kann niemand wollen, deshalb muss der Offshore-Netzentwicklungsplan ausreichend Netzanschlüsse vorsehen.Der vorliegende ONEP 2014 bedarf deshalb einer deutlichen Nachbesserung. Hier gehe ich davon aus, dass das BMWI entsprechend handeln wird.. Gefragt sind aber auch die Übertragungsnetzbetreiber TenneT für die Nordsee und 50 Hertz für die Ostsee. Sie müssen dafür sorgen, dass die Netze dann auch zügig realisiert werden.
Meine Damen und Herren,
auch heute gilt, was der englische Renaissance-Dichter John Donne 1623 notierte: Kein Mensch ist eine Insel. Unsere Existenz ist kein Selbstzweck. Auch Offshore-Windparks sind keine Inseln, die für sich alleine stehen und die bestenfalls nur uns im Norden etwas angehen. Bei den Offshore-Aktivitäten geht es um mehr als die Interessen des Nordens. Hier wird gerade das Fundament gelegt für Wertschöpfungsketten, die bis in den Süden Deutschlands reichen. Der Ökostrom, den die Windparks auf hoher See zuverlässig erzeugen, gibt der Energiewende als Ganzes Rückenwind. Sauberer Strom wird in ganz Deutschland gebraucht.
Es muss in unser aller energiepolitischem wie auch im industriepolitischen Interesse sein, dass wir einen kontinuierlichen Aufbau von zwei besser drei Windparks pro Jahr erreichen.
Die Zukunft der Energieversorgung betrifft uns alle. Wenn es darum geht, sie zu gestalten, sind alle gefordert. Das bedeutet gleichzeitig, dass alle Akteure gehört werden müssen, damit eine tragfähige Handlungsbasis geschaffen werden kann.
Strom fließt umso stärker, je höher die an den elektrischen Widerstand angelegte Spannung ist. Die politische Willensbildung funktioniert ähnlich. Starke Argumente werden überzeugen und so letztendlich zu guten Lösungen führen. Nichts würde die Energiewende mehr zurückwerfen als ein Fadenriss.
Es liegt im Interesse aller Beteiligten, dass der Übergang in die nächsten Ausbaustufen der Offshore-Windkraft fließend verläuft. Deshalb ist es gut und wichtig, dass intensive Konsultationen mit der Branche und auch mit den norddeutschen Bundesländern stattfinden. Die Energiewende kann nur davon profitieren, wenn die Expertise aus verschiedenen Blickwinkeln eingebracht und berücksichtigt wird.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.