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20.09.2013

Rede im Bundesrat zum Haushalts- und Finanzplan des Bundes

 

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

 

Der Haushalt für 2014 ist eine Art Abschlussbilanz und ein Ausblick der jetzigen Regierung, wie sie sich vorstellt, das Land weiter zu regieren.

 

Eines kann man bei Durchsicht und Beratung des Haushaltes sehr genau feststellen: Egal, wie die Bundestagswahl ausgeht, es wird niemals so kommen, wie es da aufgeschrieben ist; denn der Entwurf enthält eine ganze Reihe von Ungereimtheiten und Unwägbarkeiten, auf die hingewiesen werden muss. Sie haben sehr viel zu tun mit der politischen Bilanz der bisherigen Bundesregierung.

 

Die erste Frage ist, was alles nicht berücksichtigt worden ist:

Nicht berücksichtigt worden sind zum Beispiel die Konsequenzen, die im Hinblick darauf drohen, was wir bei der weiteren Entwicklung Europas zu bewältigen haben. Jeder weiß - darüber ist auch öffentlich schon diskutiert worden -, dass die sogenannte Euro-Krise weitere Konsequenzen haben wird, die sich im Bundeshaushalt niederschlagen können. Wenn man diesen anschaut, ist festzustellen, dass dafür keinerlei Vorsorge getroffen worden ist.

 

Die Strategie, vor der Wahl nicht darüber zu sprechen, dass nach der Wahl eine Reihe von weiteren Solidaritätsverpflichtungen Deutschlands sicherlich notwendig werden, nicht darüber zu sprechen, dass sich das irgendwann im Haushalt niederschlägt, zeigt sich eben auch daran, dass der Haushalt nicht die Wirklichkeit, die Belastungen abbildet, die auf die Bundesrepublik Deutschland zukommen.

 

Das gilt auch für ein Thema, das ebensfalls mit der Euro-Krise zusammenhängt: Bund, Länder und Gemeinden können sich gegenwärtig, gemessen an früheren Zeiten, besonders gut refinanzieren. Wenn wir uns Geld leihen, zahlen wir wesentlich weniger Zinsen als noch vor vielen Jahren. So schön das für die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder und den Bundesfinanzminister ist - das hat mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Europa zu tun. Da alle Deutschland und seinen Gebietskörperschaften gerne Geld leihen, müssen wir viel weniger Zinsen zahlen, als das unter normalen Umständen der Fall wäre.

 

Deshalb ist es kühn, sogar sehr riskant, dass der Bundeshaushalt davon ausgeht, die gegenwärtig außerordentlich günstige Zinslage werde sich fortsetzen. Man müsste da vorsichtiger kalkulieren, und schon wären alle Bilanzen nicht mehr so günstig, wie sie aussehen. Ein gut gemachter Bundeshaushalt müsste das Zinsrisiko besser berücksichtigen und abbilden. Er darf nicht darauf spekulieren, dass die Lage in anderen Ländern Europas schlecht bleibt, damit wir weiter billiges Geld erhalten. Das ist aus meiner Sicht nicht vernünftig.

 

Weitere Probleme unseres Landes finden sich im Haushalt ebenfalls nicht wieder, leider, wie man sagen muss, auch nicht in der Politik der vergangenen Jahre. Ein Beispiel ist die Frage, wie wir die Grundlage unseres Wohlstandes für die Zukunft sichern können. Es geht um Investitionen in die Infrastruktur - Straßen, Brücken, Schienen, Gewässer, all das, was notwendig ist, damit Deutschland seinen Wohlstand erhalten kann. Wir alle haben gehört von sich wellenden Autobahnen, von Rheinbrücken, die nicht mehr von allen Autos und Lastkraftwagen benutzt werden können, von gesperrten Hochbrücken im Norden und den Problemen des Nord-Ostsee-Kanals. Das sind nur wenige Beispiele für die Situation der Infrastruktur unseres Landes.

 

Klar ist: Selbst wenn man nichts neu machen würde, würde der heutige Verkehrsetat, das, was die Bundesrepublik Deutschland investieren will, nicht ausreichen, um die Infrastruktur unseres Landes zu erhalten, geschweige denn zu finanzieren, was für eine Weiterentwicklung notwendig ist, um zum Beispiel Verkehrsknoten zu entlasten oder den Personen- und Güterverkehr besser zu bewältigen.

 

Also: Fehlende Vorsorge, Vernachlässigung der Infrastruktur in den vergangenen vier Jahren, kombiniert mit fehlender Vorausschau auf die nächsten Jahre, in denen wesentlich mehr investiert werden müsste, das bildet der Bundeshaushalt ab.

 

Eine Reihe von Dingen wird auf uns zukommen, die wir dort nicht wiederfinden:

Wir haben darüber diskutiert, dass wir im Hinblick auf die Energiewende etwas tun müssen. Wie können wir dazu beitragen, dass die notwendigen Investitionen auch in der Zukunft getätigt werden können, ohne dass die Preise für die Unternehmen und die Verbraucher steigen? Ein Vorschlag, der von vielen Ländern - nicht nur der A-Seite - geteilt wird, ist, dass man die Stromsteuer zu reduzieren versuchen muss, die jetzt erhoben wird. Aber das findet sich im Bundeshaushalt nicht wieder. Dabei muss Bestandteil jeder Lösung, die wir finden, sein, diese Einnahme für den Bund zu reduzieren. Geht man heute davon aus, dass man dieses Geld hat, und macht schöne Pläne, was man davon alles kaufen kann, ist das keine seriöse Kalkulation für die Zukunft. Auch deshalb wird dieser Bundeshaushalt einer zentralen Aufgabe unseres Landes nicht gerecht. Er zeichnet ein falsches Bild von der wirklichen Lage und den Problemen, die auf uns zukommen.

 

Ein anderes Thema, das sich kaum wiederfindet, ist die notwendige Weiterentwicklung des sozialen Zusammenhalts. Dafür müssen wir Geld ausgeben. Das hat zu tun mit Krippen und Kitas, mit Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie in Wissenschaft und Forschung. Dafür muss sehr viel mehr etwas unternommen werden, als es heute der Fall ist. Die veranschlagten Mittel reichen bei Weitem nicht aus, auch nur eines der politisch propagierten Ziele zu erreichen.

 

Richtig wäre es, auf das Betreuungsgeld zu verzichten. Dann hätte man mehr Geld für Krippen und Kitas. Aber selbst wenn man einrechnet, dass es das Betreuungsgeld ja nicht mehr lange geben wird, müssen wir für solche Aufgaben mehr Geld einsetzen.

 

Ein großes Thema betrifft die Frage, was wir mit den jungen Leuten tun, die keine Berufsqualifikation haben. Wir sind gegenwärtig sehr stolz darauf, dass überall auf der Welt erzählt wird: Deutschland hat ein gutes Bildungssystem, es hat die Lehre, die duale Berufsausbildung. Wir sind begeistert, wenn der amerikanische Präsident das in seiner State-of-the-Union-Rede wiederholt, wenn Regierungen anderer Länder prüfen wollen, was sie von unserem System übernehmen können. Aber es ist schlecht, die Bilanz zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass etwas mehr als 20 Prozent eines Altersjahrgangs ohne berufliche Qualifikation bleibt, wenn die betreffenden Männer und Frauen 30 sind. Ein Land, das auf seine duale Berufsausbildung stolz ist, vermittelt sie gar nicht allen jungen Leuten, die tatsächlich Interesse daran haben!

 

Aus meiner Sicht müsste hier mehr investiert werden, auch durch den Bund. Er hat Möglichkeiten, dazu beizutragen, dass man etwas lernen kann, wenn es nicht von selbst passiert. Solche Mittel sind nicht eingesetzt worden, stehen nicht bereit. Tatsächlich sind Mittel, die zur Qualifikation von Arbeitnehmern - jungen Leuten - hätten eingesetzt werden können und müssen, zusammengestrichen, reduziert worden.

 

Eigentlich ist die gegenwärtige Lage doch günstig: Es gibt Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt, man weiß, dass wir Fachkräftemangel haben, der uns in den nächsten Jahren begleiten wird. Das wäre die Gelegenheit, etwas dafür zu tun, dass die jungen Leute, die Männer und Frauen, die in den Betrieben als Ungelernte beschäftigt sind, die beruflichen Qualifikationen erhalten, die wir brauchen. Wenn man aber das Geld zusammenstreicht, das für ihre Qualifizierung gebraucht wird, nutzt man das Zeitfenster, in dem zusätzliche Arbeitskräfte mit Qualifikation nötig sind, nicht. Man nutzt auch die Chance nicht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren, die uns schon so lange begleitet.

 

Das ist der stärkste Vorwurf, den man der jetzigen Regierung machen muss: Sie nutzt die Gelegenheiten nicht, die sich ergeben, um die strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit, eines der größten Probleme unseres Landes, zu beseitigen, indem sie in Qualifikationen und Fähigkeiten investiert. Stattdessen sieht man solche Mittel nicht vor.

 

Es muss auch gesagt werden, dass wir es leichter hätten, wenn man politisch andere Entscheidungen getroffen hätte. Das bezieht sich zum Beispiel auf die Debatte über Mindestlöhne. Wir müssen es mitfinanzieren, dass weit mehr als 1 Million Männer und Frauen in unserem Land so wenig verdienen, dass sie trotz Vollzeitarbeit zusätzlich öffentliches Geld benötigen. Das ist natürlich eine große finanzielle Belastung des Bundeshaushalts.

 

Wären wir da, wo jetzt im Wahlkampf rhetorisch alle sind, hätten wir schon längst einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, die Belastung des Bundeshaushalts wäre entsprechend geringer, auch die Einnahmesituation der Sozialversicherungen und der verschiedenen öffentlichen Kassen wäre besser. Eine Frage der Gerechtigkeit würde also auch zu einem besseren Bundeshaushalt führen. Das ist in den vergangenen vier Jahren versäumt worden. Einen guten Haushalt kann man nur zustande bringen, wenn man sicherstellt, dass jeder Mann und jede Frau, die gut und fleißig arbeiten, vernünftig bezahlt werden. Das ist auch gut für uns alle.

 

Ein großes Risiko dieses Bundeshaushalts besteht darin, dass man die gegenwärtig gute Situation für ewig hält. Ich habe das bei der Frage der Zinsen schon gesagt. Das darf man sich im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage anderer Länder nicht wünschen.

 

Das gilt auch für die Sozialversicherungen. Viele Entscheidungen, die getroffen worden sind, tragen dazu bei, dass diese wesentlich instabiler sind, als sie es vor wenigen Jahren noch waren. Der Bundeshaushalt nutzt die jetzige Phase nicht, gute Sicherheitspolster und Reserven zu schaffen. Die Entscheidungen werden vielmehr dazu führen, dass alle Risiken auf einmal eintreten, wenn die Konjunktur schlechter wird. Der Bundeshaushalt ist nicht mehr vernünftig ausgeglichen. Wo Geld fehlt, muss mit Mitteln des Bundes geholfen werden, und die Sozialversicherungen, die für unseren Sozialstaat so wichtig sind, müssten mitten in einer schwierigen konjunkturellen Lage die Beiträge anheben.

 

Dies ist die Disposition durch die Entscheidungen der vergangenen Jahre und gerade im Zusammenhang mit diesem Haushalt. Das kann man nicht unterstützen, das muss man kritisieren; denn es erhöht die Fragilität unseres öffentlichen Haushaltssystems im Zusammenspiel von Kommunen, Ländern, Bundeshaushalt und Sozialversicherungen. Das wäre nicht nötig gewesen. Wir müssten es bitter bezahlen, wenn die Zeiten schlechter werden.

 

Insofern ist das kein Haushalt mit Zukunft. Selbst wenn der unwahrscheinlichste aller unwahrscheinlichen Fälle eintritt, nämlich dass diese Regierung ihre Arbeit fortsetzen kann, würde er nicht so bleiben, wie er ist. Aber weil das nicht eintritt, wird er ohnehin nicht so bleiben. - Schönen Dank.

 

Es gilt das gesprochene Wort.