"Wir müssen zeigen, dass es uns um die Kanzlerschaft geht" Interview mit der "Hamburger Morgenpost" (Teil 2)
"Hamburger Morgenpost": Die Umfragewerte der SPD sind schlecht, liegen bei mageren 23 Prozent, die vergangenen drei Landtagswahlen waren Desaster für Ihre Partei.
Olaf Scholz: Die SPD hat bundesweit ein Potenzial, das zehn Prozentpunkte über den Umfragen der letzten Jahre liegt. Wir haben es gesehen, als Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten gewählt wurde.
"Hamburger Morgenpost": Ja, aber der Schulz-Effekt verpuffte ziemlich schnell. Was also ist falsch gelaufen?
Olaf Scholz: Wir müssen zeigen, dass es uns um die Kanzlerschaft, um die Führung des Landes geht. Da geht es um wichtige Themen wie Außen- und Sicherheitspolitik, Europa, Wirtschaft, Arbeitsmarkt. Und um große Herausforderungen wie die Fluchtmigration oder den Klimawandel. Und selbstverständlich geht es auch darum, dafür Sorge zu tragen, dass es in unserem wirtschaftlich erfolgreichen Land gerecht zugeht.
"Hamburger Morgenpost": Dennoch: Erst sorgte Schulz für Auftrieb, dann für den Abstieg.
Olaf Scholz: Martin Schulz ist ein guter Kanzlerkandidat. Er kennt sich in der Welt aus, kennt viele der Staats-und Regierungschefs und viele der verantwortlichen Politiker in Europa.
"Hamburger Morgenpost": Ja. Bundeskanzlerin Merkel macht aber eine gute Figur auf dem internationalen Parkett. Die Deutschen scheinen zufrieden damit.
Olaf Scholz: Gerade wenn es um Europa geht, reicht es nicht, von einem Termin zum nächsten zu kommen. Da ist eine strategische Perspektive erforderlich. Die brauchen wir an dieser Stelle und auch auf vielen anderen Politikfeldern.
"Hamburger Morgenpost": Frau Merkel hat also keine Strategie?
Olaf Scholz: Ich glaube, wir brauchen eine Strategie und zwar eine, bei der wir nicht so tun, als würden sich die Dinge von allein fügen.
Das Interview führten Frank Niggemeier, Mike Schlink und Renate Pinzke.