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Foto: Olaf Scholz
© Maximilian König
15.08.2022 | Berlin

Rede anlässlich des 80. Geburtstags von Friede Springer

Sehr geehrte Frau Springer,
lieber Herr Döpfner,


meine sehr geehrten Damen und Herren,
„Ich habe Entscheidungen getroffen, Herausforderungen angenommen und nie aufgegeben. Eigentlich war es das schon.“


Was ich gerade zitiert habe, ist die wohl kürzeste Dankesrede, die je bei einer Preisverleihung in Deutschland gehalten wurde. Sie stammt von Ihnen, liebe Frau Springer. Im Jahr 2013 war das. Sie wurden damals in die „Hall of Fame“ der deutschen Wirtschaft aufgenommen, als dritte Frau überhaupt.


Bei der Vorbereitung auf diese Feierstunde heute bin ich auf diese kleine Episode gestoßen. Sie ist mir im Kopf geblieben, weil sie, wie ich finde, viel über die Frau aussagt, die wir heute feiern, über Sie, liebe Friede Springer.


Da sind zunächst Ihre norddeutsche Kürze und Direktheit, die jemandem, der auf der Insel Föhr geboren wurde, vermutlich in die Wiege gelegt sind. Mir ist das überaus sympathisch, nicht nur, weil ich für meinen effizienten Stil der Kommunikation mitunter wortreich kritisiert werde. Einige der Anwesenden dürfen sich durchaus gemeint fühlen.

Erst denken, dann reden so haben Sie es immer gehalten, liebe Frau Springer. Das scheint mir ein gutes Rezept zu sein, gerade in einer Zeit, in der das Denken manchmal zu kurz kommt gegenüber dem „Viel-und-laut-darüber-Reden“.

„Eigentlich war es das schon.“ Wer so sein Lebenswerk und eine Erfolgsgeschichte wie Ihre zusammenfasst, der ist aber nicht nur norddeutsch-nüchtern. Bescheidenheit und Bodenhaftung, das sind Eigenschaften, die jede und jeder sofort nennt, der Sie beschreibt. Sie haben sich nie in die erste Reihe gedrängt, wie es manch anderer an Ihrer Stelle getan hätte. Aber Sie sind der Pflicht auch nie ausgewichen, wenn sie gerufen hat.


Nach dem Tod Ihres Mannes 1985 war so ein Moment. Mutig, mit klarem Wertekompass, dabei immer offen für Neues so ist durch Ihr Zutun aus einem deutschen Zeitungsverlag ein internationales Medienunternehmen von Weltrang geworden.


In einer Zeit, in der sich viele Medienunternehmen im Umbruch und manch eines in der Krise befinden, kann man beim Blick auf die Springer-Verlagsgruppe nur zu dem Schluss kommen: Die Entscheidungen, die Sie getroffen haben etwa früh und entschlossen auf digitale Angebote zu setzen , zahlen sich aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Das ist ein Gewinn, auch für den Medienstandort Deutschland insgesamt.


Übrigens: Ich sage das in dem vollen Bewusstsein, dass der Beziehungsstatus zwischen den Springer-Medien und der Sozialdemokratischen Partei historisch ja eher in die Kategorie „it’s complicated“ fällt. Er ist kompliziert, aber kein Grund zur Klage. Wer dennoch klagt, der hat vielleicht die Rolle freier Medien in einer Demokratie missverstanden: Ohne freie, kritische Presse keine Demokratie und ohne Toleranz und Freiheit im Geist keine freie Presse.


Sie, liebe Frau Springer, haben diese Zusammenhänge immer gesehen und entsprechend gehandelt. Es heißt, Beschwerden über redaktionelle Inhalte, die bei Ihnen auf dem Tisch oder mittlerweile wohl auf dem Handy landen, würden mit einem klipp und klaren Hinweis beantwortet: „Bitte wenden Sie sich an die zuständigen Redakteure. Sie allein sind für die Inhalte verantwortlich.“


So führt jemand, der Freiheit im Geiste zu schätzen weiß, der Vertrauen in seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt. Extremismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Hass und Hetze in den vermeintlich „sozialen“ Medien alles Spalterische ist Ihnen zuwider. Mit dieser Haltung prägen Sie auch andere. Das ist wichtig, gerade heute.


Denn seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Herausforderungen, vor denen unser Land stand, wohl noch nie so groß und damit auch die Fliehkräfte, die an unserer Gesellschaft zerren, die den sozialen Zusammenhalt auf die Probe stellen.


Die „Zeitenwende“, von der ich im Februar im Bundestag gesprochen habe, geht weit über Russlands furchtbaren Angriff auf die Ukraine hinaus. Wir müssen Sicherheit in Europa und weltweit völlig neu und viel umfassender denken und organisieren.


Die ersten Schritte sind gemacht. Stichworte sind: Unabhängigkeit von russischer Energie, Transformation unserer Volkswirtschaft und Umstieg auf erneuerbare Energien, Sondervermögen für die Bundeswehr, Stärkung unseres transatlantischen Bündnisses, Erweiterung und Reform der Europäischen Union.


Wenn wir all das hinbekommen ich bin überzeugt, dass wir das mit Mut und Veränderungsbereitschaft schaffen , dann wird unser Land stärker und unabhängiger aus den gegenwärtigen Krisen hervorgehen, als es hineingegangen ist. Zugleich wissen wir: All diese Veränderungen haben tiefgreifende Konsequenzen für unser Land, für seine Bürgerinnen und Bürger, Konsequenzen, die wir vermitteln und erklären müssen. Wenn ich „wir“ sage, dann meine ich uns alle: Politik, Medien und Zivilgesellschaft gleichermaßen.


Auch deshalb habe ich Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und unabhängige Expertinnen und Experten im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ zusammengerufen, um an die gute Tradition unseres Landes anzuknüpfen, in schwierigen Lagen einvernehmliche Lösungen zu finden.


Denn es stimmt, liebe Frau Springer, was Sie bereits vor zehn Jahren anlässlich der Gründung Ihrer Stiftung gesagt haben: „Der Staat kann nicht alles.“


Das gilt umso mehr, wenn die Preise durch Energie- und Rohstoffengpässe und gestörte Lieferketten noch weiter steigen, wenn die Folgen für jede und jeden Einzelnen noch stärker spürbar werden sollten, als das schon jetzt der Fall ist.


Da helfen dann jene Eigenschaften, die Sie, liebe Frau Springer, in ihrer Blitz-Dankesrede 2013 benannt haben und die uns auch als Land eine gute Richtschnur in dieser Zeit sein können: Entscheidungen treffen, Herausforderungen annehmen, nie aufgeben.


Es sind die Eigenschaften einer „Zeitenwenden-Versteherin“. So hat die „Welt“ Sie in ihrer Ausgabe vom 15. August 2017 bezeichnet, fast schon prophetisch. Es sind die Eigenschaften einer Frau mit klaren Überzeugungen und großem Herzen. Es sind Ihre Eigenschaften, liebe Friede Springer.


„Eigentlich war es das schon“, würden Sie jetzt vermutlich hinzufügen, mit der Ihnen eigenen Bescheidenheit. Doch wir hoffen, dass es das noch lange nicht war. Bewahren Sie sich und uns allen noch lange Ihre Energie, Ihre Weisheit und Weitsicht, Ihre Gesundheit und vor allem Ihre Willens- und Tatkraft! Das wünsche ich Ihnen zu Ihrem runden Geburtstag!


Vielen Dank für alles, was Sie für unser Land, für seine freie Presse getan haben und weiterhin tun! Und herzlichen Dank für die Einladung!