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22.02.2010

Olaf Scholz im Gespräch mit Nico Lumma

Für eine Sonderausgabe der Financial Time Deutschland wechselt Olaf Scholz die Rolle und wurde zum Journalisten. Er interviewte für die Financial Times Deutschland den Nico Lumma, Diretor Social Media bei der Medienagentur Scholz and Friends.

 

FTD: Herr Lumma, Ihren Beruf gab es vor einiger Zeit noch gar nicht. Jetzt kann man damit Geld verdienen. Was macht die Faszination von sozialen Netzwerken aus?

 

Nico Lumma: Soziale Netzwerke ermöglichen, dass man ganz leicht mit seinen Freunden reden, Fotos austauschen oder auf spannende Inhalte im Netz hinweisen kann. Von diesen Netzwerken geht eine hohe Stickiness aus: Nutzer suchen häufig den Kontakt mit ihren Freunden, posten Status-Updates über das, was sie gerade tun, im Web oder mobil. Unternehmen und Marken haben ganz andere Möglichkeiten, mit ihren Kunden in einen Dialog zu treten oder zum Mitmachen aufzufordern. Für Werbetreibende entsteht eine völlig neue Form des Umgangs mit Kunden auf Augenhöhe.

 

FTD: Lohnt es sich für Unternehmen, Geld für ihr Auftreten in den Netzwerken zu investieren?

 

Lumma: Wenn man sich die Zahlen der sozialen Netzwerke in Deutschland einmal anguckt, dann stellt man zwar fest, dass Facebook mit seinen global 400 Millionen Usern in Deutschland nicht die Stellung hat, die es anderswo hat, sondern auch noch andere Netzwerke eine Rolle spielen. Allerdings wächst Facebook derzeit in Deutschland am stärksten. Daher geht von Facebook eine massive Sogwirkung aus. Für Unternehmen werden soziale Netzwerke aus einem ganz entscheidenden Grund immer relevanter: Die Zielgruppen versammeln sich dort und sind entsprechend weniger auf anderen Websites zu finden, denn sie erhalten bereits im sozialen Netzwerk von ihren Freunden Linktipps, News und Gossip.

 

FTD: Wenn alles kostenlos ist, womit wird dann künftig Geld verdient?

 

Lumma: Die tradierten Business- Modelle funktionieren im Internet oftmals so nicht, aber eben ein wenig anders. Soziale Netzwerke können als Abo-Modell gut funktionieren, wie man etwa bei Xing sehen kann, über Werbung, über eine Beteiligung an Transaktionen oder über virtuelle Güter, die die Nutzer erwerben können. Da ist Kreativität gefragt, denn die Nutzung von Internetdiensten ist eine ganz andere als bei Print und TV.

 

FTD: Kann unter diesen Umständen das Leistungsschutz- und Urheberrecht unverändert bleiben?

 

Lumma: Vonseiten der Verlage und Teilen der Politik gibt es Fantasien, dass über ein geändertes Leistungsschutzrecht die Probleme bei der Monetarisierung von Online- Inhalten gelöst werden. Ich sehe jedoch, dass die Verlage versuchen, an ihrem tradierten Geschäftsmodell so lange wie möglich festzuhalten. Eine Art Gema für Verlage für Onlineinhalte finde ich völlig absurd, und sie widerspricht auch dem Verständnis des Netzes für den Umgang mit Onlineinhalten und Verlinkungen. Andererseits finde ich Ideen wie Creative Commons, die Standardlizenzverträge für die Verbreitung kreativer Inhalte anbieten, sehr interessant und zukunftsweisend.

 

FTD: In den Niederlanden gibt es bald flächendeckend ein Gigabit pro Sekunde für private Nutzer. Was muss Deutschland tun?

 

Lumma: Deutschland ist in den letzten Jahren viel breitbandiger geworden, aber oftmals bekommt man den Eindruck, dass man sich lieber auf dem Status quo ausruhen mag, anstatt die Versorgung mit Breitbandanschlüssen weiter zu forcieren. Bandbreite ist nicht alles, aber man sollte davon ausgehen, dass die zu transferierenden Datenmengen immer mehr werden. Daran knüpft sich auch die Frage an: Wieso gibt es immer noch kein flächendeckendes W-Lan in deutschen Großstädten?

 

FTD: Das Stichwort Netzneutralität fällt an dieser Stelle. Worum geht’s?

 

Lumma: Es gibt immer mehr Anbieter, die auf die Idee kommen, zusätzliche Gebühren für bestimmte Inhalte zu verlangen, sei es beim Inhalteanbieter oder beim Endverbraucher. So funktioniert das Netz aber nicht. Daher sollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass alle Netzanbieter der Netzneutralität verpflichtet sind, wie es auch USPräsident Obama fordert.

 

FTD: Wie können wir das Internet nutzen, um bessere Politik zu machen und mehr Bürger in politische Prozesse einzubeziehen?

 

Lumma: Der erste wichtige Schritt ist: zuhören! Das mag der Politik schwerfallen und vor allem im Tagesablauf schwer unterzubringen sein, aber es bietet sich an, das Netz als Resonanzraum für Ideen zu nutzen. Die Antwort des Netzes auf die Netzsperren-Debatte hat gezeigt, dass das Netz mehr als nur eine Versammlung von anonymen Leuten ist, sondern dass sich hier Bürger engagieren.

 

FTD: Muss ich jetzt den ganzen Tag twittern?

 

Lumma: Nein, das muss niemand. Aber man kann es tun, und es kann sogar Spaß machen. Ich folge einigen Politikern auf Twitter.

 

Interview: Olaf Scholz