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24.09.2009

16 Fragen an Olaf Scholz

Interview mit der WELT

 


1. Warum wollen Sie unbedingt in den Bundestag?

Als Altonas Abgeordneter im Bundestag und als Bundesminister für Arbeit und Soziales setze ich mich in Berlin mit ganzer Kraft dafür ein, dass es in unserem Land sozial und gerecht zugeht. Da gibt es noch viel zu tun.

2. Stellen Sie sich vor, Sie wären Bundeskanzler. Was würden Sie als Erstes ändern?

Ich bin Arbeitsminister. Das will ich auch bleiben. Es gibt noch einige Weichen für einen funktionierenden Arbeitsmarkt der Zukunft zu stellen - mehr Arbeitsvermittler und ein besserer Schutz der Leiharbeit zum Beispiel. Am besten steht ab Oktober ein Sozialdemokrat an der Spitze: Frank-Walter Steinmeier.

3. Welche politische Maßnahme hat Sie in den vergangenen vier Jahren am meisten empört?

Mich hat besonders die Kaltschnäuzigkeit empört, mit der der Hamburger Senat die Volkshochschule Röbbek in Groß Flottbek geschlossen hat. Das war die einzige Einrichtung in Hamburg, in der man tagsüber den Hauptschulabschluss nachholen konnte. Da zeigt sich im vermeintlich Kleinen, was falsche Prioritäten konkret für das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger bedeuten können - nämlich verweigerte Chancen: Rund 500 000 Langzeitarbeitslose haben keinen Schulabschluss. Darum habe ich durchgesetzt, dass jeder Arbeitslose jetzt das Recht hat, seinen Hauptschulabschluss nachzuholen - und zwar ein Leben lang.

4. Welche drei Forderungen sind für Sie die wichtigsten in diesem Bundestagswahlkampf?

Wer sich anstrengt, muss etwas davon haben. Deswegen bin ich für den Mindestlohn. Guter Lohn für gute Arbeit, das bedingt sich. Zweitens: Wer sich Mühe gibt, muss sein Leben verbessern können. Er sollte offene Türen einrennen, statt auf Hindernisse zu stoßen. Deshalb brauchen wir die Möglichkeit, auch mit einem Meister oder entsprechender Berufserfahrung ein Studium aufnehmen zu können. Als dritte Forderung: Wer nicht aus eigener Kraft auf die Beine kommt, der muss immer einen ausgestreckten Arm finden, der ihm aufhilft, damit er wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Darum brauchen wir einen starken Sozialstaat.

5. Was wünschen Sie sich von Ihrem Kontrahenten im Wahlkreis?

Eine faire Auseinandersetzung - wie bisher.

6. An was wollen Sie in vier Jahren gemessen werden?

Ich werde in den nächsten Jahren dafür arbeiten, dass wir die historische Chance, die im demografischen Wandel steckt, nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen. Wir diskutieren das ja immer nur übellaunig als finanzielles Problem. Richtig ist aber auch: Immer mehr ältere, erfahrene Beschäftigte gehen in den Ruhestand, während immer weniger Junge auf den Arbeitsmarkt nachrücken. Daher müssen wir erreichen, dass jeder mit 20 Jahren entweder eine Berufsausbildung oder Abitur hat.

7. Was tun Sie im Bundestag für Hamburg oder Ihren Wahlkreis?

Mir geht es vor allem darum, auch jeder Hamburgerin und jedem Hamburger die Chance zu geben, das Leben selbstbestimmt in die Hände zu nehmen. Ich setze mich aber auf Bundesebene auch für viele wichtige und besondere Altonaer Belange ein: soziale Stadtentwicklung, A-7-Deckel, Desy, Bahnhof, Briefzentrum. Jetzt in der Krise kommt es zudem vor allem darauf an, zu verhindern, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Folgen ausbaden.

8. Was machen Sie, wenn Sie nicht gewählt werden?


Ich habe viele politische Ideen. Darum lege ich mich jetzt im Wahlkampf ins Zeug. Aber ich bleibe gelassen, denn ich war viele Jahre gerne Rechtsanwalt.

9. Wie motivieren Sie Erstwähler, ihre Stimme abzugeben?


Politik ist nichts Abgehobenes, jede und jeder hat in seinem Alltag mit dem zu tun, was in der Politik entschieden wird. Wer das nicht einfach hinnehmen, sondern beeinflussen will, der muss wählen gehen. Mein Rat: Glaubt nicht denen, die das Blaue vom Himmel versprechen, sondern denen, die Lösungen für die konkreten Probleme der Bürgerinnen und Bürger suchen. Vom Ausgang dieser Wahl hängt eine Menge ab. Wenn man den Überbietungswettbewerb beim Senken der Steuern für obere Einkommen ernst nähme, wäre unser gesamter Sozialstaat in großer Gefahr. Wer das nicht will, sollte darauf setzen, dass auch nach der Wahl weiterhin Sozialdemokraten entscheidenden Einfluss in der Regierung haben.

10. Wer ist Ihr persönliches Vorbild?

Mein politisches Vorbild ist Helmut Schmidt, der als Minister und Kanzler politische Weitsicht mit politischem Pragmatismus zu verbinden wusste und der übrigens erst vor Kurzem noch einmal mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, dass der Sozialstaat die wichtigste Errungenschaft der letzten Jahrzehnte ist.

11. Warum ist der Wahlkampf so langweilig?


Dieser Eindruck entsteht bei manchen, weil sich eben ein Teil der Politiker nach Kräften wegduckt, sobald es um Inhalte geht. Ehrlich gesagt halte ich das für zutiefst undemokratisch. Aber: Die Wähler lassen sich so schnell nicht hinter das Licht führen. Unsere Vorstellungen liegen auf dem Tisch.

12. Was halten Sie von rot-rot-grünen Bündnissen?

Auf Bundesebene nichts. Mit den Positionen der Partei Die Linke ist kein Staat zu machen.

13. Wann sollen die deutschen Truppen aus Afghanistan raus?

Frank-Walter Steinmeier hat den Weg gezeigt, wie in der nächsten Legislaturperiode die Voraussetzungen für einen Abzug aus Afghanistan geschaffen werden können.

14. Sollen weitere Atomkraftwerke abgeschaltet werden?


Ja. Wir halten am vereinbarten Atomausstieg fest. Was in der Asse passiert und die Vorgänge um die Erkundung von Gorleben zeigen deutlich, dass wir die Endlagerfrage noch lange nicht geklärt haben. Da wäre ein Zurück zur Atomkraft verantwortungslos.

15. Wie kommt Deutschland aus der Krise?

Wir müssen Arbeit sichern. Mit der Kurzarbeit haben wir eine Beschäftigungsbrücke über die Krise gebaut, die trägt. Fast alle Experten korrigieren ihre düsteren Prognosen für den Arbeitsmarkt. Denn wir haben dafür gesorgt, dass niemand Mitarbeiter entlassen muss, die er dringend wieder braucht, wenn es im Laufe des nächsten Jahres wieder bergauf geht. Wir haben gut daran getan, unsere industriellen Kerne zu bewahren. Wo nur auf die Finanzbranche gesetzt wurde, ist alles zusammengebrochen.

16. Wie viel Prozent holen Sie mit Ihrer Partei in Hamburg?

Wir wollen alle sechs Direktmandate gewinnen.

 

Hier finden Sie das Interview auf der Internetseite der WELT.