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03.01.2016

Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa) zur Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern

 

dpa: Erst ging Jahre nichts vorwärts bei den Verhandlungen, Bayern und Hessen zogen sogar vor das Bundesverfassungsgericht. Doch dann ging es plötzlich überraschend schnell. Was ist passiert?

Olaf Scholz: In der Tat haben nicht viele Beobachter damit gerechnet, dass es noch 2015 zu einer Einigung kommen würde. Die Verhandlungen wurden ja schon über einen längeren Zeitraum geführt. Ich habe in zahlreichen Gesprächen mit den Vertretern der Bundesregierung, mit den Ministerpräsidenten, in der Ministerpräsidentenkonferenz, dann mit den ostdeutschen Länderchefs und schließlich Anfang Dezember mit denen von der CDU die Möglichkeiten für einen Konsens ausgelotet. Das waren gefühlt hundert Stunden Verhandlungszeit. Je näher die Einigung rückte, umso größer wurde die Bereitschaft zum Kompromiss. Das hat am Ende geholfen. Geholfen hat auch, dass alle wesentlichen Ziele erreicht wurden.

dpa: Und die wären?

Olaf Scholz: Die ostdeutschen Länder, die heute noch von dem 2019 auslaufenden Solidarpakt profitieren, erhalten dauerhaft eine neue bundesweit geltende, aber nach heutigem Stand fast nur in Ostdeutschland greifende Bundesergänzungszuweisung für unterdurchschnittliche kommunale Finanzkraft. Saarland und Bremen erhalten zur Bedienung ihrer hohen Schulden weiter Finanzhilfen.

Nordrhein-Westfalen wird jetzt auch sichtbar "Zahlerland". Damit werden die Solidaritätsverpflichtungen von fünf Ländern getragen, in denen knapp die Hälfte der deutschen Bevölkerung lebt. Alle westdeutschen Flächenländer bewegen sich in etwa auf ähnlichem Niveau. Und die drei großen Zahlerländer Hessen, Bayern und Baden-Württemberg stehen nun besser da als zuvor. Außerdem wird der engere Länderfinanzausgleich durch ein System von Zu- und Abschlägen bei der Umsatzsteuer ersetzt. Das erhöht dauerhaft die Legitimation der Solidarität im Länderverbund.

dpa: Die Länder sind sich ja nun einig. Nun fehlt noch das Ja des Bundes. Was erwarten Sie als Verhandlungsführer der Länder vom Bund und dabei speziell von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)?

Olaf Scholz: Der Bund hat bereits früh signalisiert, seinen Teil zur Lösung im Rahmen der Neuregelung beizutragen. Wir haben bereits bei den Koalitionsverhandlungen 2013 festgelegt, dass es eine substanzielle Beteiligung des Bundes geben wird nicht die genaue Höhe, aber im Grundsatz. Die Größenordnung, die wir jetzt benannt haben, bewegt sich etwa auf der Höhe dessen, was auch 2014 vom Bund geleistet wurde. Ich glaube, dass es im deutschen Föderalismus ein starkes Argument ist, dass sich die 16 Länder einig geworden sind.

Die Länder müssen in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen. Das ist das gemeinsame Interesse von Bund und Ländern.

dpa: Bis wann könnte Ihrer Meinung nach eine Einigung stehen und bis wann muss sie tatsächlich spätestens gefunden sein? Die Landtagswahlen 2016 sind wegen der Ländereinigung nun ja kein Problem mehr. Doch schon 2017 steht eine Bundestagswahl an.

Olaf Scholz: Wir werden die Verhandlungen mit dem Bund im neuen Jahr fortsetzen, im ersten Quartal 2016 könnten Ergebnisse feststehen. Es ist klar, dass wir es in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, also bis 2017, schaffen müssen, das gesamte Gesetzespaket zustande zu bekommen und die notwendigen Verfassungsänderungen zu beschließen. In dem ganzen Prozess haben wir etwa drei Viertel der Wegstrecke zurückgelegt. Wir sind jetzt so weit gekommen, dass man mehr als optimistisch sein kann.

dpa: Gibt es noch Verhandlungsspielraum mit dem Bund, oder ist der Länderkompromiss schon das letzte Angebot? Schließlich wurde ja von Länderseite schon erklärt, dass das System nur funktionieren kann, wenn der Bund die Kosten vollständig übernimmt also nicht nur die 2014 zugesagten jährlichen 8,5 Milliarden Euro, sondern die von den Ländern auf 2019 hochgerechneten Kosten von knapp 9,7 Milliarden.

Olaf Scholz: Die Einigung der Länder war nur möglich, weil der Bund bereits angekündigt hat, großzügig sein zu wollen. Das muss man anerkennend feststellen. Die Summe, über die wir zuletzt diskutiert haben aus meiner Sicht immer kalkuliert in den Werten von 2014, was Steuern und Wirtschaftskraft betrifft waren 8,5 Milliarden Euro.
Auf Basis der vermuteten wirtschaftlichen Entwicklung und Steuerkraft Ende dieses Jahrzehnts entspricht das etwa dem Volumen der unter den Ländern gefundenen Verständigung. Der Bund zahlt momentan Entflechtungsmittel, das sind etwas mehr als zwei Milliarden Euro, die 2019 entfallen. Diese Summe ist auch Bestandteil der Rechnung im neuen System. Außerdem zahlt er gegenwärtig sechs Milliarden Euro Bundesergänzungszuweisungen aus den Solidarpaktmitteln an die ostdeutschen Länder. Unsere Vorstellungen bewegen sich also innerhalb des Gestaltungsrahmens, den der Bund hat.


dpa: Für den Fall, dass es doch keine rasche Einigung gibt: Wie geht es dann weiter? Könnte man die geltenden Regelungen vorübergehend weiterlaufen lassen, um dann nach der Bundestagswahl einen neuen Anlauf zu unternehmen?

Olaf Scholz: Wir haben noch Arbeit vor uns, ganz klar. Aber die Einigung der Länder ist eine gute Basis für die weiteren Gespräche. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns auch mit dem Bund einigen.

 

Das Interview führte Markus Klemm.