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Symbolbild: Olaf Scholz
Photothek
06.09.2022

Olaf Scholz im Interview mit der FAZ

Herr Bundeskanzler, das umfangreiche Maßnahmenpaket, das Ihre Koalition beschlossen hat, damit Deutschland durch den Winter kommt, wird von vielen Seiten an vielen Punkten kritisiert. Sie haben nach einem wochenlangen Anlauf mit ihren Koalitionspartnern 22 Stunden lang um die Beschlüsse gerungen. Haben Sie mit mehr Zustimmung gerechnet?

Ich nehme breite Zustimmung zu unseren Beschlüssen wahr. Natürlich melden sich auch manche skeptisch zu Wort. Das gehört zur Demokratie. Wir haben ein sorgfältig konzipiertes und zielgenaues Programm beschlossen, das all jene Herausforderungen adressiert, vor denen die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen dieses Landes jetzt stehen.

Der Grünen-Vorsitzende Nouripour sprach von „aufreibenden Verhandlungen“. Was war so aufreibend? Was waren die Hauptstreitpunkte?

Wenn man lange Zeit miteinander zusammensitzt, strengt das mitunter auch an. Wir haben uns aber alle viel Mühe gegeben, und die Mühe hat sich ausgezahlt.

Der Umgangston in der Koalition ist im Vorfeld ziemlich rau geworden, obwohl Sie sich doch wechselseitig etwas anderes versprochen hatten. Wie soll das erst werden, wenn die schwere Zeit da ist, vor der Sie warnen?

Die Regierung arbeitet eng und vertrauensvoll zusammen und auch in der Koalition ist viel Gemeinschaft entstanden – nicht zuletzt durch dieses Wochenende.

Kommen wir zu den Herausforderungen von außen: Russland liefert seit ein paar Tagen gar kein Gas mehr nach Deutschland. Sind wir darauf schon vorbereitet?

Jetzt scheint genau die Situation einzutreten, die mich schon direkt nach meiner Amtsübernahme im Dezember umgetrieben hat. Damals habe ich gefragt, welche Pläne es für den Fall gibt, dass Russland seine Energielieferungen nicht erfüllt. Die Antwort damals: Es gibt keine Pläne. Seither hat die Regierung intensive Vorbereitungen für einen solchen Fall getroffen. Mit einem Gasspeicher-Gesetz, mit der Planung von Flüssiggas-Terminals, mit einem engen Monitoring der Gas-Situation und mit Plänen, die Nutzung von Gas durch andere Energieträger zu ersetzen. Nun liegt der Speicherstand bei mehr als 85 Prozent, viel höher als in den vergangenen Jahren. Und wir nehmen Kohlekraftwerke wieder ans Netz, um Gas zu sparen. Kurzum, wir sind vorbereitet und werden wohl in der Lage sein, durch diesen Winter zu kommen.

Welche Lehren zieht Ihre Regierung noch aus der Lektion, die Wladimir Putin der gutgläubigen deutschen Politik und Wirtschaft erteilt hat?

Eine solche Abhängigkeit von einem Lieferanten darf es nicht wieder geben. Wir müssen jederzeit auf andere Lieferanten umsteigen können, was Kohle, Gas und Öl, aber auch andere wichtige Rohstoffe betrifft.

Atomkraftwerke brauchen wir wirklich nicht mehr?

Grundsätzlich bleibt es beim Ausstieg aus der Atomenergie. Für diesen Winter ermöglichen wir aber, dass die beiden Kernkraftwerke in Süddeutschland, Neckarwestheim 2 und Isar 2, bis ins nächste Jahr hinein noch einige Monate laufen können, damit wir auf jeden Fall ausreichend Strom zur Verfügung haben.

Die FDP will anders als Wirtschaftsminister Habeck nicht nur zwei Kernkraftwerke für diesen Winter in Reserve halten, sondern fordert eine Laufzeitverlängerung für mehrere Jahre. Ist es schon vorbei mit der Einigkeit in der Koalition? Auf welche Seite stellen Sie sich in diesem Streit?

Die FDP blickt bekanntlich etwas anders auf die Atomkraft, das ist völlig legitim. Jetzt geht es um die Energieversorgung im kommenden Winter, da wird die Regierung sehr einvernehmlich handeln.

Die Energiewende geht also weiter?

Natürlich, alles andere wäre fahrlässig – aus strategischen Gründen und aus Gründen des Klimaschutzes. Auf mittlere und längere Frist wollen wir unsere Energieversorgung komplett klimafreundlich ausgestalten, mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie, also Windkraft und Sonne-Energie sowie Biomasse. Die Bundesregierung hat mehrere Gesetzespakete auf den Weg gebracht, damit der Ausbau dramatisch an Geschwindigkeit zunimmt. Unser Ziel ist sehr ehrgeizig: Bis 2030 wollen wir die Stromproduktion um ein Drittel ausweiten – von 600 auf 800 Terrawattstunden. Davon sollen 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen. Und zehn Jahre später brauchen wir wohl noch einmal eine Verdoppelung der Strommenge – auf 1600 Terrawattstunden. Ein wichtiger Schlüssel wird dabei klimaneutral hergestellter Wasserstoff als Energieträger sein, den wir teils selbst produzieren, teils aber auch importieren werden. Wasserstoff wird für viele industrielle Prozesse als Gas von entscheidender Bedeutung sein.

Deutschland ächzt unter hohen Gas- und nun auch Strompreisen. Ursprünglich sollte eine sogenannte Übergewinnsteuer internationale Energiekonzerne treffen. Die werden jetzt gar nicht mehr belangt, denn die Abschöpfung der „Zufallsgewinne“ trifft nur heimische Stromproduzenten, nicht die Ölmultis.

Mir ist wichtig, dass wir einen Weg gefunden haben, das Problem der hohen Strompreise jetzt anzugehen. Die Strompreise können wir national beeinflussen, indem wir verhindern, dass die höheren Gaspreise durchschlagen auf die günstigere Stromproduktion, die aus erneuerbaren Quellen, aus Atom- oder Kohlekraftwerken stammt. Das hilft schon mal. Schwieriger ist es bei dem Einkauf fossiler Ressourcen wie Erdgas, die stark von der Entwicklung des Weltmarktpreises bestimmt werden. Im Gespräch mit anderen Ländern, insbesondere in der EU, werden wir hier viel tun müssen, damit die Preise nicht dauerhaft hoch bleiben. Bis die erneuerbaren Energieträger eine noch größere Rolle spielen, müssen wir Gas importieren, das gerade teuer ist, vor allem Flüssiggas.

Sie wollen mit dem jüngsten Hilfspaket nun auch Rentner und Studenten eine Energiepreispauschale zukommen lassen. Warum hat es diese Entlastung nicht schon im vorherigen Paket gegeben?

Es gab damals viele ungelöste technische Fragen. Ich bin froh, dass beide Gruppen nun auch die Pauschale erhalten werden.

Bei der Strompreisbremse muss vieles erst noch geregelt werden, gegebenenfalls auch auf europäischer Ebene. Wie schnell wird sie in Kraft treten können?

Wenn es nach uns geht, dauert das eher Wochen als Monate. Das Ziel ist: Die hohen Gewinne abzuschöpfen, die viele Stromproduzenten aufgrund des Marktdesigns gerade erzielen, obwohl sie den Strom weiterhin sehr günstig produzieren können. Denn der Preis für Strom misst sich im Augenblick an dem exorbitant hohen Gaspreis, der bei einer Windkraftanlage, einem Kohlekraftwerk oder einem Solarfeld gar nicht zum Tragen kommt. Die Abschöpfung der Zufallsgewinne erfolgt mit einem bewährten Verfahren im Strommarkt, das wir schon kennen, nur andersherum. Mit dem Geld wollen wir die Strompreisbremse für Bürgerinnen und Bürger und kleine und mittelständische Unternehmen finanzieren und sie bei den Netzentgelten entlasten. Da geht es um viele, viele Milliarden Euro. Jetzt gehen wir die Umsetzung zügig an. Vieles spricht dafür, dass wir in sehr kurzer Zeit auch auf europäischer Ebene hier Entscheidungen sehen.

Soll die Strompreisbremse auch rückwirkend gelten? Es sind ja schon sehr hohe „Zufallsgewinne“ erzielt worden.

Das wird rechtlich zu prüfen sein. Vor allem geht es um die künftigen Regelungen. Denn die Krise wird uns ja leider noch einige Zeit begleiten.

Wer legt fest, wie hoch der Deckel für den Basisverbrauch beim Strom sein wird?

Da wird es eine klare Regelung geben.

Und die wird dann nicht gleich wieder korrigiert werden müssen? Der Entwurf einer Gasumlage, den Wirtschaftsminister Robert Habeck erarbeitet hat, musste schon repariert werden, bevor sie eingeführt wird. Wäre es nicht besser gewesen, den Preis bis zu einer Obergrenze freizugeben und dann die Haushalte direkt zu entlasten?

Es hätte zu einer dramatischen Wirtschaftskrise in Deutschland geführt, wenn die Hauptanbieter für Gasimporte den Versorgungsunternehmen plötzlich gesagt hätten, sie könnten ihre Verträge nicht mehr zu den bisherigen Preisen erfüllen und müssten die höheren Kosten an die Kunden weitergegeben. Deshalb hat sich die Bundesregierung für die Umlage entschieden. So werden die Lasten auf alle Schultern verteilt und müssen nicht allein von den Kundinnen und Kunden der Unternehmen getragen werden, die viele Verträge mit Gazprom abgeschlossen haben. Parallel dazu haben wir die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt und eine Reihe weiterer Entlastungen beschlossen.

Der Staat greift mit dem jüngsten Entlastungspaket kräftig in Marktmechanismen ein. Die SPD ist zwar nicht dafür bekannt, dass sie damit Schwierigkeiten hat. Aber wie stehen Sie selbst dazu?

Schon seit dem Godesberger Programm aus dem Jahr 1959 heißt es bei der SPD: So viel Markt wie möglich. Das wird Ihnen nicht entgangen sein.

Nein, das ist es nicht. Aber bei Formulierungen wie „so viel wie möglich“ ist vieles möglich.

Wenn wir jetzt verhindern, dass wegen der extrem hohen Gaspreise bei den Produzenten von Strom aus anderen Quellen hohe Zufallsgewinne anfallen, ist das ganz eindeutig eine Maßnahme, um den Markt als Markt zu retten.

Ökonomen erwarten eine Rezession, manche Politiker, auch aus der Koalition, vermuten, dass es große Proteste geben wird. Befürchten Sie, dass es zu Volksaufständen kommt?

Ich halte nichts von solchen Kassandra-Rufen. Deutschland erlebt schwere Zeiten – ausgelöst durch den russischen Überfall auf die Ukraine und die stark eingeschränkten Gaslieferungen. Aber wir sind ein starkes Land mit einer robusten Wirtschaft, einem verlässlichen Sozialstaat und einer stabilen Demokratie. Wenn wir als Land, als Nation zusammenhalten, werden wir durch diese Zeit kommen.

Der ukrainische Ministerpräsident, der Sie besuchte, hat Deutschland und die USA um die Lieferung von Kampfpanzern gebeten. Warum kommen die westlichen Regierungen dieser Bitte nicht nach?

Deutschland liefert seit Monaten schwere Waffen an die Ukraine – zum Beispiel Gepard-Flak-Panzer, Mehrfach-Raketenwerfer, die Panzerhaubitze 2000... Als Kanzler habe ich mit einer jahrzehntelangen Tradition gebrochen, die solche Lieferungen ausschloss.

Warum keine Kampfpanzer, keine Kampfflugzeuge?

Der amerikanische Präsident Joe Biden hat vor einiger Zeit in der New York Times seine Linie beschrieben, die ich komplett unterschreiben kann. Die anderen Partner in den G7 sehen das auch so. Wir unterstützen die Ukraine mit allem, was sie braucht, sich zu verteidigen. Gleichzeitig müssen wir eine Eskalation verhindern, die in einen Krieg Russland gegen die Nato mündet.

Wenn der amerikanische Präsident Kampfpanzer schickt, damit die Ukrainer auf ihrem eigenen Territorium die Angreifer zurückdrängen können, dann tun Sie das auch?

Von Anfang an habe ich gesagt: Wir werden keine Alleingänge machen und uns eng abstimmen mit unseren Verbündeten. Die Lage ist dynamisch. Vor der Lieferung von Mehrfachraketenwerfer an die Ukraine habe ich mich ebenfalls mit Präsident Biden abgestimmt.

Da hören wir kein kategorisches Nein zur Lieferung von deutschen Leopard-II-Kampfpanzern an die Ukraine.

Wir tun, was notwendig und richtig ist. Aber eine gewisse Arbeitsteilung ist sinnvoll. Deutschland kann einen Schwerpunkt auf Luftverteidigung und Artillerie legen.

Was will die Bundesregierung letztlich erreichen durch die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferung und der Ausbildung von Soldaten: Dass die Ukrainer ihr ganzes Land von den russischen Besatzern befreien können?

Wir unterstützen die Ukraine dabei, ihre Integrität und Souveränität zu verteidigen. Für uns ist klar: Die Ukraine wird keinen Diktatfrieden Russlands akzeptieren und wir auch nicht. Kein Land muss es akzeptieren, der Hinterhof eines mächtigen Nachbarn zu sein, wo der ihm diktiert, was es zu tun hat. Wir sollten der Ukraine nicht von außen vorschreiben, welches Ziel sie verfolgt. Das ist einzig und allein die Entscheidung der Ukraine.

Sie haben kürzlich in Prag eine Rede zur Zukunft Europas gehalten und für eine stärker integrierte Verteidigungspolitik der EU geworben. Solche Vorschläge gibt es seit Jahrzehnten, aber noch immer läuft vieles im nationalen Nebeneinander. Wird sich das nun ändern?

Die Zeitenwende, die der Krieg Russlands bedeutet, hat konkrete Folgen. Eine davon ist, dass wir der Verteidigung unseres Landes und des Bündnisses wieder eine viel größere Bedeutung beimessen müssen als bisher. Hierbei sollte die EU enger zusammenarbeiten, etwa bei der Rüstungsbeschaffung. Der US-Verteidigungsetat umfasst mehr als 800 Milliarden Euro. Eine Aufstellung ergab vor einigen Jahren, dass die USA dieses Geld nur in etwa 30 unterschiedliche Systeme stecken. Europa gibt für Militär zwar deutlich weniger Geld aus, damals aber schon in verschiedene 180 Systeme. Es liegt auf der Hand, dass das nicht effizient und nicht vernünftig ist und sich ändern muss.

Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages deutsche Soldaten ohne Zustimmung des Bundestags, aber infolge einer europäischen Entscheidung in den Einsatz geschickt werden?

Auf absehbare Zeit sehe ich das nicht. Aber wir müssen die Voraussetzungen schaffen, als europäische Staaten gemeinsam militärische Einsätze zu übernehmen, indem wir etwa die nötigen Kommandostrukturen entwickeln. Bei einigen politischen Fragen werbe ich dafür, dass wir innerhalb der EU häufiger mit Mehrheit entscheiden und von der Einstimmigkeit etwas wegkommen.

In der Migrationspolitik, wo schon mit Mehrheit entschieden werden kann, hat das nicht geholfen. Und auch Deutschland müsste sich dann ja gegebenenfalls Mehrheitsbeschlüssen beugen in Fragen, in denen es anderer Meinung ist. Das würden Sie wollen?

Generell gilt, dass wir dort, wo die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die EU handeln sollte, auch handeln. Als das Land mit der größten Wirtschaftskraft und der größten Bevölkerung in der Mitte des Kontinents hat Deutschland die Aufgabe, diese Union zusammenzuhalten. Was wir in der Migrationspolitik jetzt dringend brauchen, sind Vereinbarungen mit vielen Herkunftsländern über legale Wege der Migration. Im Gegenzug müssen diese Länder akzeptieren, diejenigen, die nicht bei uns bleiben können, ohne bürokratische Komplikationen auch wieder zurückzunehmen. Das kann man aber nicht einfach national beschließen. Selbst Populisten mussten erkennen, dass sie ohne solche Vereinbarungen mit den Herkunftsländern zwar markige Sprüche machen können ,aber nichts bewirken. Diese Vereinbarungen müssen wir mit der Kraft der gesamten EU abschließen.

Polen verlangt von Deutschland 1,3 Billionen Euro als Kriegsreparationen. Werden Sie darauf eingehen?

Wie alle Bundesregierungen zuvor kann ich darauf hinweisen, dass diese Frage völkerrechtlich abschließend geregelt ist.

In der jüngsten mehrstündigen Befragung zur Cum-Ex-Affäre aus Ihrer Zeit als Erster Hamburger Bürgermeister haben Sie häufig auf Erinnerungslücken hingewiesen. Wie glaubhaft ist das, da Sie doch jemand sind, der sich in jedes Detail gräbt, sich überall auskennt und sich sonst an vieles bestens erinnert?

Zunächst muss ich Ihren Eindruck korrigieren: Ich habe mich zu vielen Dingen umfassend geäußert. Und seit mehr als zwei Jahren gibt es Ausschüsse und Untersuchungen, in denen Dutzende Zeugen befragt und meterweise Akten durchforstet worden sind – mit dem immer gleichen Ergebnis: Es hat keinerlei politische Beeinflussung der Steuerbehörden gegeben. Das sind die Fakten.

Glauben Sie, dass diese Affäre immer noch Auswirkungen auf Ihr Ansehen als Kanzler hat?

Die Fragen zur Cum-Ex-Affäre haben schon im Bundestagswahlkampf und in den TV-Triellen eine Rolle gespielt. Sie kennen das Ergebnis der Bundestagswahl.

Wie erklären Sie sich Ihre schwachen Umfragewerte?

Wir leben in schwierigen Zeiten, und als Bundeskanzler muss man das Richtige tun. Da sind große und weitreichende Entscheidungen zu treffen, um das Land sicher durch diese Krise zu steuern. Wir haben mit großer Tatkraft diese Entscheidungen getroffen. Niemand hätte vor kurzem damit gerechnet, dass wir heute in Bezug auf die Energieversorgung sagen können: Wir kommen wohl durch diesen Winter. Man muss aber zugestehen, dass es auch Anhänger von CDU/CSU, FDP, Grünen und SPD gibt, die sich nicht sicher sind, ob der Kurs, dem ich als Kanzler folge, die Ukraine mit Waffen zu beliefern und Sanktionen gegen Russland zu verhängen, richtig ist. In diesen Zeiten kommt es darauf, für seine Positionen und die getroffenen Entscheidungen zu werben, im klaren Bewusstsein, dass es auch Bürgerinnen und Bürger gibt, die daran Zweifel haben. Das gehört zur Demokratie dazu. Dafür braucht es einen klaren inneren Kompass.

Was sagt Ihnen Ihr Kompass?

Mein abgewogener und wohlüberlegter Kurs in Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine findet viel Unterstützung. Was mir aber auch wichtig ist: Die Bundestagswahl habe ich im vergangenen Jahr gewonnen, weil ich dafür geworben habe, dass Respekt für die Arbeits- und Lebensleistung vieler Bürgerinnen und Bürger unser Miteinander wieder stärker prägen sollte. Der Mindestlohn von 12 Euro, der jetzt im Oktober kommt, ist auch ein Zeichen für die völlig andere Sicht auf diejenigen, die in Fabriken arbeiten, die in Krankenhäusern tätig sind, die in Gaststätten und Hotels unser Miteinander organisieren oder auf den Straßen für Sauberkeit sorgen. Das ist mir sehr wichtig. Angesichts der Herausforderungen, die vor uns liegen, stehen die Themen und Sorgen dieser Bürgerinnen und Bürger zu selten im Mittelpunkt der öffentlichen Betrachtung. Ich habe für mich entschieden, dass sie trotzdem eine Rolle spielen. Ich werde das, was ich den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Hinsicht versprochen habe, umsetzen.

Finden Sie, dass Sie selbst dafür den Respekt und die Anerkennung bekommen, die sie verdienen?

Ich vertraue fest darauf, dass die Unterstützung, die ich brauche, sich auch bei der nächsten Bundestagswahl wieder zeigen wird.