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16.04.2018

Rede beim Jahresempfang des Bankenverbandes

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit neun Jahren steht heute wieder ein sozialdemokratischer Bundesminister der Finanzen vor Ihnen.

Wir haben in Deutschland durchaus eine gewisse Tradition von sozialdemokratischen Bundesfinanzministern:
Karl Schiller, Peer Steinbrück und natürlich Helmut Schmidt, um nur einige zu nennen.
Alles Finanzminister, die auch in unruhigen Zeiten,
mit kluger Finanzpolitik, dem Land und seinen Bürgerinnen und Bürgern gedient haben.

An diese Tradition möchte ich anknüpfen,
wissend, dass unsere gemeinsame Verantwortung eine Politik für das 21. Jahrhundert ist.

Ich möchte mich für die Einladung bedanken.
Für den Finanzplatz Deutschland und Europa ist es wichtig, dass der Bundesfinanzminister und die Finanzindustrie vertrauensvoll im Gespräch sind. Wir alle haben ein gemeinsames Interesse daran, Deutschland und Europa gleichermaßen auf die großen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, vorzubereiten.

Wenn Sie den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gelesen haben, werden Sie sicherlich bemerkt haben: Das erste Kapitel ist dem Thema Europa gewidmet.

Europa ist für Deutschland das wichtigste nationale Anliegen. Ein starkes Europa ist im Urinteresse Deutschlands. Als größtes Land und stärkste Wirtschaft in der Mitte des Kontinents sind wir auf eine erfolgreiche Europäische Union angewiesen.

Alles, was in Deutschland geschieht, alles, was wir tun oder lassen, hat für unsere europäische Partner Konsequenzen. Mit dieser Verantwortung müssen wir klug und vernünftig umgehen.

Die Herausforderungen für Europa und die Europäische Union sind nicht kleiner geworden. Da ist es aus meiner Sicht sehr bedauerlich, dass mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches zwar nicht Europa, aber doch die Europäische Union demnächst kleiner wird.

Großbritannien ist immer ein guter und verlässlicher Partner für uns in Europa gewesen. Gerade als Hamburger Bürgermeister konnte ich mit dem Pragmatismus der Briten immer viel anfangen. Manchmal auch mit ihrem Humor. Aber nun müssen wir ihre demokratische Entscheidung akzeptieren und unsere Anstrengungen darauf richten, dass wir auch für die Zukunft eine enge, vertrauensvolle und ausgewogene Beziehung beibehalten.

Auch wenn klar ist, dass Großbritannien, wenn es künftig nicht mehr denselben Regeln unterliegt, auch nicht mehr Teil des Binnenmarkts ist.

Der Brexit ist aber nur eine von vielen Herausforderungen, mit denen wir in Europa konfrontiert sind.

Um mit diesen Herausforderungen zurechtzukommen, müssen wir Lösungsansätze nicht aus der nationalen, sondern vielmehr aus der europäischen Perspektive gemeinsam erarbeiten. Das gilt für alle Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland. Von diesem einzigartigen Integrationsprojekt Europäische Union haben wir mit am meisten profitiert, jenseits der Debatten um Strukturhilfen und sogenannte Nettozahlungen.

Und seinem Erfolg sind wir besonders verpflichtet. Deswegen müssen wir mit unseren Partnern, insbesondere mit Frankreich, voranschreiten.

Wir müssen uns nicht nur um den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung kümmern, sondern auch gemeinsam die zentralen Politikfelder bearbeiten: Es geht um sichere Außengrenzen und die Regeln der Freizügigkeit im Innern. Es geht um Sicherheit und Freiheit, um kluge Investitionen und solide Haushalte. In all diesen Fragen wird Europa in einer Welt von bald 10 Milliarden Menschen auf Dauer nur Gehör finden, wenn es mit einer Stimme spricht.

Wir greifen gerne die Initiativen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf, gemeinsam Europa voranzubringen. Weil diese an das Gemeinsame erinnern. Weil sie vermeintlich oder tatsächlich Trennendes überwinden wollen. Genau das braucht Europa jetzt. Wir wollen wirklich vorankommen und etwas zum Besseren bewegen.

Wir müssen über die jetzt sinnvollen Schritte nachdenken und sprechen. Aber diese Schritte dann auch gehen. Wir haben uns vorgenommen, im Sommer loszulaufen.

Wir werden aktiv mitgestalten und kluge Lösungen finden, die breit gegangen werden können. Denn wir müssen das, was wir tun, den Bürgerinnen und Bürgern auch erklären, sie überzeugen können.

Das bedeutet nicht, dass sich in den letzten Jahren nichts bewegt hat. Gerade im Finanz- und Bankbereich haben wir Einiges schon erreicht, viel mehr in viel kürzerer Zeit sogar als es einige für möglich gehalten hätten.

Heute haben wir zum Beispiel eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank und einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus.

Wir haben wichtige Schritte zur Wiederherstellung der Stabilität und Widerstandsfähigkeit im europäischen Bankensektor unternommen. Jetzt geht es darum, die Bankenunion fortzuentwickeln. Nicht über das Ob, sondern über das Wie diskutieren wir dazu derzeit intensiv in Brüssel. Es geht darum, wie wir zu vernünftigen und klugen Lösungen kommen, die wirklich funktionieren. Dabei wird nicht zuletzt die richtige Reihenfolge, das sequencing, eine wichtige Rolle spielen.

Wenn wir hier jetzt weiter vorankommen wollen, müssen wir zuerst Fortschritte beim Abbau der Risiken und der berüchtigten NPL erreichen. Wichtig ist, dass wir den Anteil notleidender Kredite in den Bankbilanzen maßgeblich reduzieren. Auf dieser Basis können wir Beschlüsse über den common backstop für den Abwicklungsfonds treffen. Das haben wir so vereinbart.

Es geht um kluge und vernünftige Regeln, denn stabile und funktionierende Finanzmärkte sind für den wirtschaftlichen Wohlstand und den sozialen und politischen Zusammenhalt entscheidend.

Dies wird leider vielen erst dann bewusst, wenn unsere Finanzmärkte gerade nicht richtig funktionieren, vor allem in Krisenzeiten, wie zum Beispiel nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008.

Die daran anschließende Finanz- und Wirtschaftskrise hat einiges aufgedeckt, was in unseren Bankensystemen schiefgelaufen war. Ich selbst wurde damit, wie Sie wissen, aus nächster Nähe konfrontiert. Die Entwicklung bei der HSH Nordbank hat mir eindrucksvoll gezeigt, wie es eben nicht gehen darf.

In vielen Banken wurden Risiken angehäuft, die zum Teil gar nicht mehr verstanden wurden. Die darauf folgende Finanzmarktkrise hat wiederum die Refinanzierung ganzer Staaten in Frage gestellt.

Klar ist doch: Jeder muss wissen, was er tut. Es geht um gute, klare Geschäftsmodelle. Und Risiko und Haftung gehören zusammen: Wer ein hohes Risiko eingeht, muss entsprechende Vorsorge treffen, und, wenn es schiefgeht, die Verluste tragen.

Die Zeit ist seit der Finanzmarktkrise nicht stehen geblieben. Wir stehen vor weiteren, neuen Herausforderungen.

Denn, wir merken doch alle: Es ist etwas los in der Welt. Alte Gewissheiten sind nicht mehr selbstverständlich. Wir sind mittendrin in der Globalisierung und erst am Anfang des Zeitalters der Digitalisierung.

Es ist wichtig, in dieser Zeit der Ungewissheit, dass wir die richtige Haltung annehmen. Wir müssen die Entwicklungen zum Positiven gestalten, optimistisch angehen. Und zugleich dafür sorgen, dass diese Entwicklungen gut für alle werden.

Es erscheint vielleicht paradox, aber nur auf den ersten Blick: Trotz der seit langer Zeit sehr günstigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland fühlen sich gar nicht so wenige von dieser Entwicklung ausgeschlossen. Übrigens nicht nur in Deutschland.

Wir befinden uns in einer Zeit des ultra-schnellen gesellschaftlichen und technologischen Wandels. Die Globalisierung hat zu mehr Teilhabe und mehr Wohlstand geführt. Das gilt insgesamt und weltweit, und es gilt auch für unser Land. Aber je genauer wir hinschauen, desto differenzierter wird das Bild.

Nun sind populistische Parteien entstanden, vor allem am rechten Rand, überall auf der Welt. Sie haben mit der Idee Europas, dem Liberalismus, der Freiheit und der Solidarität nichts Gutes im Sinn. Sie nutzen aus, dass viele Menschen mit Sorge statt Zuversicht in die Zukunft blicken.

Deshalb ist es die Aufgabe dieser neuen Regierung, Antworten auf die Herausforderungen zu finden, Zuversicht zurückzugewinnen.

Aber auch die, für die diese neuen Entwicklungen vorteilhaft sind, verlassen sich darauf, dass wir einen staatlichen Rahmen finden und umsetzen, der Unsicherheit nimmt. Die digitale Welt eröffnet zum Beispiel mobiles Arbeiten, eine neue Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Doch diejenigen, deren Arbeit in Zukunft von neuen Technologien erledigt werden kann, wollen sich zumindest darauf verlassen können, dass sie sich neu qualifizieren können, durch Bildung und Weiterbildung.

Denn wie Sie alle hier wissen: Es ist ja nicht nur das autonome Fahren und der vielzitierte LKW-Fahrer selbst eine Banklehre garantiert heute nicht mehr, dass man seinen Beruf bis zum Renteneintritt ausüben kann.
 
Ich teile nicht die Vorstellung vom Ende der Arbeit, ob nun als Dystopie oder Utopie. Aber es ist wichtig, dass wir die Fachkräfte für die Arbeit von morgen haben.

Und dabei müssen wir die Wirtschaftsstruktur in Deutschland im Blick behalten. Diese ist ganz überwiegend durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt. Unsere KMU sind auf Fachkräfte ebenso angewiesen wie auf eine solide und moderne Infrastruktur Straßen, Wasserstraßen, Breitband, Internet, Logistik und natürlich den Hamburger Hafen, dieser Hinweis sei erlaubt.

Das alles funktioniert nur, wenn wir klug und ausreichend investieren.

Die notwendigen öffentlichen Investitionen werden wir, wenn man über den Tag hinaus denkt, nur dann leisten können, wenn wir auch weiterhin eine solide Finanz- und Haushaltspolitik machen.

Sie merken: Ein deutscher Bundesfinanzminister bleibt ein deutscher Bundesfinanzminister. Deshalb gab es bei allen Differenzen und Meinungsverschiedenheiten während der Koalitionsverhandlungen einen Punkt, bei dem sich alle drei Parteien einig waren: Keine neuen Schulden. Weil neue Schulden bedeuten, unser Land auf Kosten unserer Kinder zu gestalten. Das ist nicht gerecht.

Diesen Weg werden wir in dieser Legislaturperiode konsequent weitergehen.

Für meine Finanz- und Haushaltspolitik gelten dabei folgende wesentliche Zielsetzungen:

Erstens: Solide Haushalte und eine kluge Gewichtung der Ausgaben.
Als Finanzminister und Vizekanzler ist es meine Aufgabe darauf zu achten, dass wir unser Geld zielgerichtet und passgenau einsetzen, um unser Land für die künftigen Herausforderungen zu wappnen.
Im Koalitionsvertrag haben wir die prioritären Ausgaben vereinbart, und diese sind solide finanziert. Alles andere steht unter Finanzierungsvorbehalt.

Zweitens: Wir wollen die Einkommenssituation der Bürgerinnen und Bürger verbessern und eine faire Besteuerung.
Mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags werden wir in dieser Legislaturperiode, 30 Jahre nach der deutschen Einheit, 90 Prozent derjenigen, die ihn zahlen, um 10 Milliarden Euro insgesamt entlasten.
Wir erhöhen das Kindergeld, den Kinderzuschlag
und das BAföG was Familien zusätzliche finanzielle Spielräume eröffnet.

Drittens: Vorausschauende Investitionen in die soziale und digitale Infrastruktur.
Mehrere Milliarden Euro werden in den Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen fließen sowie für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Damit stärken wir die soziale Infrastruktur. Die Ressortabstimmung, um die nötigen grundgesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, läuft bereits.

Wir beschleunigen den Ausbau der digitalen Infrastruktur, damit schnelles Internet überall erhältlich ist; und mit dem Digitalpakt Schule wollen wir erreichen, dass unsere Bildungseinrichtungen den Anforderungen der Zeit entsprechen.
Diese Finanzpolitik nenne ich solide, gerecht, und vorausschauend.

Ich habe eingangs gesagt, dass es für den Finanzplatz Deutschland wichtig ist, dass Bundesfinanzminister und Finanzindustrie vertrauensvoll miteinander im Gespräch sind. Wir stehen beide Politik und Finanzindustrie in der Verpflichtung, für stabile und nachhaltige Finanzmärkte und damit für eine stabilere und nachhaltigere Eurozone zu sorgen.