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13.02.2009

Rede im Bundesrat zu den Mindestlohn-Gesetzen

Meine Damen und Herren!

Unsere Gesellschaft ist auf Arbeit aufgebaut. Arbeit vermittelt Stolz und Würde. Sie gibt unserem Leben einen Sinn. Wer mit 16 Jahren die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Das halbe Leben verbringen wir am Arbeitsplatz.

Deshalb ist es von größter Bedeutung, dass die Arbeit, die wir leisten, auch anständig bewertet und behandelt wird. Löhne, die den eigenen Lebensunterhalt nicht garantieren, haben mit Anstand nichts zu tun. Sie müssen aus unserem Land verschwinden.

Ich halte es für einen guten Schritt, wenn der Bundesrat heute das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz beschließt. Sie stellen sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger besser geschützt werden, als es heute der Fall ist. Ein demokratischer Staat muss seine Bürgerinnen und Bürger vor dem freien Fall nach unten bewahren. Genau das tun wir mit den beiden Gesetzen.

Wenn wir einmal genau hinschauen, stellen wir fest, dass mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz alle bisherigen und künftigen Branchen zusammengefasst künftig etwa 3 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Schutzbereich von Mindestlöhnen einbezogen werden.

Konkret heißt das, dass ein paar hunderttausend Arbeitnehmer mehr Geld auf ihrem Konto haben werden, sobald die Gesetze umgesetzt sind. Im Gegensatz zu dem von einigen vermittelten Eindruck werden sie hinterher nicht reich sein. Sie werden nicht einmal einen guten Lohn haben. Sie werden aber besser zurechtkommen, als es bisher der Fall ist. Ich halte das sehr wohl auch für einen berührenden Moment. Schließlich sprechen wir über das Schicksal von Bürgerinnen und Bürgern, die ein hartes Leben führen, die sich anstrengen und die es verdient haben, dass wir sie im Blick haben und dass unsere Gesetze auch für sie da sind. Das geschieht mit dem, was jetzt beschlossen wird.

Wenn wir uns anschauen, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland zwischen 27 und 28 Millionen schwankt, und betrachten, wie viele Branchen wir nunmehr in den Schutzbereich einbezogen haben, können wir sicher davon ausgehen, dass ein solcher Schutz in den meisten Branchen, in denen er notwendig ist, mit der Gesetzgebung, die wir heute auf den Weg bringen, auch für Verfügung steht.

Darüber hinaus bekommen wir dort, wo Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Arbeitnehmer vor schlechter Behandlung nicht beschützen können, durch das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen neue Handlungsmöglichkeiten.

Die hier versammelten Landesregierungen übrigens auch! Sie haben die Möglichkeit, zum Erlass von Mindestarbeitsbedingungen anzuregen. Ich fordere Sie ausdrücklich auf, bei existierenden Missständen von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ich als Minister werde dann sorgfältig prüfen und entsprechende Handlungen auf den Weg bringen. Sie sind also aufgerufen, die Wirklichkeit Ihrer Länder und unseres Landes insgesamt sorgfältig daraufhin zu betrachten, ob im Einzelfall Schutzbedarf existiert.

Wir brauchen die Gesetze auch wegen der Freizügigkeit in der Europäischen Union. Übrigens werden wir von ihr bereits gemahnt. Ich erinnere an die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu Vergaberichtlinien, in diesem Fall aus Niedersachsen. Das Gericht hat erklärt, die Vergaberichtlinie sei nicht deshalb unzulässig, weil man so etwas eigentlich nicht machen dürfe, sondern deshalb, weil solche Bestimmungen nur dann zulässig seien, wenn sie an allgemeinverbindliche und für alle geltende Tarifverträge anknüpfen. Mit den heute zur Beratung anstehenden Gesetzen gibt es eine neue Handlungsmöglichkeit, Vergaberichtlinien besser wirksam zu machen und sie so auszugestalten, dass sie den Test durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Zukunft bestehen. Auch das halte ich für einen Fortschritt.

Wir haben eine lange Debatte geführt. Sie ist hin und her gegangen. Ich glaube, dass ein gutes Ergebnis herausgekommen ist. Der Test wird das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger sein, das sich verbessert, weil wir Gesetze erlassen. Dies können wir nicht von jedem Gesetz sagen, das wir beschließen. In diesem Fall wäre es so.

Im Übrigen glaube ich, dass wir es auch noch schaffen werden, bei der Zeitarbeit eine Regelung zustande zu bringen. Die Regierungsparteien haben sich dazu verpflichtet. Das ist auch notwendig, denn im Bereich der Leiharbeit gibt es Missstände und Umstände, die man nicht akzeptieren kann.

Ich bin jedenfalls nicht dafür, dass der Staat grundsätzlich noch dazuzahlen muss, damit der Lohn, den man braucht, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, ausreicht. Das ist nicht der richtige Weg. Wir müssen in einer Marktwirtschaft dafür sorgen, dass man von seiner Arbeit leben kann. Das tun wir heute, indem wir gute Gesetze machen. Ich freue mich, wenn sie heute beschlossen werden.

 

Die Tagesordnung der 854. Sitzung des Bundesrates mit den entsprechenden Drucksachen zu den Mindestlohn-Gesetzen finden sie hier (Top 2a und 2b).