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14.05.2018

Rede beim Deutschen Steuerberaterkongress



Sehr geehrte Damen und Herren,

Steuerberatung ist wichtig. Sie, die Steuerberaterinnen und Steuerberater, helfen den Bürgerinnen und Bürgern, das wahrzunehmen, was ihr gutes Recht ist, und das soll auch so sein. Wenngleich es beim Thema Steuern mitunter etwas komplizierter sein kann als bei einer anwaltlichen Beratung im Nachbarschaftsstreit oder im Mietrecht.

Wie die Leistungen der Finanzbehörden und Gerichte ist die Steuerberatung ein fester Bestandteil unseres Steuersystems. Sie sind ein Organ der Rechtspflege. Dabei haben Sie als Steuerberaterinnen und Steuerberater durch ihren spezifischen Arbeitsauftrag immer den Blick derjenigen, die fragen, was genau ihr Recht ist. Sie, meine Damen und Herren, müssen das anwenden und erklären, was wir in die Gesetze schreiben.

Es ist deshalb immer ein Gewinn, wenn wir uns aus beiden Perspektiven der Frage widmen, ob unsere Gesetze so funktionieren, wie sie sollen. Ob sie das Ziel erreichen, für das sie gedacht waren. Ich freue mich über die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und der Bundessteuerberaterkammer. Und ich halte es für wichtig, dass wir den regelmäßigen Austausch weiterführen, etwa zur Vereinfachung des Steuerrechts und der Digitalisierung von Steuererfassungsprozessen.

Mich würde dabei zum Beispiel interessieren, wie Sie die Zukunft ihrer Branche im digitalen Zeitalter sehen. In der berühmten Oxford-Studie der Wissenschaftler Frey und Osborne über das Automatisierungspotenzial der Digitalisierung gehört der tax preparer zu den am meisten gefährdeten Berufen. In den nächsten 20 Jahren, gebe es eine Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent, dass dieser durch Technologie ersetzt werde.

Nun ist der tax preparer ganz sicher nicht gleichzusetzen mit dem anspruchsvollen Beruf des Steuerberaters. Es zeigt aber, dass vieles im Wandel ist und die Digitalisierung für uns eine gemeinsame Aufgabe ist.

Deutschland ist anders. Wir sind ein Industriestaat in einer international vernetzten Welt. Unsere Wirtschaft ist wie kaum eine andere europäisch und international verflochten. Nicht nur die großen deutschen Konzerne, sondern auch und gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen liefern Güter und Dienstleistungen für den Weltmarkt. Darunter sind viele hidden champions, Weltmarktführer auf ihrem Gebiet oder mit ihrem Produkt. Sie sind das oft zitierte Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und übrigens auch des Staates, weil sie Arbeitsplätze schaffen und erhalten und einen ganz erheblichen Teil zum Steueraufkommen beitragen. Mit Ihrer Beratung natürlich.

Unser Ziel ist, Finanzpolitik einerseits an ökonomischer Effektivität ausrichten und andererseits das Leitprinzip der Gerechtigkeit zu sichern. Das meint auch, den wirtschaftlichen Erfolg im Blick zu behalten. Er ist Voraussetzung dafür, dass Staat und Politik Verteilungsgerechtigkeit gewährleisten können.

Unsere Aufgabe ist es dabei, die internationalen Umwälzungen in der Veränderung der Produktion, der Kommunikation und der Arbeitsteilung nicht nur nachzuvollziehen, sondern sie aktiv mitzugestalten. Deutschland muss die Globalisierung für sich nutzen für die Wirtschaft, die Sicherung der Arbeitsplätze und für bessere Lebensbedingungen. Das schaffen wir als Nation, auch wenn wir zu den wirtschaftlich Großen gehören, nicht alleine. Unsere Kraft und unsere internationale Verhandlungsfähigkeit ziehen wir aus der Europäischen Union.

Zugleich müssen wir dafür sorgen, dass die Bürger auch persönlich merken, wie sehr unsere Wirtschaft von der Globalisierung profitiert. Dabei gilt die Faustregel: Je freier Kapital, Waren, Dienstleistungen zirkulieren, desto verlässlicher und zielgenauer muss der Sozialstaat sein.

Gefordert ist er etwa im Hinblick auf die digitalen Plattformen (wie etwa UBER, Lieferando, Jovoto, Helplink), die Dienstleistungen vermitteln und dabei das Arbeitsrecht oder die Grundsätze der Sozialversicherung zu umgehen versuchen.

In unserer digitalisierten und globalisierten Welt, die für den Einzelnen oft unübersichtlich geworden ist, muss das Wirtschafts- und Sozialsystem verlässliche Perspektiven bieten. Deutschland muss ein Land sein, in denen alle die Erwartung haben dürfen und die Erfahrung machen können, dass es sich lohnt, zu lernen, sich Arbeit zu suchen und sich anzustrengen.

Das zu organisieren und sicherzustellen ist eine besondere Aufgabe des Staates und derjenigen, die in die Verantwortung gewählt werden. Wir nehmen sie an und sorgen für eine solide, sozial gerechte und zukunftsorientierte Finanzpolitik.

In den vergangenen Jahrzehnten hat Deutschland zu viele Schulden aufgehäuft, auf Bundesebene, in den Ländern und den Kommunen. Diese Bundesregierung wird wie auch die vergangene - keinen neuen Schulden machen. Erstmals seit 17 Jahren wird es gelingen, die EU-weit vereinbarte Schuldengrenze von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu unterschreiten. Mit dem Verzicht auf Schulden schieben wir die Verantwortung für die Gegenwart nicht an zukünftige Generationen weiter, sondern tragen sie selbst.

Wir müssen die finanziellen Spielräume, die sich heute eröffnen, aber auch für die Zukunft sichern. Deutschland braucht eine gute Konjunktur. Deshalb müssen wir das Wachstum weiter ankurbeln. Das geht durch mehr und kluge Investitionen.

180 Milliarden Euro stehen bis 2022 für Investitionen zur Verfügung. Bereits im Haushalt 2018 werden die investiven Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um drei Milliarden Euro auf 37 Milliarden Euro anwachsen. Der größte Anteil der Investitionen wird zur Verbesserung der Mobilität eingesetzt, außerdem für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie dem Breitbandausbau. Damit machen wir unser Land zukunftsfähig.

Auch das deutsche Steuersystem sollte wachstumsfreundlich aufgestellt sein. Es soll jedoch nicht dazu dienen, die Gewinne weniger größer zu machen, sondern es dient dem Zweck, dass alle einen Beitrag leisten, ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend. Denn alle profitieren ja schließlich auch von öffentlichen Gütern wie Bildung, Sicherheit und Infrastruktur.

Ein gutes Steuerrecht ist ein Recht, das Möglichkeiten eröffnet und sicherstellt, dass sich die deutsche Wirtschaft entwickeln kann.

Denn es darf ja nicht vergessen werden: Die wirtschaftliche Dynamik, der Wohlstand und der Großteil der Arbeitsplätze entstehen aus unzähligen einzelnen unternehmerischen Entscheidungen. Die staatliche Politik setzt nur den Rahmen, ist begleitend, unterstützend und manchmal steuernd.

Aber noch eins ist wichtig: Unsere Wirtschaft prosperiert, weil Deutschland eine konkurrenzfähige Wissenschaftslandschaft, sehr gut ausgebildete Fachkräfte und ein stabiles soziales Sicherungssystem hat. Wettbewerbsfähigkeit und zuverlässige soziale Systeme sind wie Verteidiger und Stürmer in einem starken Team.

Die Fachkräfte für Wirtschaft von Morgen und Übermorgen kommen jetzt in die Kitas, entscheiden sich später für einen Beruf und erarbeiten das Wissen für die Technik der kommenden Generation. Deshalb ist es so wichtig, auch in die soziale Infrastruktur unseres Landes zu investieren, in Wissenschaft, Bildung und Ausbildung.

Ich freue mich übrigens sehr über die Kampagnen der Bundessteuerberaterkammer zur Information über das Berufsfeld. Der Berufsstand der Steuerberater nimmt an Bedeutung zu. Und es ist in unserem gemeinsamen Interesse, weiterhin eine hohe Qualität der Ausbildung zu sichern. Sowohl in der Dualen Ausbildung zur (oder zum)  Steuerfachangestellten und als auch durch ein hohes Niveau der Steuerberaterprüfung, die die Qualität der Steuerberaterinnen und Steuerberater sicherstellt.

Arbeit ist das zentrale Bindeglied des Gemeinwesens, deshalb müssen wir dafür sorgen, dass jeder eine gute Ausbildung bekommt und niemand verloren geht. Das Deutschland so gut dasteht, liegt ja auch an der hohen Qualität unserer beruflichen Ausbildung. Und es müssen sich denen, die einen neuen Beruf lernen wollen, immer wieder Chancen bieten.

Die soziale Marktwirtschaft basiert auf dem klaren Prinzip: Man muss mit Erwerbsarbeit klar kommen können. Wenn das trotz der Sozialpartnerschaft nicht funktioniert, muss der Staat korrigieren. Deshalb ist der gesetzliche Mindestlohn so wichtig. Und deshalb haben wir im Koalitionsvertrag auch den Mindestlohn für Lehrlinge festgeschrieben.

Und: Bürgerinnen und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen müssen sich eine Wohnung leisten können, auch da, wo es Arbeit gibt und nicht Kilometer weit weg. Deshalb werden wir den Wohnungsbau weiter unterstützen.

Auch steuerpolitisch setzen wir auf verlässliche, wachstumsfreundliche und gerechte Rahmenbedingungen. Ich möchte kurz einige der Maßnahmen ansprechen, die vor uns liegen:

·     Die Reform der Grundsteuer, die ja auch ein Anliegen der Bundessteuerberaterkammer ist, wird kommen. Wir haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit den Ländern bereits erste konstruktive Gespräche geführt.

Die Neuregelung muss sicherstellen, dass die Gemeinden ihre Aufgaben gut wahrnehmen können. Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen und soll diesen unbedingt erhalten bleiben. Wir müssen dabei Regelungen entwickeln, die für ländliche Räume ebenso passen wie für boomende Metropolregionen. Und wir müssen die Konsequenzen für das Mietenniveau, die soziale Zusammensetzung und die Durchmischung der Regionen bedenken. Das wird mit den Erfahrungen für konstruktive Einigungsprozesse sicher gelingen, aber leicht ist es nicht. Der Zeitplan ist angesichts der komplexen Aufgabe durchaus sportlich. Bund und Länder nehmen diese Herausforderung an. Und über eines sind wohl alle einig. Es soll strukturell nicht zu Steuermehreinnahmen kommen.

·    Der  Solidarpakt endet 2019. Den Solidaritätszuschlag auf Dauer als Ergänzungsabgabe zu halten, lässt die Verfassung nicht zu. Wir werden ihn schrittweise abbauen. Davon werden vor allem kleine und mittlere Einkommen profitieren. Wir rechnen so, dass 90 Prozent derjenigen, die bisher den Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer zahlen, vollständig entlastet werden. Das sind insgesamt etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr. Darunter sind übrigens auch Handwerker und Gesellschafter von Personengesellschaften. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Steuergerechtigkeit.

·     Wir wollen Familien stärken. Familien halten unsere Gesellschaft zusammen, in Familien wird ein guter Teil der Erziehung geleistet. Aber viele Familien mit kleinen und mittleren Einkommen müssen am Monatsende jeden Euro zweimal umdrehen. Mit einer Reihe von Maßnahmen werden wir ihren finanziellen Spielraum erweitern. Der soziale Wohnungsbau gehört dazu, die gebührenfreien Kitas oder auch die weitgehend kostenfreie Bildung. Eine weitere Unterstützung ist die Erhöhung des Kindergeldes. Es wird 2019 um 10 Euro pro Kind und 2021 um weitere 15 Euro erhöht, mit einer entsprechenden Anpassung des Kinderfreibetrags.

 

·     Auch die Entscheidung für das Baukindergeld gehört zur finanzpolitischen Familienförderung: Wir wollen die Familien unterstützen, die gerne ein eigenes Zuhause erwerben wollen.

Diese Vorhaben helfen, unser Land besser zu machen. Und gerechter.

Ein Gerechtigkeitsproblem sind Steuerbetrug, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Allen, die sich an die Regeln halten und ihre Steuern zahlen, ist das zu Recht ein Dorn im Auge. Ein Arbeitnehmer kann seine Einkünfte nicht verschleiern, verschieben oder in dubiose Gestaltungsmodelle stecken. Diejenigen, die das tun, verweigern ihren Beitrag zu der Gemeinschaft, in der sie leben und deren Möglichkeiten sie nutzen. Das ist zutiefst unredlich.

Dem müssen wir entgegentreten. Auch und nicht zuletzt international. Denn Steuerbetrug, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sind ein Problem mit internationaler Reichweite. Deutschland wird deshalb die Maßnahmen gegen die Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) umsetzen. Die BEPS- Empfehlungen sind eine solide Sache, 113 Staaten haben sie bis jetzt unterschrieben. Jetzt kommt es darauf an, sie Wirklichkeit werden zu lassen.

Und auch in der Europäischen Union wollen wir vorankommen: Das reicht von einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage und hoffentlich klugen Korridoren bei der Körperschaftsteuer bis hin zu Maßnahmen gegen Mehrwertsteuerbetrug und staatliche Steuerdumpingmodelle. Dazu brauchen wir engagierte und klare neue Initiativen auf EU-Ebene, für die wir sorgen wollen. Auch die Finanztransaktionssteuer ist ein gutes Instrument. Wir haben uns im Koalitionsvertrag dazu bekannt.

Die Europäische Union hat aus der Verschränkung der Freizügigkeit von Waren, Kapital und Dienstleistungen mit den Bürgerrechten den erfolgreichsten Wirtschaftsraum der Welt gemacht. In einer Welt von bald 10 Milliarden Menschen ist die Europäische Union unser Kraftverstärker. Sie kann ihre Stärke einsetzen: für unsere gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen ebenso wie für Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz und Umweltfragen, wie wir es mit CETA gezeigt haben. Weder die USA noch China können uns die Terms of Trade vorschreiben. Wir werden auch weiterhin in Handelsfragen geschlossen auftreten.  Und hoffentlich auch künftig geschlossener in Steuerfragen.


Meine Damen und Herren,

auf Europa zu schauen, ist für Ihren Berufsstand heute eine Selbstverständlichkeit. Und das nicht nur für die, die für das internationale Steuerrecht besondere Kompetenzen besitzen. Jede Steuerberaterin, jeder Steuerfachangestellte weiß: Europäisches Recht gehört zu den Grundlagen, mit denen wir arbeiten. Aber Sie wissen auch: In der Europäischen Union gibt es viele verschiedene Steuerkonzepte und Interessen.

Für die Dynamik der Wirtschaft und im Sinne der Gerechtigkeit müssen die Mitgliedstaaten der EU ihr Steuerrecht besser koordinieren und wo sinnvoll harmonisieren. Das ist ein großes Vorhaben. Wir werden mit allen reden. Langfristig tragbare Konzepte sind kurzfristigen Maßnahmen vorzuziehen.

Staatliche Legitimität basiert auch auf einem stabilen, fairen und verlässlichen Finanzsystem. Die meisten Europäerinnen und Europäer erinnern sich noch sehr gut an die Finanzkrise. Sie wollen, dass so etwas nicht wieder geschieht.

Die Finanzkrise ist erst einmal im Wesentlichen bewältigt. Dabei ist mit einer enormen Geschwindigkeit gelungen, sich über schwierige und weitreichende Maßnahmen, wie die Errichtung der Bankenunion, zu einigen. Das war eine gute Leistung. Wir wollen sicherstellen, dass wir künftig unsere Ihre Steuergelder nicht mehr für die Stützung von Banken aufwenden müssen.

In Europa weiter voranzukommen bedeutet viel Arbeit. Denn wir müssen Lösungen finden, die alle mitgehen können. Dafür müssen wir mit allen Mitgliedstaaten sprechen und, vor allem, allen Mitgliedstaaten zuhören.

Es ist an uns, denen, die heute in Europa verantwortlich sind, Europa voran zu bringen. Wir dürfen es nicht verschieben. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten das von uns. Dem gerecht zu werden, ist die Basis für Vertrauen in die deutsche und die europäische Politik.

Vielen Dank!