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08.05.2017

Grußwort zum Senatsempfang "300 Jahre Freimaurerei"

 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
sehr geehrter Herr Professor Roth-Kleyer,
sehr geehrter Herr Stuwe,
sehr geehrter Erster Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft,
sehr geehrte Frau Doyenne,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

1717 war ein in vielerlei Hinsicht aufregendes Jahr: Im Großen Nordischen Krieg um die Vorherrschaft im Ostseeraum zeichneten sich die Niederlage Schwedens und der Aufstieg Russlands ab. In England wurde die Pockenimpfung eingeführt und in Preußen die Allgemeine Schulpflicht. An der deutschen Nordseeküste forderte die Weihnachtsflut etwa 11.000 Menschenleben. Am 16. Mai 1717 wurde der 23-jährige Voltaire in der Bastille inhaftiert, weil er ein Spottgedicht auf den französischen Regenten Philippe von Orléans verfasst hatte. 11 Monate wegen Majestätsbeleidigung für den späteren Wortführer der Aufklärung und das Mitglied der Pariser Freimaurerloge Les Neuf Sœurs.

Das Jahr 1717 bewegte sich hin und her zwischen Altem und Neuem: Kant und der spätere Hamburger Freimaurer Lessing waren noch nicht geboren, aber in den europäischen Geisteszentren, allen voran Paris und London, kündigte sich das Zeitalter der Aufklärung längst an. Im Vereinten Königreich war der Kampf gegen den Absolutismus bereits ausgefochten und eine Parlamentarische Monarchie installiert, in Frankreich geriet das Ancien Régime zunehmend in Erklärungsnot. Die Zeit war reif für Veränderungen.

In diese Phase des Übergangs fiel die Gründung der Londoner Großloge am 24. Juni 1717. Sie war ein Signal des Aufbruchs und der bürgerlichen Emanzipation. Hamburg, das schon damals auf eine lange Tradition der Weltoffenheit und Toleranz zurückblicken konnte, war besonders empfänglich für die Ideale der Aufklärung und wie prädestiniert für die Freimaurerei, die diese Ideale aufgriff. Und so überrascht es nicht, dass die erste deutsche Loge 1737 in Hamburg entstand. Sie trug zunächst den französischen Namen Loge d´Hambourg und wurde später in Absalom zu den Drei Nesseln umbenannt.  

Meine Damen und Herren,
300 Jahre Freimaurerei das ist ein stolzer Geburtstag. Er verweist auf 300 Jahre des Ringens um Vernunft, Freiheit, Toleranz und Humanität in Europa und erinnert daran, dass die Errungenschaften unserer liberalen, demokratischen und offenen Gesellschaft immer wieder verteidigt werden müssen.

Es passt gut, dass das Jubiläum der Freimaurer in die Europa-Woche des Hamburger Senats fällt. Europa ist der Kontinent der Aufklärung. In dem europäischen Friedens- und Demokratieprojekt haben die Werte der Aufklärung ihre politische Entsprechung gefunden. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz diese Werte halten Europa auch heute in seinem Innersten zusammen.

Toleranz und Brüderlichkeit vorzuleben und in die Öffentlichkeit zu tragen, das ist eine ganz wichtige Aufgabe der Freimaurer. Deren Relevanz für die Zukunft wird entscheidend davon abhängen, ob es ihnen gelingt, im öffentlichen Diskurs hörbar und überzeugend für die freimaurerischen Grundideale einzutreten. Weltanschaulich unabhängig, aber parteilich für Toleranz und Menschlichkeit, das ist kein Widerspruch, sondern gehört zusammen.

Wir haben in den vergangenen Monaten erfahren  müssen, dass Freiheit und Toleranz auch bei uns keinesfalls für alle Zeiten garantiert sind. Mit Großbritannien wird ein Mutterland der Demokratie die Europäische Union verlassen. Autokraten und Populisten versuchen, das vereinte Europa und die westliche Nachkriegsordnung infrage zu stellen. Das fordert die demokratischen und liberalen Kräfte heraus. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die Populisten in Frankreich nun nach Österreich und den Niederlanden zum dritten Mal in Europa mit dem Versuch gescheitert sind, ein hohes Staatsamt zu erringen. Die Hoffnung, dass es der Europäischen Union jetzt gelingen wird, ihre Aufgaben zu  überdenken und neu zu justieren, ist berechtigt. Die Wahlen in Frankreich sind ein gutes Signal für alle, die sich ein starkes und liberales Europa wünschen.

Meine Damen und Herren,
die Geschichte Hamburgs ist eng mit den Freimaurern verknüpft. Die Liste berühmter Hamburger Logenbrüder ist entsprechend lang: Neben Lessing stehen darauf zum Beispiel der Dichter Friedrich Klopstock und der Philosoph Johann Gottlieb Fichte, der Buchhändler Johann Bode und der Theatermann Friedrich Ludwig Schröder, Carl Hagenbeck und Axel Springer und  die Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth, Heinrich Kellinghusen und Georg Heinrich Sieveking. Wenn Sie nachher das Rathaus verlassen, das ebenfalls von einem Freimaurer erbaut wurde, können Sie unter den 56 Hamburger Persönlichkeiten, die an den Säulen porträtiert sind, 13 Freimaurer entdecken, unter ihnen Gabriel Riesser, der erste jüdische Richter in Deutschland.

Auch an Carl von Ossietzky, den in Hamburg geborenen Friedensnobelpreisträger und Herausgeber der Weltbühne, der im KZ zu Tode geschunden wurde, denken wir an diesem 8. Mai. Der 72. Jahrestag der Befreiung Deutschlands von der nationalsozialistischen Herrschaft erinnert uns daran, wie schwer es auch vielen Freimaurern zunächst fiel, sich eindeutig von den Nationalsozialisten zu distanzieren.

Freimaurerei ist nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges, das im Wesen der Menschen und in der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist, ließ Lessing seinen Falk in den Gesprächen für Freimaurer sagen. Und dieser Satz gilt immer noch. Wir brauchen die Freimaurer als gesellschaftliche Stimme für Toleranz und Menschlichkeit und für ein Europa, in dem diese Werte gelebt werden. Wir brauchen sie als gesellschaftliches Angebot, wo das laute Denken unter Freunden, wie Lessing es nannte, eingeübt und praktiziert werden kann unter Frauen nicht weniger als unter Männern, unter denen, die hier geboren wurden, genauso wie unter denen, die aus aller Welt hinzugezogen sind.

Ich wünsche allen Freimaurern und Freimaurerinnen, dass sie einen guten Weg zwischen Diskretion und Öffentlichkeit finden und dass sie den Mut haben, sich weiterzuentwickeln.

Meinen Glückwunsch zum 300. Geburtstag der Freimaurerei.    

Vielen Dank

 

Es gilt das gesprochene Wort.