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15.04.2016

Rede zur Einbürgerungsfeier im Hamburger Rathaus

 

Sehr geehrte Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich heiße Sie ganz herzlich willkommen! Und dieses Willkommen ist ein mehrfaches. Ich heiße Sie willkommen in einem der schönsten Räume unseres Hamburger Rathauses, und ich lade Sie ein, sich gut umzusehen, denn diese Gelegenheit kommt im Leben der Hamburger Bürgerinnen und Bürger in der Regel nicht so oft.

Aber natürlich ist das heute für Sie und für mich der kleinste Teil dessen, was diesen Tag besonders macht. Denn die Reise, die hinter Ihnen liegt, war viel länger und bedeutender als die von Ihrer Wohnungstür zum Rathausmarkt. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, Sie als Bürger der Bundesrepublik Deutschland willkommen zu heißen!

In der deutschen Sprache ist willkommen ein altes Wort. Der Duden umschreibt es mit jemandem sehr passend, angenehm und erwünscht sein. Ich wünsche mir, dass Sie von dieser Feier genau das mitnehmen: dass nicht nur ich mich freue, sondern dass Deutschland sich über Ihren Schritt freut, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Es wurde in den vergangenen Monaten viel über den Begriff der Willkommenskultur gesprochen und geschrieben, vor allem im Zusammenhang mit denen, die in Europa und ganz besonders bei uns  in Deutschland Schutz und Zuflucht vor Krieg und Elend suchen. Dabei wurde der Begriff manchmal zerredet oder ironisch verwendet, um die völlig zu Unrecht als naiv bezeichnete humanitäre Hilfe und die entsprechende Politik der Bundesregierung abzuwerten. Auch dem Begriff des Einwanderers wurde in etlichen Äußerungen eine negative Wendung gegeben, die er nicht haben sollte.

Es sind ja ganz unterschiedliche Lebenswege, die Sie in diesen Saal und zu ihrer neuen Staatsbürgerschaft geführt haben, aber natürlich teilen Sie alle eine Erfahrung: die Erfahrung der Migration. Und Sie alle stehen dafür, dass Migration sehr oft eine Erfolgsgeschichte ist für beide Seiten. Denn nicht nur die Migrantinnen und Migranten profitieren von ihrer Reise in eine neue Heimat, auch diese neue Heimat wird durch die Einwanderer auf vielfältige Weise bereichert. Sie alle sind nun Deutsche, die eben nicht nur Deutsche sind.

Und wenn ich heute eine Bitte an Sie richten darf, dann ist es diese: Sie alle sind Beispiele dafür, wie Einwanderung gelingen kann und welches Glück dies persönlich und auch für Deutschland  bedeutet. Wir müssen gemeinsam immer wieder von diesem Glück erzählen. Denn wir dürfen nicht zulassen, dass nach so vielen Jahrzehnten, in denen die Einwanderung den Wohlstand und den kulturellen Reichtum in diesem Land genährt hat, wieder Ängste und Vorurteile gegenüber Einwanderern geschürt werden. Ich sage das in aller Deutlichkeit: Sie können auf meine Unterstützung zählen, aber niemand kann von erfolgreicher Migration so gut berichten wie Sie, die selber eingewandert sind.  

Vielleicht haben Sie es selbst schon einmal erlebt, dass jemand von Schwierigkeiten bei der Integration berichtet, und wenn Sie dann darauf hinweisen, dass Sie selbst einen Migrationshintergrund haben, heißt es: Ja, aber Einwanderer wie Sie meine ich nicht. Aber wir dürfen nicht einen Ausschnitt der Wirklichkeit für das große Ganze halten und den Begriff Einwanderer nur für jene verwenden, denen es schwerfällt, in der deutschen Gesellschaft anzukommen. Einwanderung verläuft häufig sehr problemlos und dies können Sie am besten vermitteln.

Und damit kommt endlich die angekündigte Bitte:
Bringen Sie sich ein. Deutschland, Ihr Land, freut sich über Ihr Engagement und Ihre Stimme. Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten: als Wähler, in Ehrenämtern oder in der Politik. Lassen Sie sich sehen und von sich hören. Die Gesellschaft wird von den unterschiedlichen Erfahrungen, die Sie mitbringen, profitieren.

Es ist ein großer Schritt, den wir heute feiern. Die einen werden ihn als Abschluss eines Weges empfinden, andere als Anfang eines neuen. Was Sie alle gemeinsam haben ist, dass Sie Ihren weiteren Lebensweg von nun an als Deutsche gehen. Ich selber kann mir nur ausmalen, was das für Sie bedeutet oder auf Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern zurückgreifen, mit denen ich bei früheren Gelegenheiten in diesem Saal die Einbürgerung feiern durfte. Aber ich bin mir doch sicher, dass ein neuer Pass neben der praktischen auch eine symbolische Bedeutung hat.

Es gibt ja viele pragmatische Gründe, die für die deutsche Staatsbürgerschaft sprechen. Sie dürfen jetzt wählen und gewählt werden. Für manche mag es eine Erleichterung sein, dass man mit einem deutschen Pass in viele Länder unkompliziert und ohne Visum einreisen kann - vielleicht war das mit Ihrem ehemaligen oder ersten Pass schwieriger. Ihr Aufenthaltsrecht ist jetzt für immer geklärt, und Sie müssen sich nun nicht mehr um Verlängerungen kümmern, wie Sie es vielleicht vorher mussten.

Aber gleichzeitig hat die Zugehörigkeit zu einem Land auch mit der eigenen Identität zu tun. Es ist ein neuer Satz, den Sie jetzt wahrheitsgetreu aussprechen können: Ich bin Deutsche. Ich bin Deutscher. Dieser Satz gilt übrigens auch für den Fall, dass Sie die alte Staatsbürgerschaft behalten haben. Denn Identität setzt sich immer aus vielen Facetten zusammen. Sie ist mehr als ein Beruf oder die Tatsache, dass man Mutter oder Vater ist, Sohn oder Tochter, Schwester oder Bruder. Identität ergibt sich aus unterschiedlichen Zugehörigkeiten und auch aus dem, was wir tun und was wir uns wünschen. Sie umfasst unsere Wurzeln genauso wie das Ziel, nach dem wir streben. Und nebenbei passiert uns das Leben, das uns immer wieder zwingt, die eigene Identität zu überdenken.

Der deutsche Pass und der Personalausweis, die Sie nun führen können oder im Fall des Personalausweises sogar müssen , haben also nicht nur praktische Bedeutung, sie sind auch im Wortsinne Ausweis Ihrer neuen Zughörigkeit und verändern Ihre Identität nicht vollständig, aber doch in einem bestimmten Bereich.

Wir bemühen uns in Hamburg sehr, möglichst viele ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, sofern sie die Voraussetzungen erfüllen, davon zu überzeugen, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Vielleicht haben auch Sie einen Brief von mir bekommen, in dem ich Sie gebeten habe, über diese Möglichkeit nachzudenken. Unsere  Bemühungen sind von einigem Erfolg gekrönt: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Einbürgerungen, die im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern in Hamburg bereits  hoch ist, weiter gestiegen. Das stimmt uns zuversichtlich. Denn wer sich einbürgern lässt, vertraut darauf, dass es ihm, der Familie, den Kindern dort, wo er sich niederlässt, gutgehen wird.

Wir alle wissen, dass wir unsere Potenziale dann am besten ausschöpfen können, wenn wir einerseits unsere persönlichen Eigenheiten bewahren und diese andererseits in die Gruppe, in der wir leben und arbeiten, integrieren können. Allerdings ist die Balance zwischen den beiden Polen nicht immer einfach. Aber wenn ich sehe, wie feierlich und zuversichtlich alle in diesem Saal gestimmt sind, dann bin ich mir sicher, dass Sie Ihren Platz finden werden oder schon gefunden haben.  

Und deshalb wiederhole ich es noch einmal, mit all den Bedeutungen, die ich vorhin aufgezählt habe:  Es ist schön, dass Sie sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden haben, es ist erwünscht, es ist passend. Oder, andersgesagt: willkommen!

Und schönen Dank!

 

Es gilt das gesprochene Wort.