arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

25.03.2017

"Ich bin Optimist. Und die sozialdemokratische Partei ist eine optimistische Partei." Interview mit der "Wormser Zeitung"

"Ich bin Optimist. Und die sozialdemokratische Partei ist eine optimistische Partei." Interview mit der "Wormser Zeitung"

 

"Wormser Zeitung": Herr Scholz, Worms ist bekannt als Nibelungenstadt. In der Nibelungensage geht es um Helden, um Politik und um Staatsräson. Gibt es eine Figur, die dem Politiker Olaf Scholz nahekommt? Hagen? Siegfried? Oder König Gunther?

 

Olaf Scholz: Nein, das ist mir zu finster. In der demokratischen Politik geht es außerdem anders zu. Es ist zwar auch spannend, aber weniger schicksalbehaftet. Bei den Nibelungen-Festspielen war ich noch nicht, aber mir ist schon bewusst, dass Worms eine sehr traditionsreiche Stadt ist, die eine Verknüpfung zu Mythen hat.

"Wormser Zeitung": Kanzlerkandidat Martin Schulz war zuletzt hier in Worms. Sie wollten lieber Erster Bürgermeister bleiben, anstatt Kanzlerkandidat zu werden?

 

Olaf Scholz: Es ist etwas Besonderes, der Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg zu sein, zumal Hamburg eine sehr lange Tradition der Eigenstaatlichkeit hat und deshalb noch heute eines der 16 Bundesländer ist.

"Wormser Zeitung": Martin Schulz hat in Worms die Massen begeistert. Er gilt als der Mann fürs Gefühl. Sie gelten eher als ruhiger, nüchterner Typ. Täuscht diese Wahrnehmung?

 

Olaf Scholz: Ich bin so, wie alle mich als Hanseat und als Politiker kennen. Ich setze auf sachliche Argumente. Und nicht wenige finden das auch gut. Jedenfalls sprechen die Wahlergebnisse und die Meinungsumfragen in Hamburg dafür. Ich bin sehr froh darüber, dass wir jetzt mit Martin Schulz  den aussichtsreichen Versuch unternehmen, das Kanzleramt zu erobern. Man sieht an den wesentlich verbesserten Umfragewerten, dass wir das auch wirklich schaffen können. Das ist gut, und zwar nicht nur für die SPD, sondern auch für den demokratischen Wettbewerb in Deutschland.

"Wormser Zeitung": Sie sprechen in Worms über soziale Gerechtigkeit. Was macht soziale Gerechtigkeit für Sie aus?

 

Olaf Scholz: Gerechtigkeit ist ein ganz zentrales Thema demokratischer Politik. Die SPD ist als Partei, die gegründet wurde, um für Gerechtigkeit und Demokratie zu kämpfen, dieser Aufgabe verpflichtet. Wir sprechen darüber, was wir dazu beitragen können, dass jemand, der im Leben alles richtig macht und der sich anstrengt, nicht irgendwann das Gefühl hat, dass all diese Anstrengungen vergeblich gewesen sind. Die meisten Bürger wissen ganz genau, dass es nicht darum geht, dass man zu Reichtum kommt, sondern dass man klarkommen kann. Schwierig wird es, wenn Arbeitnehmer zum Beispiel so wenig verdienen, dass sie trotz Arbeit nicht ohne staatliche Hilfen auskommen. Oder wenn jemand, der nach einem mühseligen Arbeitsleben feststellt, dass die Rente nicht hoch genug ist, um ohne Unterstützung zurechtzukommen.

"Wormser Zeitung": Wichtige Themen sind  dabei für Sie Bildung und Betreuung?

 

Olaf Scholz: Ja, wenn wir zum Beispiel in Rheinland-Pfalz und Hamburg die Gebühren für Kitas im Unterschied zu vielen anderen Ländern zunächst deutlich reduziert und auf Null gesenkt haben, dann ist das ein Beitrag zur Entlastung aller Familien übrigens auch vieler Mittelschichtsfamilien, die jeden Tag rechnen müssen.

"Wormser Zeitung": Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel Hoffnungsland. Eine neue deutsche Wirklichkeit. Um was genau geht es?

 

Olaf Scholz: Es hat sich etwas grundlegend verändert im Verhältnis zwischen Deutschland und der übrigen Welt. Unser Land genießt ein sehr hohes Ansehen. Viele sind beeindruckt von dem im internationalen Vergleich hohen Wohlstand, der hohen Beschäftigungsquote, von Rechts-, Bildungs- und Sozialstaat, Demokratie und Freiheit. Deshalb nimmt die Zahl derjenigen zu, die darüber nachdenken, in Deutschland zu leben. Mit dieser Perspektive müssen wir erst einmal umgehen. Hoffnungsland zu sein ist nicht einfach, sondern des bedeutet, dass man jeden Tag pragmatisch darüber nachdenken muss, wie wir mit den damit verbundenen Herausforderungen umgehen. Europa bietet dafür den unverzichtbaren Handlungsrahmen und deshalb müssen wir uns für die weitere Entwicklung Europas interessieren. Und es geht um die Frage, dass auch für diejenigen, die bereits hier leben, die Lebensperspektiven gut sind.

"Wormser Zeitung": Woher nehmen Sie Zuversicht, dass sich das Hoffnungsland Deutschland gut entwickelt?

 

Olaf Scholz: Ich bin Optimist. Und die sozialdemokratische Partei ist eine optimistische Partei. Die Vorstellung, dass die Zukunft durch demokratische Politik besser werden kann, steckt in unseren Genen. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass man sich den Herausforderungen der heutigen Zeit stellen muss. Und dazu gehören in unserem entwickelten Sozialstaat sicherlich die Umbrüche, die mit der Globalisierung und demnächst noch mehr mit der Digitalisierung verbunden sein werden.

"Wormser Zeitung": Im Wahlkampf ist zuletzt über das Arbeitslosengeld Q gesprochen worden, aber nicht darüber, was passiert, wenn in 20, 30 Jahren die Digitalisierung durchschlägt und vermutlich viele Menschen ihre Arbeit verlieren. Greift die Politk da nicht zu kurz?

 

Olaf Scholz: Seit der Industrialisierung wurde schon so oft vorhergesagt, dass wir in 30 Jahren alle arbeitslos sind. Das ist so nie eingetreten. Damit das auch dieses Mal so ausgeht, müssen wir etwas tun. Ganz wichtig ist Qualifizierung auf allen Ebenen, vor allem aber eine gute Berufsausbildung. Auch dazu passt das Arbeitslosengeld Q. Wir haben einen Fachkräftemangel. Und wenn jemand mit 50 seinen Arbeitsplatz verliert, aber bis zur Rente noch arbeiten könnte, dann kann es sein, dass man ihm eine weitere berufliche Qualifizierung ermöglichen muss. Das ist der Vorschlag, den wir in der heutigen Situation machen.

"Wormser Zeitung": Verzweifeln Sie manchmal angesichts der Weltlage oder bleiben Sie immer guter Hoffnung?

 

Olaf Scholz: Ich verzweifle nicht, aber es gibt gute Gründe dafür, dass die Frage, wie sich die Welt entwickelt, mittlerweile fast jeden von uns interessiert. Der Brexit, die neue Ausrichtung der amerikanischen und der russischen Politik gehen uns alle an. Und eines ist ganz klar: Die Herausforderungen der Zukunft werden wir nur gemeinsam mit den Staaten der Europäischen Union bewältigen.

"Wormser Zeitung": Ein Mammutprojekt haben Sie in Hamburg gestemmt. Die Elbphilharmonie ist eröffnet. Wie toll ist das Konzerthaus?

 

Olaf Scholz: Sie ist großartig! Das Gebäude liegt genau an der richtigen Stelle, es ist ein nahezu traumhafter Ort auf einer Elbinsel. Und die Musik, die dort erklingt, begeistert viele. Die Karten sind oft schnell verkauft.

 

Das Interview führte Claudia Wößner.