arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

25.05.2009

Interview mit dem FOCUS

FOCUS: Mitten in der Krise schrecken Meldungen über Kündigungen wegen Lappalien und Mitarbeiterbespitzelungen die Menschen auf. Wird der Arbeitnehmer zum Freiwild?

Scholz: Nein, aber ich rate dringend dazu, sich an die Tugend der Sozialpartnerschaft zu erinnern. Die müssen wir uns wieder neu erarbeiten. Einige, die sehr viel Verantwortung dafür tragen, dass wir in diese Krise geraten sind, sind wirtschaftlich ziemlich gut davongekommen. Das ist ein Problem. Mich wundert es jedenfalls vor diesem Hintergrund nicht, dass die Kündigung einer Verkäuferin wegen eines Verdachts viele Bürgerinnen und Bürger empört hat. Zumal bekannt ist, dass Verdachtskündigungen sehr manipulationsanfällig sind.

FOCUS: Steht eine Klagewelle bevor?

Scholz: Bei mehr Kündigungen und steigender Arbeitslosigkeit muss man auch mit mehr gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen. Aber viele Betriebe versuchen, gemeinsam mit ihren Mitarbeitern durch die Krise zu kommen. Die breite Nutzung der Kurzarbeit beweist das, und deshalb wird es weniger Kündigungen geben als befürchtet.

FOCUS: Kündigungsschutz hilft denen, die einen Job haben. Hält er nicht die draußen, die gern einen hätten?

 

Scholz: Dafür gibt es keinen Beweis. Das ganze Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit ist mit dem Kündigungsschutz entstanden, den wir heute haben. Wer vor Willkür sicher ist, arbeitet auch besser. Eine Regierung, in der Sozialdemokraten den Ton angeben, wird am Kündigungsschutz nichts ändern.

 

FOCUS: Nicht mal, wenn die Betriebe in einem beginnenden Aufschwung erst mal nur befristete Stellen anbieten könnten - wenn das einfacher ginge?

Scholz: Dafür gibt es schon genug Möglichkeiten. Nochmals: Wir müssen nicht am Arbeitsrecht drehen, um die Krise zu meistern.

FOCUS: Es gilt als unübersichtlich und widersprüchlich ...

Scholz: Wir müssen es überschaubarer gestalten, das ist wahr. Deshalb will ich die über verschiedene Gesetze verstreuten Bestimmungen in einem einheitlichen Arbeitsvertragsgesetzbuch zusammenfassen. Vorarbeiten dafür gibt es genug, zum Beispiel den Entwurf der Bertelsmann-Stiftung. Was es jetzt gibt, wird zusammengefasst, nicht draufgesattelt oder abgespeckt. Ich will den Versuch nicht aufgeben, so ein Restatement hinzukriegen. Das geht aber nur im Konsens mit den Sozialpartnern. Bisher wird noch zu sehr versucht, die Schaffung eines Arbeitsvertragsgesetzes zu nutzen, um die Rechtslage einseitig zu ändern.

FOCUS: Das Arbeitsrecht ist für sie unantastbar?

Scholz: Das muss ständig weiterentwickelt werden.  Ich sehe zum Beispiel noch Verbesserungsmöglichkeiten beim Datenschutz von Arbeitnehmern. Hier gibt es veritable Lücken. Ich will da noch vor der Bundestagswahl Fortschritte. Wenn es in dieser Koalition nicht zu einem gemeinsamen Entwurf eines Arbeitnehmer-Datenschutzgesetzes reicht, werde ich einen vorlegen. Darüber können die Wähler dann mitabstimmen.

 

 

Interview: Hans-Jürgen Moritz