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10.02.2018

Interview mit dem Magazin "Der Spiegel"

 

"Der Spiegel": Herr Scholz, der Koalitionsvertrag ist unter Dach und Fach. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die SPD-Mitglieder zustimmen?


Olaf Scholz: Sehr zuversichtlich. Das ist ein guter Vertrag, der vielen Bürgerinnen und Bürgern Vorteile bringt. Ganz wichtig ist, dass wir damit den sozialen Zusammenhalt stärken, für uns als SPD ist dieses Thema wichtig. Deswegen habe ich die Hoffnung, dass unsere Mitglieder am Ende zustimmen werden.

 

"Der Spiegel": Nach den Sondierungen klang das noch ganz anders. Da haben viele Sozialdemokraten geklagt, die SPD habe zu wenig herausgeholt. Was haben Sie erreicht?

 

Olaf Scholz: Das unbefristete Arbeitsverhältnis wird wieder zur Regel. Wir schränken sachgrundlose Befristungen drastisch ein und schaffen endlose Kettenbefristungen ab. Für Beschäftigte und Arbeitgeber soll wieder der gleiche Beitragssatz bei der Krankenversicherung gelten. Das Rückkehrrecht in Vollzeit wurde vereinbart, außerdem der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. In die Zukunft der Bildung wird mit großer Entschiedenheit investiert. Ebenso in die digitale Zukunft. Der Soli fällt für Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen weg, wodurch 90 Prozent aller Steuerzahler entlastet werden. Außerdem kommt die Grundrente. Kurz: Unser Land wird wirtschaftlich stärker und gerechter.

 

"Der Spiegel": In der SPD gibt es Unmut, weil  Martin Schulz angekündigt hat, ins Kabinett zu gehen, obwohl er das einst ausschloss. Ist der Schritt vermittelbar?

 

Olaf Scholz: Martin Schulz hat sich jetzt zu seiner persönlichen Zukunft geäußert, weil das viele von ihm erwartet haben. Er will Außenminister werden. Und es steht außer Frage, dass er das kann.

 

"Der Spiegel": Könnte das Thema Wortbruch manche Sozialdemokraten dazu verleiten, gegen den Koalitionsvertrag zustimmen?

 

Olaf Scholz: Das glaube ich nicht. Es geht jetzt um die Inhalte des Koalitionsvertrages und darum, was eine solche Regierung für unser Land und Europa erreichen kann.

 

"Der Spiegel": Andrea Nahles soll künftig die SPD führen. Viele Sozialdemokraten finden, dass sie trotz ihrer 47 Jahre schon zu sehr zum Establishment der Partei gehört. Steht Nahles wirklich für eine Erneuerung?

 

Olaf Scholz: Natürlich. Andrea Nahles ist eine kämpferische und dynamische Frau. Sie ist genau die richtige, um die Erneuerung der SPD voranzutreiben. Viele in unserer Partei setzen ihre Hoffnungen auf sie. Ich auch.

 

"Der Spiegel": Sie gelten als Vertrauter der designierten Parteichefin, obwohl sie von unterschiedlichen Flügeln kommen. Nahles vom linken, Sie vom pragmatischen. Das klappt trotzdem?

 

Olaf Scholz: Ich halte von diesem Flügeldenken nichts. Die SPD wird gebraucht. Wir müssen sie jetzt gemeinsam aufrichten, um wieder Wahlergebnisse oberhalb der 30 Prozent zu erreichen da braucht es jede und jeden. Andrea Nahles und ich kennen uns schon sehr lange, wir sind 1998 gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingezogen. Thematisch haben wir uns damals beide mit der Arbeits- und Sozialpolitik beschäftigt. Die Leidenschaft dafür teilen wir bis heute.

 

"Der Spiegel": Die SPD soll künftig das Finanzministerium besetzen. Ist die schwarze Null, auf die Wolfgang Schäuble immer pochte, auch für Ihre Partei unantastbar?

 

Olaf Scholz: Ja, das gilt auch für uns. Die Sozialdemokraten stehen für solide Finanzen. Mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik steigen auch die finanziellen Spielräume.

 

"Der Spiegel": Im Koalitionsvertrag sind rund 46 Milliarden Euro Spielraum vorgesehen. Die Ausgabenwünsche liegen aber deutlich höher. Wie wollen Sie damit umgehen?

 

Olaf Scholz: Viele Vorhaben werden aus dem normalen Haushalt finanziert, dafür stehen in den nächsten vier Jahren im Bundeshaushalt 1,4 Billionen Euro zur Verfügung. Das ist sehr viel Geld. Ansonsten sind wir auf zusätzliches Wachstum und daraus entspringende Steuermehreinnahmen angewiesen. Bei allen zusätzlichen Wünschen müssen wir genau schauen, was wir uns leisten können und was nicht. Für mich ist wichtig, dass wir Spielräume auch nutzen, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Also mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, für den Einstieg in gebührenfreie Kitas oder den Ganztagsschulausbau. Das sind große Aufgaben. Unser Land profitiert, wenn wir sie bewältigen.

 

"Der Spiegel": Martin Schulz hat angekündigt, sich in der Europapolitik von Schäubles Spardiktat zu verabschieden. Was heißt das konkret?

 

Olaf Scholz: Zwei Dinge sind wichtig: Wir wollen anderen europäischen Staaten nicht vorschreiben, wie sie sich zu entwickeln haben. Da sind in der Vergangenheit sicherlich Fehler gemacht worden. Und wir müssen uns um die Frage kümmern, wie wir mit den Folgen des Brexit umgehen. Das ist eine Riesenaufgabe für uns.

 

"Der Spiegel": Durch den Brexit fehlen im Brüsseler Haushalt in Zukunft mehrere Milliarden jährlich. Soll allein Deutschland diese Lücke füllen?

 

Olaf Scholz: Ganz sicher nicht alleine. Ich kenne niemanden, der das hierzulande für eine richtige Idee hielte. Aber natürlich werden wir uns maßgeblich beteiligen müssen und das wird eine Herausforderung

 

Das Interview erschien am 10. Februar 2018 im Magazin "Der Spiegel".