Sehr geehrter Herr von Appen,
sehr geehrter Herr Ide,
sehr geehrter Herr Hasbún,
sehr geehrter Herr Schiess,
Excelencias,
Señoras y Señores,
¡Qué gran manera de empezar este día!
Bajo el cielo chileno, famoso por ser tan puro y azulado como hoy. Con los Andes al fondo y la ciudad a nuestros pies. Y sobre todo en la excelente compañía de todas y todos ustedes.
¡Gracias por haberme invitado!
¡Y muchas gracias, señor Schiess, por abrirnos las puertas de Tánica esta mañana!
Bitte sehen Sie mir nach, dass ich auf Deutsch fortfahre. Zu meiner Schulzeit hieß die zweite Fremdsprache in der Regel noch Latein. So kann ich nur mit einem gewissen Neid auf die jungen Leute blicken, die heute zu Hunderttausenden an deutschen Schulen Spanisch lernen. Dabei habe ich seit meiner Ankunft gestern in Chile gespürt, dass Sprachkenntnisse zwar hilfreich, aber keineswegs notwendig sind, um einander zu verstehen. Wir sind uns nah, und zwar trotz der großen geographischen Distanz zwischen unseren Ländern. Nähe trotz Ferne, das funktioniert, weil wir auf eine tiefe innere Verbundenheit aufbauen können.
Schon früh war Chile Ziel deutscher Auswanderer. Wir haben es schon gehört. Ich habe mir sagen lassen, dass auch einige von Ihnen deutsche Vorfahren haben. Sie haben dieses Land mit aufgebaut, an Universitäten gelehrt, Schulen, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen gegründet, auch Unternehmen wie dieses hier. Nicht umsonst ist unsere Außenhandelskammer hier in Chile gemeinsam mit denen in Argentinien, Brasilien und Uruguay die älteste deutsche Außenhandelskammer außerhalb Europas. Mit rund 600 Mitgliedsunternehmen ist sie bis heute die größte bilaterale Kammer weltweit. Das ist ein starkes Zeichen für die Lebendigkeit unserer wirtschaftlichen Verbindungen. Ich bin Ihnen allen sehr dankbar für Ihren Anteil daran.
Nach der deutschen Wiedervereinigung und nach dem Ende der Diktatur in Chile ist unsere Freundschaft noch enger geworden, auch dank vieler Chileninnen und Chilenen, die in Deutschland in der Zeit der Militärdiktatur im Exil waren und mit deutschen Stipendien studieren konnten. Heute teilen wir unsere demokratischen Werte und die Überzeugung, dass individuelle Freiheit und soziale Sicherheit Hand in Hand gehen müssen. Darin sind wir uns ähnlicher als die meisten Länder und Regionen der Welt.
Noch etwas eint uns. Wir sind progressive Gesellschaften, verbunden mit dem Ziel, unsere Wirtschaft neu auszurichten, aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen und klimaneutral zu produzieren. Das ist die große Zukunftsaufgabe, vor der wir, vor der die ganze Menschheit in den kommenden Jahrzehnten steht. Wie drängend die Aufgabe ist, sehen wir an den sich beschleunigenden konkreten Zeichen des Klimawandels. Vor wenigen Tagen hat sich in der Antarktis ein gigantischer Eisberg gelöst. Er ist fast zehnmal so groß wie die Insel Rapa Nui. Chile und Deutschland haben sich für diese Zukunftsaufgabe gleichermaßen ehrgeizige Ziele gesetzt. Beim Kohleausstieg sind wir nah beieinander, was das Ausstiegsdatum betrifft. Bis 2030 wollen wir mindestens 80 Prozent unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken, um dann Mitte der 40er-Jahre vollständig klimaneutral zu wirtschaften. Chiles Klimaschutzgesetz vom Juni 2022 hat diesbezüglich in der Region und auch weltweit Standards gesetzt.
Umso wichtiger ist es, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dass diejenigen, die mit solch ambitionierten Regeln vorangehen, keine Nachteile davontragen. Das ist die Idee hinter dem Klimaclub, den wir unter deutscher G7-Präsidentschaft im Dezember gegründet haben. Es geht darum, ein „level playing field“, also vergleichbare Standards zwischen unseren Ländern beim Klimaschutz, zu schaffen. Dazu reden wir über gemeinsame Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung der Industrie, über Standards und Zertifizierungen, die Investitionen in grüne Produkte lenken, und bauen internationale Leitmärkte für grüne Technologien auf.
Bis zur Klimakonferenz Ende dieses Jahres soll der Klimaclub seine Arbeit aufnehmen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Präsident Boric meine Einladung angenommen hat, den Co-Vorsitz für die weiteren Arbeiten beim Klimaclub zu übernehmen. So kommt der Klimaclub und damit die internationale Abstimmung auf dem Weg zur Klimaneutralität voran.
Welche gewaltigen Chance neben allen Herausforderungen in der Transformation zu erneuerbaren Energien, zu Windkraft, Solar- und Wasserkraft sowie Biomasse, steckt, muss ich hier in Chile wahrscheinlich niemandem erklären. Ihr Land bietet alles, was es für diese Transformation braucht: verlässliche Sonne in den Wüsten des Nordens, Wasserkraft aus den gewaltigen Bergen, Windkraft in den enormen Weiten des Südens. Man kann dem großen deutschen Filmemacher Werner Herzog nur zustimmen, der vor wenigen Tagen erneut am Congreso Futuro hier in Santiago teilgenommen hat, wenn er seine ganz besondere Liebeserklärung an Chile in die Worte fasst: „a country of many blessings“. Dieses enorme Potenzial gemeinsam noch stärker zu nutzen, ist einer der Gründe, weshalb mich meine erste Lateinamerikareise als Bundeskanzler hierher nach Chile führt.
Der zweite Grund ist vielleicht eher biographischer Natur. Für einen Hamburger wie mich liegt Chile besonders nahe. Von den ersten Handelsschiffen über die Tanker der Hamburg-Süd bis hin zum Zusammenschluss von Hapag-Lloyd mit der chilenischen Reederei Compañía Sudamericana de Vapores und dem kürzlich erfolgten Einstieg von Hapag-Lloyd beim chilenischen Hafenbetreiber SAAM; von der ersten deutschen Seemannsmission in Valparaíso bis zur Gründung einer EU-Lateinamerika-Karibik-Stiftung, der EU-LAC-Stiftung in Hamburg während meiner Zeit als Bürgermeister dort, ist Chile in der Vergangenheit und Gegenwart meiner Heimatstadt präsent. Selbst eine UNESCO-Welterbestätte erinnert in Hamburg an diese enge Verbindung, nämlich das prächtige expressionistische Chile-Haus, ein Wahrzeichen Hamburgs und Zeugnis unserer engen Handelsbeziehungen.
Zugleich ist dieses Chile-Haus, gebaut in den 20er-Jahren mit den sprudelnden Einnahmen aus dem Salpeter-Boom, auch eine Mahnung – die Mahnung, verantwortlich mit den Reichtümern umzugehen, die hier in Chile über und unter der Erde lagern; eine Mahnung, Handelsbedingungen zu schaffen, die fair sind, die beiden Seiten nützen, die Wertschöpfung ermöglichen, hier in Chile und auf den Exportmärkten; und eine Mahnung, sich nicht allzu abhängig von einem Exportprodukt, von einem Lieferanten oder einem Abnehmer zu machen.
„My specialization is diversification“, das haben Sie, sehr geehrter Herr Schiess, in einem Interview an der Harvard Business School einmal gesagt. Das war natürlich auf Ihr Unternehmen bezogen. Diversifizierung ist aber auch das Gebot der Stunde für unsere Volkswirtschaften. Das haben uns die Pandemie, die Lieferkettenprobleme und die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gelehrt. Sie alle wissen, dass sich Deutschland innerhalb der vergangenen elf Monate komplett unabhängig von russischem Gas, russischem Öl und russischer Kohle gemacht hat. Kurzfristig ersetzen wir das durch höhere Importe aus anderen Ländern und auch durch Flüssiggas über neue Terminals an unseren Küsten. Parallel dazu beschleunigen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien, schaffen unter Hochdruck die dafür nötige Infrastruktur und bauen weltweit die ersten Lieferketten für grünen Wasserstoff auf.
Klar ist, dass Deutschland auch in der Wasserstoffwelt ein Land bleiben wird, das Energie importiert. Chile hingegen kann zum Exporteur dieser sauberen Energie werden. Die Bedingungen dafür zählen hier zu den besten der Welt. Erst vor wenigen Wochen hat im tiefen Süden Chiles die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Herstellung von klimaneutralem Kraftstoff mit einer Anschubfinanzierung der Bundesregierung und mit Siemens Energy und Porsche als starken Partnern aus der Industrie ihren Betrieb aufgenommen. Ich kann Sie nur dazu ermutigen, diesen Weg gemeinsam mit den deutschen Partnern weiterzugehen. Es winkt ein nachhaltiger Boom, der ganz anders als damals beim Salpeter allen Seiten nützt. Unsere politische Unterstützung dafür jedenfalls haben Sie.
Das gilt auch für Kooperationen im Rohstoffbereich von Kupfer bis Lithium. Deutschland und Europa haben auch dort größtes Interesse daran, unsere Lieferbeziehungen zu diversifizieren. Ich weiß, dass das vielen so geht. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es im globalen Wettbewerb des 21. Jahrhunderts eben nicht reicht, Rohstoffe einfach nur abzutransportieren, ohne Rücksicht auf die Umwelt, ohne vernünftige Arbeitsbedingungen, ohne Wertschöpfung vor Ort, wie 1920 den Salpeter. Die chilenische Regierung tut gut daran, auf einen nachhaltigen Bergbau zu setzen – beispielsweise was den CO2-Footprint angeht –, die Wassereffizienz und die Einhaltung der Menschenrechte voranzustellen. Das habe ich gestern auch Präsident Boric gesagt. Mehr noch: Vernünftige Sozial- und Umweltstandards sind eine Chance für das Engagement deutscher und europäischer Unternehmen hier in Chile.
In Deutschland haben wir vor nicht allzu langer Zeit ein Gesetz beschlossen, das bestimmte Sorgfaltspflichten für weltweite Lieferketten festschreibt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass Partnerschaften nur dann stabil funktionieren, wenn sie nachhaltig sind, wenn Umweltschutzstandards eingehalten werden und wenn es eben Vorteile für alle Seiten gibt.
Schon lange beliefern deutsche Unternehmen den chilenischen Bergbau und Rohstoffsektor mit Technologie und Know-how. Unterstützt werden sie dabei seit vielen Jahren von der AHK mit ihrem Kompetenzzentrum „Bergbau und Rohstoffe“. Darauf wollen wir gerne aufbauen. Deshalb freue ich mich sehr, dass es uns hierbei gelungen ist, unsere bilaterale Rohstoffpartnerschaft zu erneuern und auf ein neues Level zu bringen, als Deutsch-Chilenische Partnerschaft für Bergbau, Rohstoffe und Kreislaufwirtschaft mit vertiefter Kooperation und regelmäßigen bilateralen Foren.
Auch über bessere Aus- und Fortbildung habe ich mit Präsident Boric gesprochen. Denn darin liegt ja die Voraussetzung dafür, dass Rohstoffe hier in Chile nicht nur abgebaut, sondern auch zum Beispiel verarbeitet werden können. Auch dabei finden Sie in deutschen Unternehmern richtige Partner, weil sie Erfahrung haben mit der dualen Ausbildung, für die Deutschland weltweit bekannt ist. Dafür steht das Berufsbildungszentrum INSALCO hier in Santiago, an dem das Who is Who der deutschen Wirtschaft beteiligt ist. Dafür stehen aber auch Projekte wie in der kleinen Stadt Peumo in der Region O’Higgins, wo die deutsche Firma Aurubis eine chilenische Berufsschule unterstützt und für die Digitalisierung lokaler Grundschulen sorgt, und viele weitere.
Solche Investitionen in die Zukunft, eine solche „german social responsibility“, gehört zur DNA unserer Unternehmen. Das freut mich, und es ist sogar ein echter Wettbewerbsvorteil. Und darauf können die Unternehmen wirklich stolz sein!
Auch hier wollen wir von Seiten der Politik für Rückenwind sorgen. Der stärkste Rückenwind ist wahrscheinlich das modernisierte Rahmenabkommen zwischen Chile und der EU, das nach fünf Jahren im Dezember endverhandelt werden konnte. Und wir reden hier nicht über irgendein Handelsabkommen, sondern über eines der modernsten der Welt. Nicht nur Zölle und Handelshemmnissen fallen dadurch weg. Dieses Abkommen hat Vorbildcharakter, weil es neue Maßstäbe in Sachen Umwelt- und Sozialstandards setzt, weil es die Resilienz unserer Volkswirtschaften in Europa und in Chile stärkt.
Wenn ich von Vorbildcharakter spreche, dann verbinde ich damit natürlich auch die Hoffnung auf neuen Schwung in den Gesprächen mit dem MERCOSUR. Der Regierungswechsel in Brasilien hat die Aussichten auf einen zügigen Abschluss deutlich verbessert. Und so will ich morgen in Brasília gegenüber Präsident Lula da Silva dafür werben, dass wir auch dieses Abkommen jetzt über die Ziellinie bringen. Denn von einem bin ich zutiefst überzeugt: Nicht der Rückzug in nationale Schneckenhäuser, nicht Zollschranken, Deglobalisierung oder De-Coupling sind die richtigen Antworten auf die Herausforderungen, die wir derzeit in der Weltwirtschaft erleben, sondern mehr Austausch von Technologie und Innovation und die kluge Diversifizierung von Lieferketten und Rohstoffpartnerschaften. Dass Chile dabei für uns ein Wunschpartner ist, habe ich hoffentlich deutlich gemacht.
Damit aus dem Wunsch Realität wird, dafür haben auch Sie, der chilenische Industrieverband SOFOFA und der BDI, kürzlich eine wichtige Grundlage durch die Gründung eines neuen chilenisch-deutschen Wirtschaftsrats gelegt, der künftig Investitionen in Schlüsselsektoren wie erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff, die chemische Industrie, Transport und Logistik fördern soll. Dass diese zukunftsträchtige Vereinbarung ausgerechnet in meiner Heimatstadt Hamburg unterzeichnet wurde, nehme ich als gutes Omen für die Zukunft unserer Beziehungen und als gutes Omen dafür, dass für diese Beziehungen auch weiterhin gilt: Große Ferne, aber noch größere Nähe.
Muchas gracias por su atención! Schönen Dank für den herzlichen Empfang!