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22.03.2012

Senatsempfang: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger

 

 

Sehr geehrter Herr Heinen,

meine Damen und Herren,

 

ich freue mich, heute die Präsidien der Zeitungsverlegerverbände aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hier im Hamburger Rathaus begrüßen zu können.

 

Ich kann Ihnen versichern, dass Sie Ihren Tagungsort klug ausgewählt haben. Als Hafenstadt ist Hamburg schon immer ein Umschlagplatz für Informationen gewesen, später dann schrieb hier Matthias Claudius seinen berühmten Wandsbeker Boten. Nach dem zweiten Weltkrieg schließlich avancierte Hamburg zu der westdeutschen Medienstadt schlechthin.

 

Den Anspruch auf die Nummer eins darf man heute angesichts der belebenden Konkurrenz aus Berlin, Köln und München und nicht mehr so ohne Weiteres behaupten. Aber immer noch hat Hamburg eine beeindruckende Vielfalt medialer Angebote zu bieten: von der reflektierenden Qualitätspresse bis zur Tagesschau, von hochkreativen Agenturen bis hin zu den großen Internet-Erfolgsgeschichten Google und Facebook, Xing und BigPoint. Keine andere Medienstadt Deutschlands ist so breit durch alle Medienzweige aufgestellt, keine andere hat daher so viele Chancen, die Herausforderungen der Medienkonvergenz zu meistern.

 

Meine Damen und Herren,

Ihr Medium, die Zeitung spielt dabei eine ganz wesentliche Rolle. Es war der Sozialphilosoph Jürgen Habermas, der mit Blick auf die Qualitätspresse vor wenigen Jahren vom Rückgrat unserer diskursiven Öffentlichkeit sprach und laut forderte, darüber nachzudenken, wie man dieses Rückgrat im Sinne des Gesamtorganismus kräftigen könne.

 

Diese Frage stellt sich derzeit in vielen entwickelten Ländern. Und sie wird sehr unterschiedlich beantwortet.

 

In Deutschland sind wir bislang gut damit gefahren, uns um die Rahmenbedingungen einer freien Presse zu kümmern und uns von direkten Subventionen fernzuhalten. Angemerkt sei hier allerdings, dass natürlich auch für die Presse, wie für alle Druckerzeugnisse, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gilt.

 

Davon abgesehen braucht die freie und unabhängige Presse einen Rahmen, in dem sie einerseits profitabel und andererseits zum gesellschaftlichen Nutzen betrieben werden kann.

 

Denn wer journalistische Produkte herstellt und vertreibt, der macht das nicht bloß, um damit Geld zu verdienen, sondern auch, um damit eine gesellschaftlich relevante und normativ gewünschte Öffentlichkeit herzustellen.

 

Beide Aspekte der Presse geraten durch die Digitalisierung der Medien zunehmend unter Druck. Ökonomisch gilt der US-amerikanische Satz Print Dollars become digital dimes. Erst kürzlich hat eine Pressestudie in den USA vorgerechnet, dass aktuell auf einen Dollar Gewinn aus dem Online-Geschäft noch sieben Dollar Verlust im Printbereich kommen. Dass das auf die Dauer nicht so bleiben kann, ist klar. Insofern lohnt es sich, genau auf die Titel zu gucken, denen es heute schon gelingt, die Verluste mit klugen Erlösmodellen und Marketingstrategien zu minimieren.

 

Nicht minder herausfordernd ist die Frage nach der künftigen Rolle der Zeitung in der digitalen Öffentlichkeit. Wo findet sie ihren Platz, wenn alles zersplittert und ehemals klare publizistische Rollen nicht nur an den Rändern ausfransen? Für mich liegt dieser Platz zunehmend bei der hintergründigen Reflexion, bei der Vermittlung nicht bloß von News, sondern von aufwändig zusammengetragenem und klug erzähltem Orientierungswissen.

 

Beides für sich genommen, der ökonomische und der publizistische Erfolg, ist schon schwierig genug zu erreichen. Wahrlich komplex wird es aber dadurch, dass sich diese beiden scheinbar widersprechenden Ziele tief im Inneren ergänzen. Nur wer auf Qualität setzt und heute entsprechend investiert, hat eine Überlebenschance im Printmarkt.

 

Meine Damen und Herren,

die doppelte Programmierung journalistischer Medien auf Profit und Gemeinwohl darf die Politik nie aus den Augen verlieren. Ihretwegen sind direkte Subventionen auch so schwierig: Sie bergen stets die Gefahr in sich, auch bei bester anderslautender Absicht, eine Quelle der Einflussnahme auf den Inhalt zu werden. Die österreichischen Kollegen werden darüber anders denken und ich bin gespannt, mehr darüber zu erfahren, wie so etwas doch gelingen kann.

 

Der Aufschrei, der im Jahr 2007 allerdings der Habermas'schen Feststellung folgte, dass man das öffentliche Rückgrat notfalls auch mit staatlichem Geld stützen solle, lässt mich auch fünf Jahre danach mindestens skeptisch bleiben, ob das in Deutschland funktionieren kann.

 

Wichtiger sind meines Erachtens eine Reihe anderer Dinge, die wir derzeit auch diskutieren:

 

Wir müssen rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, die wirtschaftlich überlebensfähige Verlagshäuser ermöglichen im Zweifel auch durch Zusammenschluss. Während wir in den 70er Jahren gesellschaftlich bisweilen noch Angst vor allzu großer Meinungsmacht haben mussten, geht es jetzt eher darum, ökonomisch angemessene Bedingungen im Wettbewerbsrecht zu schaffen. Dazu gehören Veränderungen der Aufgreifschwelle genauso wie die Modalitäten von Sanierungsfusionen und die Kriterien des potenziellen Wettbewerbs. Dort, wo wir früher noch automatisch auf Anbietervielfalt setzen konnten, brauchen wir heute Angebotsvielfalt.

 

In diesem Zusammenhang kann man auch das Presso-Grosso-Systems in Deutschland stellen, das einzigartig ist in der Welt, und das nach den jüngsten Urteilen wohl eine gesetzliche Absicherung braucht. Am besten ebenfalls im GWB, eventuell darüber hinaus zusätzlich auch in den Landespressegesetzen. Wir werden dabei darauf achten, dass die Sicherung des Status Quo im Vordergrund steht und nicht irgendwelche langgehegten Regulierungsphantasien.

 

Wir werden uns außerdem gemeinsam um Rahmenbedingungen kümmern müssen, die gewährleisten, dass die Presse Geschäftsmodelle im Netz entwickeln kann.

 

Deshalb darf die Aussicht auf ein Leistungsschutzrecht von dem ja noch niemand weiß, wie es aussehen wird nicht darüber hinweg täuschen, dass das Netz als eigener Markt weiter erschlossen werden muss und insbesondere die Tabloid-Apps erstmals seit längerem den produzierten Content wieder an eine verkaufbare Form binden. Deshalb ist es schon bedeutsam, wenn es gelingt, dass Verleger und öffentlich-rechtlicher Rundfunk hinsichtlich ihrer Rollen auf diesem neuen Markt zu einer Verständigung finden.

 

Weiterhin werden wir bei der Ausgestaltung des Datenschutzes einerseits darauf achten, dass Sinnvolles und Vertrauensförderliches passiert, und andererseits aufpassen, dass hier zum Beispiel durch neue Vorschriften für das Direct-Marketing Erlösmöglichkeiten nicht geschmälert werden.

 

Und last but not least gehört zu einer vernünftigen Politik der Presse-Rahmenbedingungen auch die Journalistenausbildung. Hier würde ich mir schon etwas mehr Ehrgeiz aller Beteiligten entlang der Frage wünschen, ob denn das Volontariat in seiner heutigen Form noch das allein glücklich machende Ausbildungsangebot sein kann bzw. soll. Ich denke, dass wir es mindestens durch akademische Bestandteile ergänzen und weiterentwickeln müssen. Diese Debatte gehört geführt.

 

Meine Damen und Herren,

wir in Hamburg stellen uns der Herausforderung, an einer Medienordnung für das digitale Zeitalter zu arbeiten. Bei unserem Mediendialog im kommenden Mai haben wir deshalb das Thema Media Governance auf die Tagesordnung gesetzt und freuen uns, dass der BDZV mit  dabei sein wird.

 

Wir wollen in den Diskussionen überprüfen, ob wir die richtigen Verfahren zum Einsatz bringen, wenn es an die fundamentalen Interessenskonflikte der digitalen Medienwelt geht. Viele jahrelange Verhärtungen stammen wahrscheinlich auch daher, dass die Medienpolitik nicht  die richtigen Instrumente im Kasten hat, um effektiv an Lösungen zu arbeiten. Die intellektuelle Zumutung, deshalb zunächst ein wenig abstrakter zu diskutieren, kann da erfolgversprechender sein als bloß das nächste Panel auf dem die einander gut bekannten Konfliktpartner einander gut bekannte Argumente mit allen bestens bekannten Ergebnissen austauschen.

 

Das wollen wir im Mai nicht machen. Und das werden wir heute nicht machen. Ich freue mich, dass Sie hier bei uns in Hamburg sind,  wünsche Ihnen einen erlebnisreichen Aufenthalt und uns allen einen anregenden Abenden mit guten Gesprächen.

 

Schönen Dank!

  

Es gilt das gesprochene Wort.