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30.05.2017

Rede zur Eröffnung der Veranstaltung des VDA: "Erklärung zur stadtverträglichen Mobilität"

 

Sehr geehrter Herr Wissmann,
sehr geehrte Damen und Herren,

der amerikanische Historiker Lewis Mumford hat die Stadt einmal mit der Erfindung der Schrift verglichen und gesagt, "Noch vor der Schriftkunst ist die Stadt die kostbarste Erfindung der Zivilisation." Das klingt gewagt, und doch zeigt sich überall, wie Recht er hat: Alle Welt will in die Städte. Der Trend zur Stadt ist ungebrochen.

Die Städte sind die Zentren der Kultur und des Handels. Im urbanen Raum gibt es die meisten Arbeitsplätze, die Versorgung ist am besten, und man findet leichter Gleichgesinnte, egal wonach einem der Sinn steht. Zum Versprechen der Stadt, der Ort zu sein, wo jeder sein Glück finden kann, gehört ganz zentral die Mobilität.

Überall auf der Welt bestimmen Automobile, Busse und Lastkraftwagen die Lebensqualität der Bürger: Positiv, weil sie die Grundlage der Mobilität sind. Kaum eine Erfindung war so wichtig für Wirtschaft und Wachstum. Aber je größer die Städte werden, je stärker die Mobilität nachgefragt wird, desto größer werden auch die Herausforderungen.

Im Moment sind zu hohe Stickstoffdioxidemissionen und in einigen Städten Hamburg gehört nicht dazu auch zu viel Feinstaub die größten Herausforderungen. Aber auch nicht die einzigen, es muss ja auch um die Einhaltung der Klimaziele insgesamt gehen, also um weniger CO2 z.B., aber natürlich auch um weniger Lärm, die kluge Nutzung begrenzter Flächen und Vieles mehr.

Unsere Städte brauchen schlaue Mobilitätskonzepte. Urbane Lösungen, die die gestiegenen Anforderungen an Mobilität in den Städten aufgreifen. Die Stadt der Zukunft braucht mehr Lebensqualität, bessere Erreichbarkeit und weniger Emissionen. Wir nennen das ein städteverträgliches Mobilitätskonzept.

Hamburg will Modellstadt für Mobilität werden. Wir verstehen Mobilität als Ausdruck des Lebens freier Bürgerinnen und Bürger. Sie wollen Auto fahren, aber auch ihr Fahrrad nutzen. Sie wollen eine Stadt, in der es eine Freude ist, zu Fuß zu gehen, und lieben Orte, in denen es so viele Möglichkeiten gibt, auch den Wasserweg zu nutzen.

Hamburg ist ein Laboratorium für Mobilität. Wir wollen hier die Lösungen für die Verkehrsleistungen der Zukunft entwickeln. Wir machen das nicht allein, sondern mit kompetenten Partnern: Das sind zum einen die Städte, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie wir. Und wir setzen auf Industriepartnerschaften.

Mit dem Round-Table zur Luftqualität, hat Hamburg 2016 ganz bewußt in dieser Richtung einen eigenen Impuls gesetzt. Wir haben die Bundesregierung, andere Städte und die Automobilhersteller eingeladen, um die Probleme der Luftqualität gemeinsam zu lösen: Gemeinsam und kooperativ aus unseren unterschiedlichen Perspektiven.

Der Hamburger Impuls ist von vielen aufgegriffen worden. Hamburg hat das unter anderem in  Form von Mobilitätspartnerschaften mit VW, Daimler, BMW oder auch T-Systems  umgesetzt. Die Themen sind breit gefächert und knüpfen an Kompetenzen der Industriepartner und Dienstleister an: Es geht um Verkehrsteuerung- und -Management, automatisiertes Fahren und Parken und vor allem um innovativen Fahrzeugkonzepte und Elektromobilität.

Sehr erfreulich ist es deshalb, dass der VDA  seinerseits mit Partnern die Plattform Urbane Mobilität ins Leben gerufen hat. Hamburg begrüßt diesen Schritt. Das ist ein wichtiges Signal. Mit der Plattform erklärt die Automobilindustrie ihre Verantwortung für bessere Luft in den Städten. Mit der gemeinsamen "Erklärung zur stadtverträglichen Mobilität" vereinbaren Hamburg und sechs weitere Städte sowie acht Unternehmen der Automobilindustrie und der VDA den gemeinsamen Dialog auszubauen. Wir wollen die Rahmenbedingungen formulieren und die marktwirtschaftliche Dynamik nutzen. So können wir nicht nur Erfahrungen sammeln, sondern auch gute  Lösungen gleich zur Marktreife bringen.

Zukunftsorientierte Lösungen des städtischen Verkehrs müssen auf Innovationen und neue Technologien setzen. Dazu gehören besonders die Elektromobilität und digital vernetzte Transportsysteme.

Hamburg wird ab 2020 nur noch lokal emissionsfreie Busse anschaffen. Aber es geht auch hier um viel mehr als um die Anschaffung einzelner Fahrzeuge, sondern um ein neues Verkehrskonzept. Wir haben deshalb auch Entwicklungspartnerschaften zum Test von Fahrzeugen in Verkehrsunternehmen gestartet. Hamburg arbeitet mit großen Fahrzeugherstellern wie Evobus, MAN, Volvo Solaris und Van Hool zusammen.

Die Nachfrageseite muss sich noch mehr auf E-Mobilität ausrichten: Die Bundesländer Hamburg und Berlin haben eine Beschaffungsinitiative gegründet. Darmstadt, Düsseldorf, Köln, München und Stuttgart haben sich angeschlossen. Übrigens: Düsseldorf und München arbeiten auch mit uns in der Plattform Urbane Mobilität und haben die Erklärung unterzeichnet.

Mit der Beschaffungsinitiative haben wir uns darauf verständigt, gemeinsame Anforderungen zu definieren, um am Ende zusammen bis zu 200 Elektrobusse jährlich anzuschaffen. Die Städte können damit gemeinsam mit der Wirtschaft Standards definieren. Das kann Kosten reduzieren.

Zur konsequenten Förderung von E-Fahrzeugen in Städten gehört auch, dass Bürgerinnen und Bürger einen einfachen Zugang zur E-Mobilität bekommen. Ein solchen Einstieg bieten E-Car-Sharing Angebote. Hier haben wir mit Daimler und BMW wichtige Schritte hin zur Elektrifizierung der Car Sharing Flotten vereinbaren können.

Bislang haben die großen Hersteller ihre Kompetenzen im Bereich von Mietautos und Taxen noch nicht ausreichend genutzt. Dabei sind das ideale Einsatzgebiete für emissionsarme Fahrzeuge. Auf Initiative von Hamburg beraten Bund und Länder aktuell über eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes, das die Reduzierung von Emissionen als Zielsetzung integriert. Wir wollen, dass Taxen oder Mietwagen mit alternativen Antrieben, Vorteile bei der Vergabe von Lizenzen erhalten.

Eine ganz große Rolle spielen auch die Lieferverkehre. Sie sind durch das Geschäftsfeld des Online-Shoppings noch einmal enorm angestiegen. Hamburg ist als Logistik Standort auch da gefragt: Wir haben neue Konzepte für die letzte Meile entwickelt, große Konzerne der Automobilindustrie arbeiten an emissionsarmen Nutzfahrzeugen, es gibt Lieferkonzepte, die Fahrräder nutzen. Auch die Entwicklung von automatisierten Fahrzeuge und digitalisierten E-Lastern geht voran.

Ein erheblicher Anteil des Verkehrs in Ballungsgebieten entsteht durch Parkplatzsuche. Gerade in Stauzeiten muss der Parkplatzdruck reduziert werden. Auch hier bieten die digitalen Lösungen Effizienzgewinne und viele Ansätze zur Reduzierung von Verkehr: Etwa mit Apps, die freie Plätze anzeigen und auch den Zahlungsverkehr regeln. Oder mit  intelligenten Autos, die ihren Parkplatz selber finden. Ganz wichtig sind IT-Systeme natürlich auch im Bereich der Steuerung der Hafenverkehre.

Übrigens: Schon jetzt ist Hamburg in Sachen Digitalisierung der Mobilität vielleicht die modernste deutsche Stadt. Zu diesem Ergebnis kommt die vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft PwC, wissenschaftlich begleitet vom Institut für Verkehrsforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Im Vergleich zu 25 einwohnerstärksten Städten landet Hamburg mit 76,7 von 100 möglichen Punkten auf Platz eins. Jede der untersuchten Städte ist in irgendeiner Hinsicht besonders gut. Aber alle haben wir fast sinnbildlich noch Luft nach oben.

Überall in Deutschland ist die Luftreinhaltung ein prioritäres Thema: Länder und Gemeinden haben umfassende Maßnahmen ergriffen. Gleichwohl werden in 28 Städten und Regionen in Deutschland an viel befahrenen Straßen die Grenzwerte (NO2) überschritten. Die EU hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Fahrverbote im großen Stil werden diskutiert.

Stadtluft macht frei, heißt es seit dem Mittelalter. Wir wollen nicht, dass es irgendwann heißt: Stadtluft macht unfrei. Hamburg macht  keine Politik gegen irgendein Verkehrsmittel. Man würde die Idee der Stadt verraten, wenn es darum ginge, Autos zu verdammen oder Formen der Fortbewegung zu normieren. Auch wenn Luftreinhaltung aktuell auch manchmal eine Regulierung an der einen oder anderen Stelle mit sich bringt, am Ende manchmal gar durch Gerichte angeordnet. Einfahrverbote, Umweltzonen oder City Maut sind ein Ausdruck von Ratlosigkeit. Wir können nicht Leuten die effektive Nutzung ihrer Fahrzeuge verbieten, die sie rechtmäßig und genau zu dem Zweck erworben haben.

Die Städte brauchen bezahlbare Fahrzeuge, die die Grenzwerte einhalten, Fahrzeuge, die emissionsarm sind und Fahrzeuge, die neue Technologien nutzen, um unnötige Verkehre zu vermeiden. Mit den Industriepartnerschaften wollen wir einen neuen zusätzlichen Anstoß geben.

Deutschland muss schnellstmöglich ein breites und attraktives Angebot von Fahrzeugen mit Nullemissionen bzw. geringen Realemissionen entwickeln. Die Industrie muss saubere und leise Fahrzeuge zur Marktreife bringen. Wir brauchen das zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Städte.


Aber nicht nur die Städte brauchen zukunftsfähige Alternativen für die urbane Mobilität, die Industrie braucht es auch.

Luftverschmutzung ist überall in den Metropolen ein Problem. Das Versuch Chinas, das mit Marktbeschränkungen zu regeln, wird kaum helfen. Aber es zeigt doch, wie dringlich es ist, dass die deutsche Industrie Lösungen für stadtverträgliche Mobilität entwickelt.

Deshalb sind die Industriepartnerschaften auch ein Beitrag zur Standortsicherung und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie.

Ich danke der VDA und den Partnern für die gelungene neue Initiative zur stadtverträglichen Mobilität. Die Plattform Urbane Mobilität ist eine sehr gute Sache.

Ich bin zuversichtlich, dass wir zum ITS-Weltkongress 2021, um dessen Ausrichtung Hamburg sich bewirbt, in der Lage sein werden, dem Fachpublikum Lösungen zu präsentieren, die wir gemeinsam entwickelt haben.  

Vielen Dank

 

Es gilt das gesprochene Wort.