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Symbolbild: Olaf Scholz
Photothek
02.12.2022 | Düsseldorf

Rede anlässlich des 15. Deutschen Nachhaltigkeitspreises

Verehrter Fürst Albert,

sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin Bas,

sehr geehrter Herr Bundesratspräsident Tschentscher,

sehr geehrter Herr Schulze-Hausmann,

meine Damen und Herren,

drei Sekunden, das ist die Zeitspanne, die wir einigen renommierten Neurowissenschaftlern zufolge als Gegenwart wahrnehmen. 21 - 22 - 23, das definiert demnach unser Hier und Jetzt. Der Rest, so heißt es, sei entweder Vergangenheit oder Zukunft. Deshalb – auch das haben Neurowissenschaftler wie der Nobelpreisträger Daniel Kahneman erforscht – ist es gar nicht so leicht, unser Handeln auf die Zukunft auszurichten, teils wider besseres Wissen. Denn unser Gehirn sei hervorragend darin, sich schnell einen Eindruck von einer Situation zu verschaffen und diesen abzuspeichern, so sagt er. Noch besser sei es allerdings darin, diesen Eindruck langfristig gegen neue Eindrücke zu verteidigen. Und weil das Loslassen von Gewohnheiten so schwerfalle, neige der homo sapiens zumindest aus neurowissenschaftlicher Sicht dazu, notwendige Veränderungen aufzuschieben. Mit Blick auf die kommende Zeit der guten, aber doch meist kurzlebigen Neujahrsvorsätze können wahrscheinlich fast alle hier im Raum nachvollziehen, was ich meine.

Aber, meine Damen und Herren, wir wären als Menschheit nicht so weit gekommen, wenn wir uns davon hätten aufhalten lassen, wenn wir nicht in der Lage wären, mit Blick auf die Zukunft zu handeln. All das Wissen, all die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, all die Technologien, die wir entwickelt haben, waren ja nie dazu da, um die Vergangenheit zu konservieren, sondern um darauf aufzubauen und Ideen für ein besseres Morgen zu entwickeln. Genau das bedeutet, vereinfacht gesagt, Nachhaltigkeit: heute schon an morgen zu denken, an übermorgen, an nächstes Jahr oder an die Zeit in 10, 20, 30 Jahren. Und heute schon die richtigen Lösungen zu finden, damit die Art, wie wir jetzt leben, nicht zum Nachteil künftiger Generationen wird.

Wie vielfältig sich dabei das Engagement für mehr Nachhaltigkeit gestalten kann, das zeigen auch die Finalistinnen und Finalisten, Preisträgerinnen und Preisträger des heutigen Abends und der letzten 15 Jahre. An die allerersten erinnere ich mich noch. Damals war ich schon mal hier – das wurde eben erwähnt –, als Arbeitsminister. Heute gratuliere ich der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis herzlich zu diesem kleinen Jubiläum und natürlich zu Ihrer großartigen Arbeit in den vergangenen 15 Jahren.

Einer allerdings fehlt in der langen Reihe Ihrer Preisträger; das sind Sie selbst. Sie haben das Thema Nachhaltigkeit in seiner ganzen Bandbreite mit großer Fachkenntnis, aber eben auch mit Kreativität und mit einem Hauch Glamour in die breite Öffentlichkeit getragen - dorthin, wohin es gehört. In 15 Jahren haben Sie unzähligen engagierten Persönlichkeiten, Unternehmen und seit einigen Jahren auch Kommunen eine Bühne bereitet; eine Bühne, die Sie, die Finalisten und Preisträger, zu Recht verdienen. Denn Sie alle beweisen: Es geht. Veränderung ist möglich, wenn wir Dinge umdenken und vor allem umsetzen.

Dafür sind aus meiner Sicht drei Sachen notwendig, die Sie alle hier auch schon erfolgreich machen. Das Erste ist, dass wir uns klare Ziele und auch Etappenziele setzen. Das machen wir mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich an den globalen Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 orientiert und die wir auch kontinuierlich weiterentwickeln - ganz konkret erst vorgestern im Bundeskabinett.

Vor allem haben wir uns vorgenommen, dass Deutschland bis 2045 eines der weltweit ersten klimaneutralen Industrieländer wird und dass wir schon 2030 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien produzieren. Vergleichbar ist die Dimension dieser Aufgabe wohl nur mit der ersten industriellen Revolution, die in Deutschland vor über 200 Jahren auch hier an Rhein und Ruhr begann. So wie damals führt der Weg in eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe über die Förderung von Innovation und über Investitionen in eine neue Infrastruktur. Genau daran arbeiten wir.

Russlands brutaler Angriffskrieg auf die Ukraine, Putins Einsatz von Energie als Waffe, all das bestärkt uns darin, dabei noch schneller, noch entschlossener, noch innovativer vorzugehen, um unabhängig zu werden von fossilen Brennstoffen. Und das geht. Wer hätte noch vor einigen Monaten gedacht, dass Russland seine Gaslieferungen vollständig einstellt und wir trotzdem voller Zuversicht sagen können: Wir kommen wohl durch diesen Winter.

Wir haben die nötigen Gesetze auf den Weg gebracht, um Tempo zu machen beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Keine Sorge, ich werde Sie jetzt nicht mit Details und gesetzgeberischen Finessen von Frühling-, Sommer- und Herbstpaketen langweilen. Aber was ich schon sagen möchte, ist: Wir machen das jetzt. Die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien haben wir vereinfacht und beschleunigt. Gesetzliche Hürden sind abgeräumt, neue, höhere Ausbauziele stehen fest, damit jeder planen kann.

Wir stehen zu unseren Klimazielen ohne Wenn und Aber. Deshalb bin ich sehr froh über die Vereinbarung, die wir vor wenigen Wochen mit der hiesigen Landesregierung von Hendrik Wüst und Mona Neubaur getroffen haben. Ja, wir nehmen bis ins Frühjahr 2024 zusätzliche Kohlekraftwerke aus der Reserve ans Netz. Aber zugleich ziehen wir den Kohleausstieg in NRW auf 2030 vor und sparen so hunderte Millionen Tonnen CO2. Diese Vereinbarung wurde nicht nur mit der Regierung getroffen, sondern das notwendige Gesetz hat, liebe Frau Präsidentin, gestern Nacht der Bundestag beschlossen.

Das Zweite ist, dass wir Dinge gemeinsam anpacken, dass wir auch hier die Technologien nutzen, die es gibt und die uns helfen, uns besser zu vernetzen. Denn gerade bei einem so umfassenden Thema wie Nachhaltigkeit kommt man am besten voran, wenn ganz unterschiedliche Akteure und Disziplinen an einem Strang ziehen. Diese Erkenntnis trägt der Deutsche Nachhaltigkeitspreis in seiner DNA. Auch das zeigt ein Blick auf die breite Liste der Preisträgerinnen, Preisträger und Nominierten des heutigen Abends.

Auch wir als Bundesregierung sorgen für bessere Vernetzung auf ganz unterschiedlichen Ebenen. International haben wir beim G7-Gipfel, dem Gipfel der wirtschaftsstarken Demokratien, im Sommer in Elmau den Grundstein für einen weltweiten offenen Klimaclub gelegt. Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Zusammenkunft, der Klimakonferenz in Scharm El-Scheich, sind weitere Unterstützer hinzugekommen.

National haben wir im Herbst gemeinsam mit den Ländern ein Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit gestartet, das der Rat für nachhaltige Entwicklung jetzt aufbaut. Damit existiert nun endlich eine Plattform, die alle Nachhaltigkeitsinitiativen in Deutschland bündelt und miteinander verbindet, von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern über Vereine, Kommunen, Wohltätigkeitsorganisationen, insgesamt die Politik bis zu Wissenschaft, Sport und Wirtschaft. Wenn Sie so wollen, haben wir uns dabei einfach Sie und Ihre Arbeit hier zum Vorbild genommen.

Mein dritter und letzter Punkt, wie wir vom Umdenken auch zum Umsetzen kommen, ist: Wir müssen Nachhaltigkeit anders erzählen. Mich hat es jedenfalls nie überzeugt, Nachhaltigkeit automatisch mit Verzicht gleichzusetzen. – Heute Abend sieht es ja auch nicht danach aus. – Wachstum und Fortschritt sind in uns angelegt, aber nicht als ein Weniger, sondern vor allem als smarter und besser. Genau das bedeutet doch nachhaltiges Handeln. Deshalb ist Nachhaltigkeit auch der Schlüssel für Wachstum und Fortschritt, der Schlüssel für langfristigen Erfolg und für die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft.

Und noch einen Grund gibt es, warum Verzicht in einer klimaneutralen Welt uns dem Erreichen der Entwicklungsziele nicht wirklich näherbringt: Die Staaten Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und der Karibik werden nicht auf ihr gutes Recht verzichten, Wohlstand zu erreichen, wie er für uns selbstverständlich ist. Ein solches Wachstum aber übersteht unser Planet nur, wenn wir Wachstum und Klimaschutz in Einklang bringen. Und auch das geht. Mehr noch: Mit unserer starken Maschinenbau-, unserer Chemie- und Elektroindustrie und unserem Know-how bei Mobilität und grünen Technologien, mit Ideengebern und Vorreitern wie den Preisträgern und Nominierten des heutigen Abends haben wir beste Chancen, hier in Deutschland die Technologien zu entwickeln und in die Breite zu tragen, die weltweit für die Transformation gebraucht werden. Davon profitieren dann letztlich auch alle.

Das ist das Ziel, um das es gehen muss: gemeinsam mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, weltweit und zum Nutzen aller. Ich weiß, das ist auch Ihr Ziel, meine Damen und Herren. Das zeichnet Sie aus, egal ob Sie heute mit einem Preis nach Hause gehen oder nicht. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Glückwunsch allen Preisträgerinnen und Preisträgern und auch allen Nominierten! Wie und wo immer Sie sich für Nachhaltigkeit einsetzen, – im Hier und Jetzt mit dem festen Blick nach vorn, – Sie erweisen unserem Land, unserem Planeten und uns allen damit einen sehr großen Dienst.

Schönen Dank.