Sehr geehrte Frau Dr. Gundelach,
sehr geehrte Frau Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrter Herr Doyen,
sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestags und der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Mitglieder der Bürgervereine,
sehr geehrte Damen und Herren,
falls Sie es noch nicht wussten: Wer sich für andere engagiert, der führt ein glücklicheres und auch gesünderes Leben. Das ist tatsächlich durch medizinische Forschung belegt. Wenn also in Zukunft jemand Sie fragen sollte, warum Sie sich mit so viel Energie in Ihrer Freizeit für Ihre Mitbürger und unsere Gesellschaft engagieren, dann könnten Sie mit Fug und Recht antworten: Aus medizinischen Gründen weil es gesund ist.
Allerdings wissen wir alle, dass es in Wahrheit ganz andere Gründe sind, die Sie dazu bringen, Dinge zu tun, die zuallererst eben nicht Ihnen selbst zugutekommen, sondern anderen nämlich uns allen. Ihre Motivation für Ihr bürgerliches Engagement ist eine selbstlosere.
Die frühen Bürgervereine in Hamburg dagegen wurden aus Enttäuschung gegründet. Der erste dieser Vereine entstand 1843 auf Sankt Pauli aus Ärger über die Politik der Bürgerschaft, die ihrem Namen damals nur in Teilen gerecht wurde. Das Parlament war damals eben keine Vertretung aller Bürgerinnen und Bürger, sondern der Großkaufleute und Grundbesitzer, in der die Sitze vererbt wurden und aus deren Mitte der Senat gewählt wurde.
Die Bürgervereine waren die organisierte Keimzelle der außerparlamentarischen Opposition und der Demokratiebewegung politische Parteien gab es erst deutlich später. Das zeigt, wie wichtig das bürgerliche Engagement war, als die echte Demokratie in diese Stadt kam. Wir nennen diesen Teil der deutschen Geschichte den Vormärz, und er brachte revolutionäre, demokratische Strömungen hervor, die schließlich zur Märzrevolution und zur Frankfurter Nationalversammlung im Jahr 1848 führte, kurz darauf auch zu einer verfassungsgebenden Versammlung in Hamburg.
Das war der Moment, als das Volk die Herrschaft an sich nahm, und die politischen Vereine in Hamburg waren ganz direkt und entscheidend daran beteiligt. Es ist ein beeindruckender Teil der Geschichte Hamburger Bürgervereine: das Erringen der Herrschaft der Allgemeinheit, der Demokratie.
Wahr ist allerdings auch, dass Demokratie nicht deswegen für immer unangefochten herrscht, weil sie einmal errungen wurde. Eine lebendige Demokratie wird jeden Tag aufs Neue von Demokraten mit Leben erfüllt. Das ist es, was die Bürgervereine seit Beginn ihres Bestehens leisten, und das ist für mich der sogar noch beeindruckendere Teil des bürgerschaftlichen Engagements.
Sie sind heute hier als Vertreterinnen und Vertreter von mehr als 80.000 Frauen und Männern, die in 60 Bürger-, Heimat- oder Kommunalvereinen organisiert sind. Aber vor allem stehen Sie für das, was demokratisches Zusammenleben in unserer Gesellschaft ausmacht und was der Staat nicht leisten kann.
Wie eine Gesellschaft aber zusammenlebt, das entscheiden ihre Mitglieder durch die Art und Weise, wie sie miteinander umgehen und was sie füreinander zu tun bereit sind und zwar freiwillig. Die Politik kann das ihre dazu beitragen, es den Bürgern möglichst leicht zu machen. Sie kann das organisatorische Gerüst des Staates mehr oder weniger vernünftig gestalten. Unter anderem kann sie dafür sorgen, dass das vorhandene Geld gut verteilt wird, aber was gut ist für die Bürger und was nicht, das wissen zuallererst die Bürger selbst.
Demokratie erfüllt sich nicht nur in der Hamburgischen Bürgerschaft, sondern im Zusammenleben der Bevölkerung, in den Schulen und Unternehmen, in den Familien, in den Vereinen, in all dem, was jeder Einzelne und jede Gruppe in unserer Stadt in Freiheit tut und tun kann. Kurz gesagt: Die Freiheit ist immer die Freiheit, etwas zu tun und heute danken wir Ihnen dafür, dass Sie diese Freiheit so großartig nutzen. Sie sind es, die die Plätze und Orte mit Ihren Ideen und Veranstaltungen füllen. Und das ist es, was eine lebenswerte Stadt entscheidend ausmacht.
Die Bereiche, in denen Sie und Ihre Vereine sich engagieren, sind so vielfältig wie Hamburg. Einige haben mit Sport zu tun, viele mit Kultur, mit Orten, mit Stadtvierteln oder ganz speziellen Herausforderungen, zum Beispiel der kontrollierenden Beobachtung der Senatspolitik in bestimmten Fragen. Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang übrigens das Kompliment machen, dass Sie uns das Leben manchmal ganz schön schwer machen. Und das meine ich tatsächlich als Kompliment, denn auch das ist selbstverständlich ein wichtiges bürgerschaftliches Engagement.
Die Liste der hier versammelten ehrenamtlich tätigen Hamburger Bürger und Bürgervereine ist zu lang und zu vielfältig, als dass ich auch nur ansatzweise alle erwähnen könnte. Bitte sehen Sie mir das nach.
Allein schon über die Vielfalt freue ich mich sehr. Zu viel Engagement kann es nämlich gar nicht geben. Rein quantitativ nicht, aber wir sehen immer wieder, dass ehrenamtlichem Engagement auch keine qualitativen Grenzen gesetzt sind. Sie sind die Experten in Ihren Stadtteilen und Einrichtungen, aber auch in vielen Fachbereichen, und die Hamburger Verwaltung profitiert ganz erheblich von ihrem Fachwissen und damit die ganze Stadt.
Wir haben in der Millionenmetropole Hamburg eine Vielzahl an konkreten Aufgaben zu lösen: bei unseren Bauvorhaben, bei der Stadtentwicklung und der Sanierung von Straßen und Brücken, bei der Unterbringung von Flüchtlingen die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. All das sind Herausforderungen, bei denen wir auf die Begleitung und Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort nicht verzichten können und wollen.
Es ist übrigens richtig, dass sich diese Stadt all das finanziell niemals leisten könnte, was gerade im sozialen Bereich an ehrenamtlicher Arbeit erbracht wird. Die Wertschöpfung durch ehrenamtliche Arbeit in Deutschland beläuft sich manchen Berechnungen zufolge auf 75 Milliarden Euro im Jahr, eine unvorstellbar große Summe.
Aber das ist gar nicht einmal der Hauptgrund, warum Ihr Beitrag unbezahlbar ist. Gerade weil Sie Ihre Arbeit in der Regel und in jeder Hinsicht frei einbringen, gestalten Sie diese Stadt so, wie Sie sich unser Gemeinwesen vorstellen. Gerade weil niemand bestellt und bezahlt, sondern weil Sie selbst entscheiden, für was und wen Sie sich einsetzen, sind Ihr Einfluss und Ihr Erfolg so groß. Ihre Motivation dabei ist Ihre Überzeugung, und, um ein berühmtes Wort zu zitieren: Es gibt nichts Mächtigeres als Ideen, die überzeugen.
Zugleich vermute ich: Sie könnten sicher auch ohne Ihr Ehrenamt glücklich sein, und es mag durchaus manchmal Momente geben, in denen man denkt: Klei mi ann Mors, macht euren Kram doch alleine! Solche Situationen gibt es für jeden, es läuft für niemanden immer alles rund. Umso großartiger ist es, dass Sie so unbeirrbar weitermachen.
Ich hoffe, dass Sie dabei außerdem eine Menge Spaß haben, dass Sie nette Leute kennenlernen und vor allem, dass Sie selbst sich erfreuen können an dem, was Sie leisten. Ich hoffe auch, dass Sie von den eingangs erwähnten Vorteilen für Ihre Gesundheit profitieren, und dass Ihr Ehrenamt dazu beiträgt, dass Sie ein glückliches und gesundes Leben führen und quietschfidel hundert Jahre alt werden!
Meine Damen und Herren,
die Hamburger Bürger und ihre Vereine haben die Stadt zur Demokratie geführt, und sie haben die Demokratie belebt. Seit mehr als 170 Jahren gehören Ihre Vorgänger und nun Sie zu denen, die nicht nur da sind, wenn es große Schritte zu machen gilt, sondern jeden Tag wieder, wenn die mühsamen kleinen Schritte des Alltags anstehen.
Dafür danke ich Ihnen: im Namen des Senats, der Stadt Hamburg und aller ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Schönen Dank!
Es gilt das gesprochene Wort.