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05.07.2017

Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ)

 

NOZ: Herr Bürgermeister, kurz vor dem G20-Gipfel: Freuen Sie sich auf das Ereignis, oder machen Sie drei Kreuze, wenn’s vorbei ist?


Olaf Scholz: Im Gegenteil: Ich finde es gut, dass es den Gipfel gibt. Es gibt einiges über die weitere Entwicklung der Welt und über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu besprechen. Und es ist gut, wenn so ein Treffen in einem demokratischen Land wie Deutschland stattfindet. Und erst recht in einer so weltoffenen Stadt wie Hamburg.

NOZ: Sie haben für Erstaunen gesorgt, als Sie den G20-Gipfel mit dem Hafengeburtstag verglichen haben ...

 

Olaf Scholz: Ich habe mich darauf bezogen, dass es auch im Zusammenhang mit anderen größeren Ereignissen in Hamburg zu Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt kommt. Damit haben wir hier Erfahrung. Beim Hafengeburtstag fahre ich immer mit der S-Bahn ins Rathaus, weil ich sonst nicht durchkomme.

NOZ: Hätten Sie die Gastgeberrolle für den Gipfel nicht ablehnen können?

 

Olaf Scholz: Wieso hätte ich das tun sollen? In der Hamburger Verfassung steht, dass wir als Hafenstadt Mittlerin für den Frieden zwischen den Völkern sein wollen. Es wäre eine merkwürdige Haltung, die Ausrichtung eines solchen Gipfels abzulehnen. Es muss möglich sein, ein solches Treffen in Berlin, Hamburg oder München durchzuführen. Das sind die drei Städte in Deutschland, die groß genug sind, um Tausende Delegationsteilnehmer, knapp 5000 Journalisten und die nötigen Sicherheitskräfte aufzunehmen. Vorschläge, das auf Helgoland oder in der Lüneburger Heide zu machen, sind nicht ganz zu Ende gedacht, um es höflich auszudrücken.

NOZ: Es wird eine 38 Quadratkilometer große Demonstrationsverbotszone geben. Wenn Protest der Menschen die Politiker nicht erreicht, ist das nicht eine Aushöhlung des Rechts auf Demonstration?

 

Olaf Scholz: Wir haben fast 30 genehmigte Demonstrationen und Kundgebungen, auch in der Innenstadt. Die Polizei sorgt dafür, dass solche friedlichen Versammlungen stattfinden können. Was nicht stattfinden darf, ist eine Gefährdung der Gipfelteilnehmer und Gewalt. Es ist bedauerlich, dass einige Demonstrationsaufrufe keine Distanzierung von Gewalt beinhalten.

NOZ: Was hätte eigentlich der Juso Olaf Scholz zu den Einschränkungen des Demonstrationsrechts gesagt?

 

Olaf Scholz: Gewalt ist kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Ich habe mich schon als junger Sozialdemokrat mit denjenigen gestritten, die nicht bereit waren, für ausschließlich friedliche Kundgebungen zu werben. Wer sagt: Wir lassen uns nicht spalten, deshalb distanzieren wir uns nicht von Gewalt, sollte es mir nachsehen, dass ich nicht naiv genug bin zu übersehen, dass da Schlimmeres geplant ist.

NOZ: Beobachtet die Polizei bekannte Gefährder gezielt?

 

Olaf Scholz: Die Sicherheitsbehörden tun alles, um zu gewährleisten, dass keine Straftaten verübt werden können. Vielleicht ist es auch noch einmal wichtig sich klarzumachen: Von den Gipfelteilnehmern geht keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit aus. Und auch nicht von den allermeisten Kundgebungsteilnehmern. Es geht um eine kleine Minderheit von Gefährdern, und derentwegen betreiben wir einen sehr großen Aufwand.

NOZ: Können Sie Wut und Ärger gerade junger Menschen über den Zustand der Welt verstehen? Und deren Wunsch, den verantwortlichen Politikern mal richtig die Meinung zu sagen?

 

Olaf Scholz: Unbedingt. Das soll auch möglich sein und findet auch statt. Es ist richtig und notwendig, dass eine kritische Weltöffentlichkeit Forderungen an Politiker stellt; auf friedlichen Versammlungen natürlich.

NOZ: Was sind aus Ihrer Sicht die großen Themen von G20 in Hamburg?

 

Olaf Scholz: Die Welt hat große Probleme: Fallen wir zurück in eine Phase des Protektionismus, die Wohlstandsverluste in vielen Ländern mit sich bringen würde? Wie können wir einen fairen Handel in der Welt organisieren? Was können wir dagegen tun, dass die Steuergrundlagen der Staaten gefährdet werden, weil einige Unternehmen ihre Gewinne dorthin verlagern, wo sie gar nicht oder sehr wenig besteuert werden? Wie können wir gegen große Gesundheitsrisiken und Epidemien vorgehen, insbesondere in armen Ländern? Was können wir tun, um den menschengemachten Klimawandel zu begrenzen? Wie nehmen wir unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber der Fluchtmigration wahr? Und für uns Europäer ganz wichtig: Wie können wir in Afrika eine eigenständige und bessere Entwicklung ermöglichen? Es ist ein großer Skandal, dass aktuell in Afrika großer Hunger durch eine verheerende Dürre herrscht, es die Weltgemeinschaft aber nicht schafft, die wenigen Milliarden Euro aufzubringen, um wirksam zu helfen. All das muss in Hamburg beraten werden.

NOZ: Angesichts dieser Liste: Wird die Welt nach den Tagen von Hamburg eine bessere, friedlichere und gerechtere sein?

 

Olaf Scholz: Die Befürchtung, dass keine großen Fortschritte bei vielen dieser wichtigen Themen erreicht werden können, ist plausibel. Aber gerade das spricht für die Notwendigkeit des Treffens, nicht dagegen.

NOZ: Wie fühlt es sich an, als Hamburgs Bürgermeister beim Gipfel zwar Gastgeber, aber nicht Teilnehmer zu sein?

 

Olaf Scholz: Die Bundesregierung hat die anderen Staaten eingeladen und ist damit auch die Gastgeberin. Wir helfen dabei, dass alles gut funktioniert und ich treffe eine Reihe der Staats- und Regierungschefs, auch auf bilateraler Ebene.

NOZ: Wenn Sie Gelegenheit hätten, mit Donald Trump zu sprechen, was würden Sie ihm sagen?

 

Olaf Scholz: Aus meiner Sicht ist es ganz zentral zu verstehen, dass die Welt nur im Miteinander funktioniert, und dass es keine gute Perspektive ist, immer nur das eigene Land in den Vordergrund zu stellen. Ich würde deshalb sehr dafür werben, dass man immer auch die anderen Länder mit im Blick behält, denn gute und dauerhafte Lösungen müssen immer für alle funktionieren. Im Übrigen sollten wir nicht vergessen, dass wir große Gemeinsamkeiten mit der nordamerikanischen Demokratie haben. Wir haben den USA viel zu verdanken in Bezug auf die demokratische Entwicklung im Nachkriegsdeutschland.

NOZ: Was würden Sie Wladimir Putin sagen?

 

Olaf Scholz: Für mich ist wichtig, dass in den internationalen Beziehungen das Recht im Vordergrund steht. Die Veränderung von Grenzen, etwa durch die Annexion der Krim und den Krieg in der Ukraine, stellen eine Bedrohung des Rechts der Völker dar. Das ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich. Alle sollten sich wieder darauf verständigen, dass Grenzen nicht verschoben werden dürfen und dass man den anderen nicht angreift. Im Übrigen wünsche ich mir, dass Russland eine positive Vorstellung von der weiteren Entwicklung der Europäischen Union hat und die EU als Nachbarn, nicht als Problem begreift.

NOZ: So kurz vor dem Gipfel und angesichts der befürchteten Ausschreitungen bitte ein Blick ins Seelenleben des Bürgermeisters. Schlafen Sie noch ruhig?

 

Olaf Scholz: Ich schlafe ruhig. Wir haben uns gut vorbereitet und ich bin sicher, dass wir uns auf diejenigen verlassen können, die für die Sicherheit verantwortlich sind. Wir haben gute Polizistinnen und Polizisten, das sind tolle Leute

 

Das Interview führten Barbara Glosemeyer, Markus Lorenz, Burkhard Ewert am 29. Juni 2017.