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23.05.2009

Mitarbeiter an Firmen beteiligen

Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) 

 

In der aktuellen Wirtschaftskrise müssen viele Beschäftigte für Fehler bezahlen, die sie nicht selbst gemacht haben. Firmen kürzen Stellen, senken die Löhne und führen Kurzarbeit ein. Können die Arbeitnehmer für ihre Opfer eine Gegenleistung verlangen?

Auf jeden Fall sollten die Firmen nicht sofort mit Entlassungen reagieren, sondern erst einmal von der Kurzarbeit Gebrauch machen, die die Bundesregierung neuerdings 24 Monate finanziell unterstützt. Und wenn die Zeiten wieder besser werden, müssen die Unternehmen die Anstrengungen der Beschäftigten honorieren.

IG-Metall-Chef Berthold Huber fordert, dass die Belegschaft von Opel am Kapital der Firma beteiligt wird. Unterstützen Sie diese Initiative?

Die Beteiligung der Mitarbeiter gewinnt in der Krise an Attraktivität. Das ist gut, denn bisher besitzen die Beschäftigten in Deutschland zu wenige Aktien ihrer Unternehmen. Normalerweise gilt: Wenn Firmen Eigentumsanteile an ihr Personal abgeben, dürfen sie allerdings nicht zeitweilig den Lohn reduzieren. Beteiligung muss zusätzlich erfolgen. Jetzt in der Krise kann das im Einzelfall auch einmal anders sein.

Nicht nur bei Opel, sondern auch bei Schaeffler und Daimler geht es um mehr Mitarbeiter-Eigentum am Unternehmen. Können die Beschäftigten dadurch tatsächlichen Einfluss auf die Firmenpolitik gewinnen?


Wer beteiligt ist, sollte auch die Rechte eines Miteigentümers ausüben können. Das bedeutet Mitsprache auf der Hauptversammlung und Gewinnbeteiligung. Das wäre eine gute Ergänzung der heutigen Mitbestimmung.


Wie könnte das bei Opel konkret aussehen?

Diese Frage kann ich jetzt nicht beantworten, dafür ist es viel zu früh. Die Verhandlungen mit dem Mutterkonzern General Motors und den potenziellen Investoren sind noch im Gange. Das Interesse der Arbeitnehmer an solchen Überlegungen aber unterstütze ich ausdrücklich.

Die horrenden Kosten der Krise werfen die bisherigen Finanzplanungen der Bundesregierung über den Haufen. Müssen wir damit rechnen, dass unsere Beiträge zur Sozialversicherung demnächst wieder steigen?

Durch viele Anstrengungen haben wir es geschafft, dass die Sozialversicherung solide finanziert ist. Die Rentenversicherung wird es in den kommenden Jahrzehnten verkraften, dass weniger Beschäftigte mehr Rentner versorgen. Bis 2020 können wir den Beitragssatz unter 20 Prozent halten. Bis 2030 soll er bei 22 Prozent liegen. Das ergeben alle unsere Vorausberechnungen - trotz der schlechten Wirtschaftsentwicklung.

Vor kurzem planten Sie noch, den Beitrag zur Rentenversicherung von heute 19,9 auf 19,1 Prozent zu reduzieren. Das funktioniert nicht?

Zumindest wird es schwierig. Dass die Beiträge stabil bleiben, ist angesichts der Lage aber schon ein Erfolg.

Steht dagegen die Stabilität der Arbeitslosenbeiträge in Frage, weil die Zahl der Erwerbslosen stark steigt?

Nein, denn die Bundesregierung hat für die Arbeitslosenversicherung eine klare Linie beschlossen. Die Beiträge sollen nicht steigen, weil das die Krise verschärfen würde. Deshalb bleibt der Beitragssatz bis 2010 bei 2,8 Prozent. Die Defizite übernimmt vorübergehend der Bund. Danach wird der Satz bei 3 Prozent liegen.

Und was ist 2012, 2013 und danach?

Es macht auch langfristig Sinn, einen Beitragssatz festzulegen, der ein Gleichgewicht markiert. Damit sollte es möglich sein, in guten Zeiten Rücklagen zu erwirtschaften, die man in schlechten Zeiten aufbraucht. Der Satz sollte nicht ständig schwanken.

Die Regierung will die Sozialabgaben insgesamt unter 40 Prozent des Bruttolohns halten. Ist dieses Ziel gefährdet?

Bisher nicht. Aber man sieht ja, wie schwer das fällt. Nicht nur bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung, für die ich verantwortlich bin, sinken die Einnahmen und steigen die Kosten. Dafür ist die zunehmende Arbeitslosigkeit verantwortlich. Wer die Beiträge stabil halten will, muss daher alles tun, damit der Rückgang der Produktion nicht sofort zu höheren Arbeitslosenzahlen führt. Bisher gelingt uns das ganz gut.

Werden alle leistungsfähigen Bevölkerungsgruppen gemeinsam die Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise tragen?


Das wäre jedenfalls gerecht. Deshalb will die SPD nach der Bundestagswahl die Steuern für hohe Jahreseinkommen ab 125.000 Euro für Ledige und 250.000 für Verheiratete erhöhen. Wenn es am Finanzzentrum London eine Börsenumsatzsteuer gibt, kann es auch nicht ganz falsch sein, diese in Deutschland einzuführen. Beides würde dazu beitragen, dass Wohlhabende und Reiche ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten.

Die Rentner bilden offenbar eine Ausnahme von Ihrer Regel. Viele sind materiell gut ausgestattet. Doch auch diesen garantieren Sie, dass ihre Altersbezüge stabil bleiben, obwohl die Löhne der Beschäftigten sinken. Warum?


Die Renten sind in den vergangenen Jahren kaum gestiegen damit haben die Rentner einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Systems geleistet. Außerdem haben sie ihr Berufsleben hinter sich und können ihre wirtschaftliche Lage selbst kaum noch verbessern. Deswegen müssen wir sorgfältig abwägen, was wir ihnen abverlangen.

Ihr Argument gilt ähnlich auch für viele aktive Beschäftigte sie haben ebenfalls keine Möglichkeit, ihre materielle Situation entscheidend zu verbessern.

Sie bauen einen falschen Gegensatz auf. Es ist ja nicht so, dass wir einseitig nur den Rentnern Vorteile gewährten. Auch die aktiven Beschäftigten kommen in den Genuss mannigfaltiger Unterstützung. Denken Sie nur an das verlängerte Kurzarbeitergeld, den durch den Einsatz von Steuermilliarden stabilen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung und die Senkung des Eingangsteuersatzes auf 14 Prozent.

Manchem Arbeitnehmer kommt es trotzdem merkwürdig vor, dass sein Lohn sinkt, während die Rentner keine Einbußen hinnehmen müssen.


Ich habe noch keinen Arbeitnehmer getroffen, der von mir verlangt hätte, ich solle den Rentnern die Altersversorgung kürzen. So etwas lese ich nur in den Zeitungen. Jeder kennt doch ältere Menschen, deren Rente nicht sehr hoch ist. Die Solidarität in der Bevölkerung ist größer, als manche Zeitgenossen miesepetrig unterstellen.

Die Hilfsbereitschaft vieler Menschen gegenüber den Banken hält sich dagegen in Grenzen. Es will ihnen nicht in den Sinn, dass Institute wie die Hypo Real Estate und die Commerzbank angeblich zu groß sind, um sie einfach pleitegehen zu lassen.

Wir sollten die Fakten zur Kenntnis nehmen. Wir brauchen Banken, ohne sie funktioniert die Wirtschaft nicht. Die Rente kann man nicht auszahlen, indem man Tresore aufstellt und Umschläge mit Geldscheinen verteilt. Im Übrigen mussten die Aktionäre der Banken erhebliche Vermögensverluste akzeptieren, wie man besonders bei der Hypo Real Estate sehen kann.

Warum machen sich die Sozialdemokraten keine Gedanken darüber, die Banken so zu verkleinern, dass der Staat ihnen nicht mehr ausgeliefert ist?


Zunächst brauchen wir bessere Möglichkeiten der Bankenaufsicht. Daran arbeiten wir. Zu kühne Geschäfte, deren Verluste die Allgemeinheit trägt, müssen künftig unterbleiben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, solche Regeln zu setzen.

 

 

Das Interview finden Sie auch im Portal der "Der Westen".