Meine Damen und Herren,
„we made it“.
Was wurde nicht alles für diesen Winter vorausgesagt: Die Produktion werde stillstehen. Ganze Industriezweige müssten zwangsabgeschaltet werden. Von möglichen Blackouts und kalten Wohnungen war die Rede, von De-Industrialisierung, von einem Abwandern von Zukunftstechnologien und schrumpfenden Beschäftigtenzahlen.
Nichts davon ist eingetreten. Stattdessen liegt ein Winter der Solidarität hinter uns –fast jedenfalls, was den Winter betrifft , ein Winter mit Beschäftigungszahlen in Rekordhöhe, ein Winter, in dem wir gezeigt haben, dass ein neues Deutschlandtempo möglich ist. Innerhalb kürzester Zeit haben wir uns von Gas, Öl und Kohle aus Russland unabhängig gemacht.
Dabei haben wir unsere Ziele teilweise sogar übertroffen: Bis zu 40 Prozent sollten unsere Gasspeicher im Februar 2023 gefüllt sein, so unsere Vorgabe. Tatsächlich liegt der Stand heute bei knapp, nicht ganz, 70 Prozent, und die Gaspreise fallen wieder.
Das alles zeigt: Unsere Maßnahmen haben gewirkt. Die Gas- und Strompreisbremse, unser wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des brutalen russischen Angriffskriegs, neue Importkapazitäten, neue Energiepartnerschaften in Europa, aber auch in Asien, Afrika oder Amerika, und nicht zuletzt der umsichtige Umgang der Bürgerinnen und Bürger und unserer Unternehmen mit Energie.
Damit sind wir gut durch das vergangene Jahr gekommen und gehen gestärkt in den Frühling. Denn wir haben bewiesen: Wir können über uns hinauswachsen.
Was wir da gemeinsam geschafft haben, gibt uns Zuversicht für den nächsten Winter und weit darüber hinaus. Das liegt auch an Ihnen, meine Damen und Herren, am Verband der kommunalen Unternehmen oder, um das Motto Ihrer Tagung aufzugreifen, an Leuten wie Ihnen, die das Land am Laufen halten.
Sie haben durch Ihr schnelles Handeln dafür gesorgt, dass auch Bürgerinnen und Bürger mit wenig Geld von den erhöhten Energiepreisen nicht überfordert waren. Sie haben es möglich gemacht, dass die Produktion in den Werkshallen und die Arbeit in den Gewerben reibungslos weiterlaufen konnten. Sie haben die Fragen der Bürgerinnen und Bürger aufgefangen, und Sie schaffen es, dass die Entlastungen auch wirklich bei jedem Verbraucher, bei jeder Verbraucherin ankommen.
Für diesen tatkräftigen Einsatz danke ich Ihnen. Sie haben das kann man hier sagen - Großartiges geleistet. Geben Sie meinen Dank bitte auch an die Kolleginnen und Kollegen in den Stadtwerken und in den Kundencentern weiter.
Meine Damen und Herren, „we made it“, habe ich eingangs gesagt: Daraus folgt aber auch: „We can make it.“ Dazu will ich heute einige Gedanken mit Ihnen teilen.
Erstens. Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien aus Kostengründen, aus Umweltgründen, aus Sicherheitsgründen und weil sie auf Dauer die bessere Rendite versprechen. Das habe ich bei meiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt was übrigens bei den dort versammelten Wirtschaftslenkern und Investoren auf offene Ohren traf , und das ist meine erste Botschaft an Sie heute: Wir setzen auf sichere, bezahlbare und nachhaltige Energie. So machen wir unsere Industrie wettbewerbsfähiger und unser Land unabhängiger. Ich bin überzeugt: Die Energiewende kann und wird uns auch gelingen.
Deshalb richten wir das, was wir nun für die Sicherheit unserer Energieversorgung aufbauen, von Anfang an auch auf erneuerbare und klimafreundliche Energien aus. So ist unsere neue Importinfrastruktur für Flüssiggas in Zukunft auch für Wasserstoff nutzbar. Deshalb hat der Ausbau von Windkraft, von Solarenergie, von Strom- und Wasserstoffnetzen jetzt gesetzlichen Vorrang. Deshalb haben wir uns darauf festgelegt, zwei Prozent der Landesfläche dem Ausbau der Windenergie auf Land zu widmen ein Prozess, den wir engmaschig kontrollieren , und deshalb hat die Bundesnetzagentur den klaren Auftrag, den zielgerichteten Ausbau der Stromnetze zu steuern.
Wir wissen: Unser Strombedarf wird zunehmen, von heute 600 auf 750 Terawattstunden bis 2030. In diesem Zeitraum wird der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung massiv steigen. 2030 werden es 80 Prozent sein. Auch hier sind wir auf einem guten Weg: Fast die Hälfte der Strommenge, die wir im vergangenen Jahr verbraucht haben, stammte aus Wind und Sonne. Auch da liegen wir über Plan.
Zweitens. Wir müssen ganze Wertschöpfungsketten umstellen und sogar neu schaffen. Das bedeutet: Bis 2030 wollen wir in Deutschland zehn Gigawatt Elektrolyseleistung aufbauen. Das sind doppelt so viel wie in der Nationalen Wasserstoffstrategie ursprünglich vorgesehen. Die so gewonnen Kapazitäten nutzen wir für unseren eigenen Bedarf an Wasserstoff, aber auch für den Weltmarkt.
Wir fördern die energetische Sanierung und den beschleunigten Einsatz von erneuerbaren Energien in Gebäuden. Ab 2024 werden wir jedes Jahr 500.000 neue Wärmepumpen installieren.
Wir werden das neue Deutschlandtempo verstetigen. Was uns bei LNG-Terminals gelungen ist, müssen wir auch bei unseren Anlagen für erneuerbare Energien, bei unseren Netzen und beim Wasserstoff erreichen. Die Chance haben wir: Gerade entstehen unsere ersten Lieferketten für grünen Wasserstoff. Beim Förderprogramm H2Global laufen die ersten Ausschreibungen für den Import von Wasserstoffprodukten. Offshore-Wind von der Nordsee betreibt schon heute erste Elektrolyseanlagen, und im Rahmen von Pilotprojekten werden daraus gewonnene E-Fuels vertankt teilweise in Ihren Betriebshöfen. Der zügige Markthochlauf von Wasserstoff ist eine zentrale Säule unserer Transformation. Denn Wasserstoff kann und wird Erdgas, Öl und Kohle ersetzen, insbesondere in der Industrie, im Energiesektor, aber auch im Luft-, See- und Schwerlastverkehr.
Meine Damen und Herren, mein drittes Anliegen: Energie muss bezahlbar bleiben. Darum arbeitet die Bundesregierung daran, dass wir sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland einen guten Rahmen schaffen für private Investitionen in erneuerbare Energie und für Energieeffizienz. Darum ermöglichen wir eine marktgetriebene Transformation und fördern „Power Purchase Agreements“ zwischen Abnehmer und Erzeuger erneuerbarer Energien. Darum sorgen wir für mehr Strom- und Gasleitungen wir sind dabei, eine Wasserstoffleitung von Spanien nach Deutschland zu planen; die Stromtrasse nach Belgien wird gestärkt. Bei meinem Besuch konnte ich mich gerade erst von den Fortschritten in Belgien überzeugen.
Bei all dem verlieren wir das Ziel der Dekarbonisierung nicht aus den Augen.
Um die Versorgung zu stabilisieren, werden wir neue Gaskraftwerke zubauen, die künftig mit Wasserstoff betrieben werden können, und das wird auch in kurzer, schneller Zeit geschehen, obwohl wir wissen, dass die Technologien dafür gerade erst so entwickelt werden, dass die Marktreifezeit gleich mit dem Bau sehr vieler dieser Kraftwerke entsteht. Aber das haben wir in Deutschland schon einmal geschafft: Wer sich zum Beispiel den Industriepark in Leuna anguckt und sieht, dass der vor etwa 100 Jahren innerhalb von knapp zwei Jahren entstanden ist, und weiß, dass dabei Technologien verwendet wurden, die gerade einmal kurz vorher im Labor ausprobiert wurden, der weiß, dass wir „schnell können“ und auch solche großen Dinge zustande bringen. Wenn wir unsere Lieferketten breiter aufstellen und zuverlässig auf LNG-Importe zurückgreifen können, dann können wir auch die Kohlekraftwerke wieder abschalten, die wir in der Krise kurzfristig hochfahren mussten.
Wir haben ein klares Ziel: 2045 wird die Energieversorgung Deutschlands fast ausschließlich aus grüner Elektrizität, Wärme und Wasserstoff stammen. Auch deshalb sage ich Ihnen: Investieren Sie in die grüne Zukunft Ihrer Unternehmen! Wir werden Sie dabei unterstützen. Die Fördermöglichkeiten sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene waren noch nie so attraktiv. Allein für den Umbau der Wärmenetze stellt die Bundesregierung mehrere Milliarden zur Verfügung.
Der große Umbau unserer Industrie, unseres Verkehrs und unserer Geschäfte gelingt natürlich nur, wenn sehr, sehr viele anpacken wer wüsste das besser als Sie, die oft zu den wichtigen Arbeitgebern in Ihrer Region gehören. Darum lautet mein vierter Punkt: Wir werden für mehr Fachkräfte sorgen. Die Bundesregierung investiert in Ausbildung und Qualifizierung. Wir bauen das Angebot an Kitas und Schulen aus und wir schaffen Anreize für Ältere, sich in den Arbeitsmarkt einzubringen. Doch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wird noch mehr nötig sein. Vor Kurzem war ich in Indien, einer dynamischen Hightech-Nation. Vom Austausch mit den vielen Fachkräften aus dem IT- und Softwarebereich, aber auch von den vielen Solarfachkräften, die es dort gibt, können wir in Deutschland entscheidend profitieren. Deshalb werden wir mit einem modernen Zuwanderungsrecht dafür sorgen, dass Talente auch von außerhalb Europas ihr Potenzial hier bei uns entfalten können.
Sie sehen: Wir haben viel vor und wir haben gemeinsam viel vor. Denn bei all dem übernehmen kommunale Unternehmen eine wichtige Rolle. Das ist mein fünfter Punkt heute Morgen: Sie sind unser As im Ärmel. Denn die für die Energiewende zentralen Veränderungen finden vor allem bei Ihnen statt, in Ihren Erzeugungsanlagen und in Ihren Netzen, und Sie sorgen auch für die Akzeptanz der Veränderung bei Ihren Kundinnen und Kunden. Historisch gesehen ist das nur logisch: Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft, wie wir sie heute kennen, ist mit und durch die Industrialisierung entstanden. Von Anfang an verfolgten die verschiedenen Sparten dabei den Gedanken, ressourcen- und umweltschonend zu arbeiten, sei es für besseres Recycling oder den sorgsamen Umgang mit Wasser. Von Anfang an bauen Sie auf Kooperation und Synergien. Es liegt also in Ihrer DNA, auch die nächste industrielle Revolution mit voranzubringen. Dabei haben Sie eine zentrale Stärke, und das ist Ihre dezentrale Struktur. Als Stadtwerke können Sie Ihre Lösungen beispielsweise für sichere, bezahlbare und nachhaltige Energie ganz an Ihren lokalen und regionalen Gegebenheiten ausrichten. Ob Sie auf Biomasse oder Windkraft setzen, auf Geothermie oder Photovoltaik, das entscheiden Sie vor Ort am besten. Das Gleiche gilt für die Kreislaufwirtschaft ebenso wie für die Wasserwirtschaft: Keiner kennt die Gegebenheiten Ihrer Gegend besser und weiß sie besser zu nutzen.
Meine Damen und Herren, Sie sind die Praktiker der Energiewende. Sie bringen die Wärme in die Wohnungen, das Licht in die Häuser und auf die Straßen. Durch Ihre Leitungen fließt unser Trinkwasser. Ihre Glasfasern digitalisieren Regionen. Sie entsorgen das Abwasser und den Müll. Ihre Bahnen und Busse fahren die Leute zur Arbeit und in die Freizeit, in Ihre Schwimmbäder. Damit wirkt sich Ihr Handeln unmittelbar auf den ganz konkreten Alltag der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes aus, ebenso wie auf deren Entscheidung für die Technologien der Zukunft.
Sie haben es also in der Hand. Schaffen Sie ein dichtes Netz von einfach zugänglichen Ladesäulen, dann werden die Kundinnen und Kunden Elektroautos fahren. Sorgen Sie für intelligente Messsysteme, dann halten die Stromnetze sich stabil und die Tarife bleiben bezahlbar. Bauen Sie Gigabitnetze aus; damit können alle Bürgerinnen und Bürger von der Digitalisierung profitieren. So wird niemand abgehängt, egal, wo er oder sie wohnt. Damit sorgen Sie zugleich für den sozialen Zusammenhalt in unserem Land, und immer wieder sind Sie Pioniere.
Das belegen beispielhaft Projekte wie Deutschlands größte Solarthermieanlage in Ludwigsburg, das Smarte Quartier in Jena Lobeda, das energieeffizientes Wohnen und Gesundheitsvorsorge verknüpft, das CO2-freie intelligente Wärmenetz in Bruchsal ebenso wie die Sanierung der Stegerwaldsiedlung in Köln, wo die CO2-Emissionen von 70 Jahre alten Gebäuden um 70 Prozent gesenkt werden können. Überall gilt: Die Innovationskraft, die von Projekten kommunaler Unternehmen ausgeht, überzeugt Bürgerinnen und Bürger ganz direkt vor Ort, und sie inspiriert Unternehmen weit über Ihren Aufgabenkreis hinaus. Die Stadtwerke haben alle Voraussetzungen dafür, Wegbereiter einer guten Zukunft für unser Land zu sein.
Und das bringt mich zu meiner sechsten und letzten Botschaft: Wir zählen auf Sie!