Sehr geehrter Herr Ramsey,
sehr geehrte Damen und Herren,
dies ist ein Senatsfrühstück, so heißt das ungeachtet der Tageszeit. Unser Ehrengast hat sich jahrzehntelang wie es bei Musikern so ist an späte Auftritte gewöhnt, auch an späte Talkshows, wie vor einigen Wochen beim NDR. Da haben Sie, sehr verehrter Bill Ramsey, gleich in den Anfangsminuten erstens: Kostproben Ihrer Bluesstimme in den Raum gestellt; zweitens: mehrere Dinge zum Mitschreiben gesagt.
Beim ersten Stichwort hellwach zu sein, das gehört sich für Bühnenprofis, und doch kann ich mir vorstellen, dass bei William McCreery Ramsey, geboren 1931 in Cincinnati, Hamburger seit 1991, diese Fähigkeit ein besonderes Fundament hat. Nämlich: sich jahrzehntelang so souverän zwischen den Stilen und damit auch Stühlen bewegt zu haben, wie Bill Ramsey es tut. So dass die unvermeidliche Talkshowfrage, wie eigentlich Blues und Jazz, Schlager und Swing, das gelbe Unterseeboot und die Mausefalle in Paris zueinander passen, plötzlich eine einfache Antwort hat: gut.
Und Sie, Bill Ramsey, beweisen es auf der Stelle mit einer a-capella-Version von Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett, inklusive Bläsereinsatz und Fingerschnipsen, und erläutern zwischendurch, erstens: wieso das ein lupenreiner Big-Band-Jazztitel ist, zweitens: dass viele damalige Songs hervorragend arrangiert waren und viele Texte sehr intelligente Reimideen hatten.
Ich habe mir daraufhin den Titel noch einmal aufmerksam bis zum Ende angehört und siehe da, er endet tragisch. Denn der Weg von Mimis Lebensabschnittsgefährten ist vorgezeichnet: Aus dem Zimmer, aus der Wohnung, auf die Straße in die Bar.
So, meine Damen und Herren, lernt man in meinem Alter nachträglich noch manches über die frühen 1960er Jahre, als man gerade laufen gelernt hatte, während Bill Ramsey bereits Boogie Woogie auf dem Klavier gespielt, der Wehrpflicht Folge geleistet, Ella Fitzgerald persönlich kennengelernt hatte, Chefproduzent beim AFN gewesen war und etliche Hits an die Spitze der Charts brachte in Deutschland sagte man noch Schlagerparade.
Man kann die Stationen nur stichwortartig aufzählen, allerdings hatte das mit der Wehrpflicht einschneidende Folgen, denn die brachte den Yale-Studenten Bill Ramsey nach Deutschland, das langfristig seine Heimat werden sollte. Und nachdem Ella Fitzgerald dem jungen Sänger bestätigt hatte, wenn man sich umdrehe, würde man seine Stimme glatt für schwarz halten (Zitat: "All you gotta do is close your eyes"), da muss das höchstes Lob und hohe Verpflichtung gleichzeitig gewesen sein: Don't you ever stop singing!
Hat er auch nicht getan. Bill Ramsey tritt weiterhin live vor sein Publikum, dieses Jahr auch schon in Hamburg, und seine Begeisterung teilen alte und junge, beziehungsweise alte und neue Fans. Dass seine wahre Liebe dem Jazz / Schrägstrich / Blues gehört Jazz und Blues soll man nicht sagen, denn sie gehören zusammen das zeigen diese Konzerte endgültig allen, die das vielleicht noch nicht wussten.
Er tritt aber auch vor Studiomikrofone, und das ist 2016 Bill Ramseys besonderes Geschenk an sich selbst und uns alle zum 85. Geburtstag: Eine Doppel-CD, die My Words heißt, weil er alte und neue Texte aus eigener Feder verwendet hat. Musikalisch enthält sie, am besten zitiere ich wieder aus der NDR-Sendung: Mainstream, Jazz, Blues, Ballads, sogar Latin alles was dazu gehört. Man kann es auch kürzer ausdrücken: Bill Ramsey macht das, was er immer gemacht hat: schlicht gute Musik.
Höchste Zeit, gegen Mitte dieser Rede, etwas zu seinem Hamburg-Bezug zu sagen. Seit einem Vierteljahrhundert wohnen Sie in unserer Stadt, das hatte ich schon erwähnt und das weiß hier ohnehin so ziemlich jede und jeder. Man darf Sie, Bill Ramsey, den US-Amerikaner aus der schwarzen, der R&B-Stadt Cincinnati inzwischen als eingesessenen Ottenser bezeichnen, das tun nach 25 Jahren sogar die Ottenser und die sind da eigen mit.
Aber schon 1979, im September, haben Sie an einem denkwürdigen Abend mit Inga Rumpf, Eric Clapton und anderen die neue FABRIK eröffnet, als Moderator mit eigenen Einlagen.
Und 1982/83 waren Sie Gastdozent für Jazz-Gesang beim Modellversuch Popularmusik an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und damit einer der Gründervater dieses bis heute äußerst erfolgreichen Studiengangs, der eine ganze Reihe namhafter Bands und Musiker/Innen hervorgebracht hat.
Natürlich, so möchte ich sagen, hat man Bill Ramsey auch in einer Hamburger Tatort-Folge mit Stoever und Brockmöller gesehen, als musikaffinen Hamburger Kneipenwirt, in dessen Lokal Jazzer ihr Bier tranken und Musik machten. Jürgen Roland führte Regie.
All das war und ist schon sehr hamburgisch, aber ich möchte noch einen weiteren Grund nennen, aus dem Bill Ramsey sehr gut in unsere Stadt passt: als weltoffener, weitgereister Musiker mit schwarzer Stimme, dessen Liebe zur Musik weder Konventionen, Herkunft noch Klassenunterschiede kennt. Auch nicht kannte in einer Zeit, in der in den Staaten ein schwarzer Hausangestellter und Vater-Ersatz der richtige Vater musste beruflich viel reisen , nicht mit dem Jungen zum Angeln durfte, weil in den Vergnügungspark nur Weiße hineindurften, es sei denn sie würden das Boot rudern. Für Bill Ramsey ein einschneidendes Erlebnis, das ihn aber nicht entmutigt hat.
Meine Damen und Herren,
ganz bin ich noch nicht durch mit den fünfziger / sechziger Jahren, jener interessanten, für mich etwas zu frühen Zeit und ihrem Schlager. Das war ein weit gefasster Begriff; die Caprifischer gehörten in dieses Genre, oder diese Schublade; Die Gitarre und das Meer des Wahl-Hamburgers Freddy Quinn; aber auch Caterina Valente mit Wo meine Sonne scheint, einer Übersetzung von Harry Belafontes Island in the Sun. Fernweh war die neue Leidenschaft der Deutschen, und die bediente Bill Ramsey auf seine Weise: ironisch, kritisch, immer liebenswürdig: Souvenirs, Souvenirs / Kauft, Ihr Leute, kauft sie ein / Von der Garbo die Brille / Von Stirling Moss den Führerschein. Der Autorennfahrer Stirling Moss war der hierzulande populärste Engländer gleich nach der Queen.
Bei Bill Ramsey hingegen hörte man den US-Amerikaner heraus man kann es ja noch , auch wenn er auf Deutsch sang, in der Sprache, in der sich Pigalle auf Mausefalle reimt: Wer etwas auf sich hält, der ist dort schon gewesen. Wo? In Paris natürlich, dem hierzulande populärsten Sehnsuchtsort gleich nach Capri.
Wäre man damals eine Idee älter gewesen, hätte man vielleicht Anklänge an die Comedian Harmonists herausgehört, denen die Deutschen zugejubelt hatten, bis 1933 und sogar noch ein bisschen länger, so lange es erlaubt war: Veronika, der Lenz ist grün / Drum lass uns in die Wälder ziehn. Capri war noch weit weg, nach Paris wurden bald darauf manche in anderem Zusammenhang in Marsch gesetzt.
Darüber wollte erstmal keiner mehr reden, aber die Zeile Kalkutta liegt am Ganges / Paris liegt an der Seine, die fand man gelungen völlig zu Recht übrigens in Verbindung mit dem Reim: Und dass ich so verliebt bin / Das liegt an Madeleine. Was sagte Bill Ramsey beim NDR über die Textideen? Seine Souvenirs und Pigalle toppten jedenfalls die deutschen Charts wie der Schnee den Gipfel des Kilimandscharo.
Wer aber hatte Bill Ramsey überhaupt diesen Berg hinaufgeschickt? Warum hatten Sie sich so frühzeitig des deutschen Schlagers angenommen? Was ich als Nächstes zitiere, steht auf Ihrer Webseite, die Frage des Produzenten Heinz Gietz im Jahr 1957 an Sie, als es um eine mögliche Plattenaufnahme ging:
Willst Du Rock & Roll singen oder lieber was Lustiges?
Gar nicht so absurd, die Frage, denn zu der Zeit war Rock & Roll und was damit zusammenhing, in der Tat nicht lustig. Die Alten verbanden ihn mit Rabaukentum und Capri hin, Madeleine her dem Ende von Sitte und Anstand, die Jüngeren verlockte er zu den ersten Schritten weg vom Abtanzball und Fassonschnitt, und ja, auch eine gewisse rebellische Stimmung schwang da mit. Swingte da mit, wenn ich das so sagen darf.
Wenig später sang Elvis Presley: Oh let me be / Your Teddy Bear, und dann die Beatles: It won't be long / Till I belong to you. Das war eigentlich ziemlich lustig, aber noch merkten es nicht alle.
Aber zurück zu Bill Ramsey: Nach eigener Aussage haben Sie die Frage Ihres Produzenten mit was Lustiges beantwortet, und das stellte entscheidende Weichen.
Der Rest ist Gegenwart nicht History. Ab jetzt müssen wir Wilhelm Ramsei zu ihm sagen, dieser Scherz ist von dem Fernseh-Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff und bezog sich auf Ihre Einbürgerung als Deutscher. Ich finde Bill Ramsey schöner, aber sehr schön finde ich auch, dass Sie so ein früher Vorläufer waren für viele Hamburgerinnen und Hamburger, die wir inzwischen viermal im Jahr bei unseren Einbürgerungsfeiern hier in Hamburg begrüßen.
Verehrter Bill Ramsey, darf ich mit noch einem Zitat von Ihnen schließen? Heimat, haben Sie gesagt, sei für Sie da, wo man sich zu Hause fühlt und glücklich ist. In Ihrem Fall Hamburg. Schöneres kann man über unsere Stadt nicht sagen. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Publikum in Hamburg und anderswo , dass der nächste Auftritt immer der spannendste bleibt.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.