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18.06.2015

Keynote: Nacht der Personaler des Bundesverbandes der Personalmanager

Keynote: Nacht der Personaler des Bundesverbandes der Personalmanager

 

Sehr geehrte Frau Dr. Eller,
sehr geehrter Herr Sauer,
sehr geehrte Mitglieder des Bundesverbandes der Personalmanager,
meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie ganz herzlich hier im Friedrichstadt-Palast. Ich bin sicher, Sie werden von diesem Personalmanagementkongress mit viel neuem Wissen, neuen Impulsen und neuen Kontakten nachhause fahren, aber genauso hoffe ich, Sie haben unsere schöne Hauptstadt ein bisschen erleben und genießen können.

Als Hamburger Bürgermeister darf ich trotzdem sagen: Berlin ist mir in den vielen Jahren, die ich hier tätig war, natürlich fast eine zweite Heimat geworden. Ich war hier als Abgeordneter des Deutschen Bundestages, aber auch als Bundesarbeitsminister; darauf werde ich gleich noch einmal zurückkommen, und zwar ganz unsentimental. Erstmal freue ich mich, dass ich hier sein darf.

Ganz kommen wir gedanklich an Hamburg nicht vorbei heute Abend, weil ich mit Ihnen über einige Entwicklungen rund um das Thema Gute Arbeit sprechen möchte, und Sie werden mir verzeihen, wenn ich das am Beispiel meiner ersten Heimatstadt tun will.
 
Wir sind in Hamburg ein bisschen vom Schicksal begünstigt. Oder sagen wir, vom Glück des Tüchtigen. Nicht nur, weil auch unsere Stadt schön ist, sondern weil die Hamburger Kombination von Lebensqualität und wirtschaftlicher Stärke dafür sorgt, dass wir von einer Entwicklung bisher noch nicht betroffen waren, von der ich weiß, dass Sie Ihnen einiges abverlangt.

In Hamburg, und in einigen anderen großen Städten, wie zum Beispiel auch hier in Berlin,  wächst die Zahl der erwerbsfähigen Bürgerinnen und Bürger immer noch an, während sie im Bundesgebiet insgesamt schon seit dem Jahr 2008 zurückgeht. Warum ist das so? Natürlich liegt der Unterschied auch daran, dass viele von anderswoher in die Städte ziehen und dort arbeiten wollen. Im Jahr 2013 kamen etwa 10.000 Männer und Frauen aus anderen Bundesländern nach Hamburg oder in die Metropolregion, aus dem Ausland kamen sogar 18.000 neue Hamburgerinnen und Hamburger hinzu. Hier befeuert die gute wirtschaftliche Lage der Stadt den Zuzug, und der Zuzug qualifizierter Kräfte befeuert wiederum die Wirtschaft.

Man könnte sagen, wir und einige andere Städte lebten auf einer Inselgruppe der Glückseligen wüsste man nicht, dass aller Voraussicht nach in wenigen Jahren damit Schluss ist. Ab dem Jahr 2020 wird sich den Voraussagen der Experten nach auch in Hamburg die Zahl der Erwerbsfähigen negativ entwickeln; das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Älteren, also zu denen, die eine Rente beziehen, wird sich weiter verschlechtern, so dass die aktiv Beschäftigten zukünftig immer mehr Ältere zu finanzieren haben werden. Auf lange Sicht wird die allgemeine Entwicklung, was das betrifft, trotz weiteren Wachstums der Einwohnerzahl in den betreffenden Städten auch nicht mehr günstiger sein als überall sonst in Deutschland.

Lediglich für Berlin wird, wohl aufgrund noch immer stattfindender Normalisierungsprozesse nach der Teilung, die Zahl der erwerbsfähigen Bevölkerung bis 2030 nicht abnehmen, sondern mit minus 0,2 Prozent nahezu konstant bleiben. Allerdings wird bis 2030 auch in der Hauptstadt die Zahl der Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren um sechs Prozent abnehmen, was darauf hindeutet, dass Berlin bezüglich der negativen Bevölkerungstrends gegenüber anderen Ballungszentren nur phasenverschoben ist.

Schon heute wissen wir in Hamburg aus dem Fachkräftemonitor der Handelskammer und aus den Engpassanalysen der Bundesagentur für Arbeit, dass in manchen Bereichen Fachkräfte knapp werden, zum Beispiel bei der Pflege von Alten und Kranken, im Sanitärhandwerk und auch in den viel zitierten MINT-Berufen, wo ja keine englischen Saucen zubereitet werden, sondern es um Wichtiges wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Ingenieure geht.

Es mag paradox klingen, aber als Politiker sind wir heute in der Situation, dass wir auf der einen Seite mit viel Energie, möglichst klugen Ideen und enger Kooperation immer mehr Arbeitsplätze generieren müssen und wollen, auf der anderen Seite jedoch langsam aber stetig Arbeitskräfte verlieren. Diese Parallelen werden sich, wo ich schon von Mathematik rede, im Unendlichen keineswegs schneiden, sondern sie werden weiter auseinander streben. Sie einigermaßen beieinander zu halten, wird eine unserer wichtigsten Aufgaben sein.

In Hamburg haben wir deswegen das Fachkräftenetzwerk ins Leben gerufen der offizielle Name ist Aktionsbündnis für Bildung und Beschäftigung Hamburg damit wir als Senat mit allen, die es angeht, an einem Strang ziehen, das heißt den Kammern, Unternehmensverbänden, Gewerkschaften, der Arbeitsagentur, den Hamburger Fachbehörden, der Jugendberufsagentur und natürlich den Unternehmen.

Ich muss wahrscheinlich nicht gesondert erwähnen, welche wichtige Rolle Ihnen als Personalern dabei zukommt, aber ich möchte einen Punkt doch hervorheben: Die Rolle, die Sie dabei spielen, Junge wie Ältere entsprechend ihren Potenzialen zu fordern und einzusetzen, ihre Entwicklung durch ihre gesamte Arbeitsbiografie hindurch optimal zu fördern und sie dabei auch noch ich sag es mal salopp gesund und glücklich zu halten, ist eine wichtige Aufgabe innerhalb Ihrer Unternehmen.

Aber sie ist auch enorm wichtig für unsere Gesellschaft insgesamt, sogar weit über die reinen wirtschaftlichen Zahlen hinaus. Nur ein paar Beispiele:

Die Potenziale für die Arbeitskräfte von morgen, die noch nicht erschlossen sind, liegen vor allem bei den Frauen, den älteren Erwerbsfähigen sowie bei Migrantinnen und Migranten. Wenn wir auf die älteren Beschäftigten schauen, dann sehen wir, dass im Zeitraum 2003 bis 2014 in Hamburg laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit die Beschäftigungsquote 50- bis 54-Jähriger von 51,5 Prozent auf etwas über 60 Prozent zugenommen hat. Sie liegt damit nicht mehr weit von den 25- bis 50-Jährigen entfernt. Die Beschäftigungsquote 60- bis 64-Jähriger liegt hingegen noch immer nur bei etwa 35 Prozent.

Auf der einen Seite wissen wir und haben es ja auch schon in Gesetze gefasst , dass wir in Zukunft länger werden arbeiten müssen, um uns den demografischen Entwicklungen anzupassen. Die Zahlen zeigen aber, dass uns das noch nicht in letzter Konsequenz gelingt. Wir können und wollen da besser sein.

Meine Damen und Herren,
Sie kennen aus Ihrer täglichen beruflichen Praxis sicher alle möglichen Gründe, warum es so ist, dass sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem Erreichen des offiziellen Rentenalters in den Ruhestand verabschieden müssen oder wollen. Und ich weiß, dass Sie Ihren Teil dazu tun, Mitarbeiter mit wertvoller Erfahrung möglichst lange fachlich und körperlich fit in Ihren Unternehmen zu halten. Dazu gehören die Weiterbildung, die Gesundheitsvorsorge in Unternehmen, die Stressprävention, und wenn mich mein Eindruck nicht täuscht, geht eine klare Entwicklung dahin, dass erfolgreiche Unternehmen ihre Mitarbeiter umfassender wahrnehmen und ihnen auch Leistungen anbieten.

Ich habe als Bundesarbeitsminister während der turbulenten Zeit der Weltfinanzkrise dafür gesorgt, dass wir das Kurzarbeitergeld verlängert haben, auch weil vollkommen klar war, welche Menge an betrieblichem und fachlichem Know-how und Erfahrung unserer gesamten Wirtschaft verloren gegangen wären, wenn die Betriebe damals nicht diese Möglichkeit bekommen hätten, ihre Facharbeiter als Angestellte zu behalten. Das betraf natürlich längst nicht nur die älteren Angestellten, aber Sie verstehen, was ich damit sagen will: Erfahrung lässt sich nicht kaufen. Doch sie lässt sich erhalten, wenn man das Richtige dafür tut, in den Unternehmen und in der Politik.

Im Lager der Frauen hat sich etwas getan, aber wenn Sie mich fragen, dann sind wir auch da noch nicht weit genug. Hamburg hat das Gesetz über eine Frauenquote in Aufsichtsräten im Bundesrat auf den Weg gebracht, aber das wird nur begrenzte Wirkung haben. Die Realität ist die, dass, je höher Sie in der Hierarchie eines Unternehmens aufsteigen, Sie umso weniger Frauen antreffen; und je weniger Frauen auf einer Hierarchieebene sind, desto unwahrscheinlicher wird es, dass eine der wenigen von dort auf die nächsthöhere Ebene befördert wird.

Das ist auch in Hamburg nicht anders. Die Erwerbstätigenquote bei den Männern lag hier 2013 bei 77 Prozent, bei den Frauen sind es nur 71. Das ist schon ein Fortschritt, denn 2005 lagen die beiden Quoten noch gut zehn Prozentpunkte auseinander. Aber der Fortschritt ist zu langsam. Wir müssen besser werden und ich zähle da auf Ihre Expertise.

Welchen großen direkten Einfluss Sie als Personalmanager auf die Gesellschaft haben, zeigt sich vielleicht am deutlichsten an dem, was Arbeitsbiografien für die Integration von Zugewanderten leisten. Viele Städterinnen und Städter haben Wurzeln im Ausland, wie man es früher nannte. Seit Beginn des europäischen Binnenmarktes verliert der Begriff an Bedeutung; dennoch ist die Erwerbstätigenquote der Eingewanderten geringer als die der so genannten Stammbevölkerung. Es sind sogar fast zehn Prozentpunkte Unterschied, nämlich gut 64 zu knapp 74 Prozent.

Da liegt also noch Potenzial begraben, nicht nur um dem Facharbeitermangel zu begegnen. Auch und erst recht halte ich eine erfolgreiche Integration in die Arbeitswelt für die beste Voraussetzung einer Integration in die Gesellschaft.


Der Hamburger Senat  unternimmt in Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, der Handelskammer und der Handwerkskammer eine Vielzahl von Anstrengungen, die Erwerbsbeteiligung zu erhöhen und damit den Fachkräftebedarf zu sichern. In diesem Jahr wird zum Beispiel eine Anlaufstelle eingerichtet mit dem langen, aber dafür selbsterklärenden Namen Psychische Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit erhalten und fördern. Dort werden psychisch belasteten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch ihren Arbeitgebern, Möglichkeiten vermittelt, Belastungssituationen zu entschärfen und so möglichst zu vermeiden, dass jemand aus solchen Gründen vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden muss.
 
Erwerbsbiografien müssen heute ohnehin flexibler gestaltet werden, als unsere Eltern es in der Vergangenheit getan haben. Dazu gehört auch dies: Wer aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, muss die Chance einer beruflichen Neuorientierung erhalten auch innerhalb des eigenen Unternehmens. Das ist eine Frage selbstverständlicher Fürsorgepflicht. Und wir werden es uns immer weniger leisten können, Arbeitnehmer vorzeitig gehen zu lassen. Als Unternehmen, aber auch als Gesellschaft insgesamt.

Meine Damen und Herren,
ich habe zu Beginn ganz bewusst das Stichwort gute Arbeit genannt. Das ist keine Redensart. Eine gesellschaftlich wichtige und integrierende Kraft kann Arbeit nur dann sein, wenn es sich um Arbeit handelt, die unter ordentlichen Bedingungen geleistet und fair bezahlt wird. Gute Arbeit wirkt einer Polarisierung der Gesellschaft entgegen und sorgt für soziale Gerechtigkeit.


Auch in diesem Punkt sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns war ein wichtiger Schritt, um vernünftige Arbeitsverhältnisse zu etablieren und zu sichern. Trotzdem sind künftig weitere Anstrengungen erforderlich, um faire Arbeitsbedingungen vor allem auch für die Beschäftigungsformen durchzusetzen neben den unbefristeten sozialversicherungspflichtigen Normalarbeitsverhältnissen , die zum Beispiel Leiharbeit, Werkverträge, Minijobs, befristete Beschäftigungsverhältnisse und so weiter heißen. Da gilt es Missbrauch zu verhindern, aber es sind auch Rechtsänderungen vor allem auf der Bundesebene notwendig, beispielsweise im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Sie wissen, dem Bund obliegt die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, aber mein Senat hat bereits viele Initiativen auch in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern angestoßen und unterstützt. Das werden wir fortsetzen.

Meine Damen und Herren,
Sie sehen, unser gemeinsames Thema liegt mir am Herzen. Auch ganz persönlich. Ich bin in meinem ersten Beruf Anwalt für Arbeitsrecht. Ich war als Bundesminister verantwortlich für das Arbeitsressort. Und ich setze meine Arbeit auch heute fort, als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Arbeit ist, wenn Sie so wollen, ein Lebensthema für mich und ich nehme an, das teile ich mit vielen hier im Raum. Arbeit ist unsere Arbeit, und es ist eine sehr erfüllende Aufgabe. Ich wünsche Ihnen für Ihre und unsere mittel- und langfristige Zukunft viel Erfolg. Für Ihre ganz unmittelbare Zukunft aber erst einmal eine rauschende Lange Nacht der Personaler.

Schönen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.