Herr Scholz, Sie sind Anwalt wie Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust. Denken Sie manchmal daran, der Politik Tschüss zu sagen?
Nein, ich bin gern Politiker. Ich bin aber auch froh, dass ich viele Jahre als Anwalt gearbeitet habe. Und wenn mich jemand fragt, was ich von Beruf bin, dann sage ich: Anwalt, nicht Politiker. Ich finde aber auch: Ein Amt, das man übernommen hat, sollte man ausfüllen.
Können Sie sich nicht vorstellen, mal längere Zeit auf Sylt auszuspannen?
Ich habe schon öfter auf Sylt Urlaub gemacht, eine wunderschöne Insel. Aber in diesem Jahr fahre ich in die Berge nach Südtirol.
Was ist der Grund dafür, dass Ole von Beust zurücktritt?
Ich weiß es nicht. Für die Wähler war es jedenfalls eine überraschende Wendung, denn Herr von Beust ist ja nicht im Rentenalter. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben bei der letzten Wahl die CDU wegen des Bürgermeisters gewählt, nicht wegen der Partei. Und die fühlen sich nun düpiert. Auch die Grünen konnten nicht ahnen, dass ihnen der Bürgermeister abhanden kommen wird.
Das klingt nach einem Vorwurf. Ist es nicht begrüßenswert, wenn Politiker nicht an ihrem Stuhl kleben?
Ich respektiere die Entscheidung von Herrn von Beust. Natürlich ist es gut, wenn Politiker nicht wider aller Vernunft an ihren Ämtern festhalten. Aber wer für eine ganze Legislaturperiode kandidiert, muss dazu stehen.
Schwarz-Grün will ja, wie vorgesehen, weiter regieren. Sie aber fordern eine vorgezogene Wahl. Warum?
Ich möchte nicht, dass der neue Bürgermeister in einem Hinterzimmer ausgekungelt wird.
Wieso Hinterzimmer? Es ist doch lange klar, dass es Innensenator Christoph Ahlhaus werden soll. Sie waren auch mal Innensenator. Vielleicht ist er ja eine verwandte Seele.
Das glaube ich nicht. Die Bilanz von Herrn Ahlhaus als Senator ist schlecht. In Hamburg brennen Autos, es werden Polizisten angegriffen, es gibt eskalierende Gewalt unter Jugendlichen. Diese Gewalt bedroht viele und erschreckt die ganze Stadt. Auch mich persönlich erschreckt sie.
Herr Ahlhaus ist Ihnen nicht scharf genug?
Ach was, das ist Ihre Formulierung. Als Innensenator hat er die Lage nicht im Griff.
Sie haben im vergangenen Herbst die Führung einer zerstrittenen SPD in Hamburg übernommen. Vom Stimmzettel-Klau bei Parteiwahlen über getürkte Kandidatenaufstellungen bis zur Scheinehe-Vermittlung eines Pressesprechers hat es einen Skandal nach dem anderen gegeben. Wie soll die Partei wieder stark werden?
Die SPD in Hamburg ist schon wieder stark. In der jüngsten Umfrage kommt sie auf 41 Prozent. Ich habe den Parteivorsitz übernommen unter der Maßgabe, dass die Partei geschlossen agiert. Das haben mir alle Kreisvorsitzenden persönlich versprochen.
Ist der Rückenwind für die SPD nicht allein der Schwäche der anderen geschuldet?
Nicht allein, aber natürlich auch. Die Bilanz der CDU fällt nach neun Jahren schwach aus. Wir haben in Hamburg die wirtschaftsfeindlichste Regierung seit 1946. Die Haushaltslage ist dramatisch, weil man das Geld für große Projekte hinausgeworfen hat. Ich befürchte, dass eine Fortsetzung von Schwarz-Grün bis 2012 eine quälende Veranstaltung würde.
Die Grünen sind im Bund so stark wie nie. Wird die SPD in Zukunft mehr um grüne Stimmen werben, wie es Parteichef Gabriel schon gefordert hat?
Die SPD steht im Wettbewerb mit allen Parteien, auch mit denjenigen, mit denen sie große Schnittmengen hat. Die Grünen sind eine eigenständige Partei, sie sind nicht Fleisch vom Fleische der SPD. Das, was wir dürfen, dürfen sie auch: mit der CDU Koalitionen eingehen. Man muss aber auch feststellen: was Mentalität und Einstellung zur Welt angeht, da haben die SPD und die Grünen die größten Gemeinsamkeiten. Darum wird es auch in Hamburg eine rot-grüne Regierung geben können, wenn bei der Wahl in zwei Jahren die Mehrheit dafür da ist. In Meinungsumfragen ist das schon heute der Fall.
Wenn es für Rot-Grün bei der Wahl in zwei Jahren in Hamburg nicht reicht - nehmen Sie dann die Linkspartei ins Regierungsboot?
Das wird nicht nötig sein. Auch wenn meine Parteifreunde mir sagen, dass die Partei Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft ganz ordentliche Arbeit macht.
Sie waren bisher ein entschiedener Gegner der Linkspartei, jetzt äußern Sie sich wohlwollend. Warum der Schmusekurs?
Man muss ja gegenüber der Partei Die Linke nicht unbedingt ungerecht werden. Zu kritisieren gibt es genug, siehe das Vorgehen der Partei Die Linke bei der Bundespräsidentenwahl.
Sind Sie nicht ein bisschen zu selbstbewusst? Immerhin hat sich auch Ihre Partei für die Schulreform ausgesprochen, so wie Union und Grüne der Volksentscheid ist also auch eine Niederlage für die SPD. Wissen Sie nicht mehr, was die Bürger wollen?
Nein. Am Anfang hatten wir der Reform nicht zugestimmt, weil sie sehr überheblich ins Werk gesetzt worden war. Dass Eltern wie bisher bestimmen dürfen, auf welche weiterführende Schule ihr Kind gehen wird, ist uns zu verdanken. Wir haben zudem durchgesetzt, dass man an den beiden verbleibenden weiterführenden Schulformen, dem Gymnasium und der Stadtteilschule, Abitur machen kann. Und wir haben kleinere Klassen in der Grundschule rechtlich verbindlich gemacht. Nach diesen Verbesserungen waren wir bereit, die Reform mitzutragen.
Aber für längeres gemeinsames Lernen waren auch Sie, nur wird es dazu jetzt nicht mehr kommen.
Man muss den Willen der Bürger ernst nehmen. Ich bin sehr dafür, dass Volksentscheide verbindlich sind, und würde es begrüßen, wenn es sie auch im Bund gäbe. Dass sie parlamentarische Entscheidungen korrigieren, ist normal, darum besteht jetzt kein Grund zur Aufregung. Ohne uns wäre das Ergebnis in Hamburg aber noch viel schlechter ausgefallen.
Hamburger Bürgermeister, auch die von der SPD, hatten immer etwas Mondänes, Arbeiteraristokratisches: Helmut Schmidt, Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau. Können Sie da mithalten?
Die Hamburger sind offenbar der Ansicht, dass ich eine ganz gute Arbeit mache, das zeigen die Umfragen. Und die Frage, wer Spitzenkandidat der SPD wird, entscheiden wir zu gegebener Zeit.
Diese Frage haben wir aber gar nicht gestellt.
So, so.
Das Interview führten Oliver Hoischen und Markus Wehner. Sie finden das Interview auch auf der Homepage der FAZ.