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07.05.2012

63. Übersee-Tag des Übersee-Clubs

 

Sehr geehrter Herr Behrendt, 

sehr geehrter Herr Löscher,

sehr geehrte Ehrenbürger, Herr und Frau  Professor Greve,  

sehr geehrte Präsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft,

Exzellenzen und sehr geehrte Vertreter des Konsularischen Korps,

meine sehr geehrten Damen und Herren, 

 

ich danke Ihnen für die Einladung zum 63. Übersee-Tag in Hamburgs traditionsreichem Übersee-Club, und ich bin schon jetzt gespannt auf Herrn Löschers Ausführungen gleich im Anschluss. 

 

Die Werte des Wandels, die im Titel Ihres Vortrags anklingen, Herr Löscher, sind in den vergangenen Jahren einer nahezu beispiellosen Überprüfung unterzogen worden. 

 

Die Erkenntnis, dass die Ressourcen endlich sind, dass wir mit unseren Lebensgrundlagen schonend umgehen müssen, wenn wir wollen, dass auch künftige Generationen noch eine lebenswerte Umwelt vorfinden, diese Erkenntnis erfüllt nicht mehr nur Experten und Politiker, sondern gehört zum Allgemeingut. 

 

Gerade die großen Städte wie Hamburg sind dabei in der Pflicht. Weltweit sehen sie sich mit großen zum Teil selbst geschaffenen Umweltproblemen konfrontiert. Ihnen fällt eine Schlüsselrolle zu, wenn es um den schonenden Umgang mit Ressourcen und Energie geht, um die Anpassung an den Klimawandel oder den Versuch, ihn wenigstens abzubremsen. 

 

Im Jahr 2025 werden fast 60 Prozent der Menschen in Ballungszentren leben knapp fünf Milliarden gegenüber 3,3 Milliarden heute und viele von ihnen in Megacities mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. Hochgerechnet verbrauchen die Städte, die gerade einmal knapp drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, gut 80 Prozent aller genutzten Ressourcen. 

 

Zwar versorgen die Städte als Standorte von Industrie, Handel und Wandel auch das Land mit; nach dem Verursacherprinzip sähe die Statistik also anders aus. Außerdem verbraucht in unseren Breitengraden etwa das Heizen von Gebäuden die meiste Energie; die Probleme in anderen Ländern sind andere. 

 

Gemeinsam ist den Städten aber, dass sie die Herausforderungen für moderne Umweltpolitik wie in einem Brennglas fokussieren. Verantwortungsvolle Umweltpolitik hat in Hamburg Tradition und zeigt ihre Stärken immer dann, wenn sie es vermag, technische Innovationen zu initiieren, zu fördern und natürlich auch durchzusetzen. Statt populistischer Symbolik und moralischer, oft folgenloser Verzichtsrhetorik brauchen wir intelligente Technik und die Lösungskompetenz von Ingenieuren. 

 

Genau damit hat mein Verständnis von moderner Umweltpolitik zu tun. Deutschland als Land mit langer Ingenieurtradition verfügt einerseits über das Know-how und andererseits die Wirtschafts-kraft für intelligentes ingenieurgetriebenes Wachstum, ohne das der Klimaschutz nicht zu bewerkstelligen ist. 

 

Große Städte wie Hamburg mit Stolz voriges Jahr Europäische Umwelthauptstadt 2011 können auf diesem Gebiet innovativ sein, denn sie sind seit jeher faszinierende Laboratorien gesellschaftlichen Lebens. Und gerade in den Städten ist Umweltschutz zum Wirtschaftsfaktor geworden. Wir verstehen den Schutz der Umwelt und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes nicht als Widerspruch, sondern tun alles dafür, damit beide Prozesse einander befeuern. 

 

Unbestritten treten dabei mitunter Zielkonflikte auf. Zum Beispiel, wenn es um Flächenkonkurrenz geht, um Emissionen oder den Ausbau von Verkehrsadern. Umso wichtiger ist die Entwicklung neuer Technologien. Denken Sie einige Jahre zurück: Ohne die Umrüstung der Kraftfahrzeuge auf bleifreies Benzin und die Einführung von Katalysatoren gäbe es heute in Deutschland entweder keinen Wald oder keinen Individualverkehr mehr. 

 

Zwei Beispiele für aktuelle Themen im Spannungsfeld von Umwelt und Wirtschaft sind: erstens die Elbvertiefung und zweitens die Wind-, insbesondere die Offshore-Energiebranche. 

 

Was die Fahrrinnenanpassung angeht, sind sich alle Fachleute einig, dass sie zur Bestands-sicherung des Hamburger Hafens von existenzieller Bedeutung ist, denn besonders im Asien-Europa-Verkehr wächst rasant die Zahl der Großcontainerschiffe mit Platz für mehr als 10.000 Standardcontainer. Ende 2011 hat die Europäische Kommission dem Vorhaben bestätigt, im Einklang mit den europäischen Bestimmungen zu Umwelt- und Naturschutz zu stehen. 

 

Unser Nachbarland Schleswig-Holstein hat im März, Niedersachsen im April 2012 sein Einvernehmen bekundet. Das war der Durchbruch für dieses Projekt mit wichtiger internationaler Signalwirkung. Vor zwei Wochen wurde der Planfeststellungsbeschluss erlassen, und ich bin zuversichtlich, dass wir so bald wie möglich mit den Baggerarbeiten beginnen können auch das gehört für mich zum Thema Nachhaltigkeit und Sicherung der Lebensgrundlagen. 

 

Erneuerbare Energie, insbesondere die Wind-energie, ist inzwischen ein weiterer bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Metropolregion Hamburg. In Hamburg ist eine große Vielfalt von Dienstleistern aktiv, die sich auf Planung, Finanzierung, Produktion, Installation, den Betrieb und die Wartung bis hin zur Versicherung von Windenergieanlagen spezialisiert haben. Damit wird ein großer Teil der Wertschöpfungskette bei uns abgedeckt. 

 

Im Offshore-Segment stechen die Entwicklung und der Bau von Errichterschiffen als aktuelle Innovationen hervor, während in den Bereichen Speichertechnologien und Netzintegration noch große Forschungspotenziale liegen. 

 

Mit dem Cluster erneuerbare Energien haben wir die Chance, gemeinsam mit den anderen norddeutschen Ländern zu einem der weltweit führenden Standorte der Windenergiebranche zu werden. Interdisziplinäre und branchen-übergreifende Kooperationen mit anderen sektoralen Netzwerken ermöglichen ungeahnte Synergien, und dieser Ansatz der Co-opetition, also die Verbindung von Cooperation mit Competition, bringt uns weiter, als wenn jeder allein arbeitet ein wichtiges Element unternehmerischen Handelns der Zukunft. 

 

Diese Zukunft hat bereits begonnen: Mehr als einhundert Hamburger Unternehmen erwirtschaften schon jetzt fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr mit Erneuerbaren Energien. Hier liegen die Arbeitsplätze und die Gewinne der Zukunft auch für die großen Player wie Siemens, Vattenfall, E.on und andere. Und dieSiemens-Entscheidung, seine (engl.) Division Wind Power in Hamburg anzusiedeln, war für beide Seiten eine gute.

 

Meine Damen und Herren, 

 

Hamburg ist keine Insel, und Deutschland erst recht nicht. Auch wenn manche meinen, die Energiewende sei mittlerweile nur mehr eine logistische Aufgabe, die sich früher oder später quasi von selbst erledigt global betrachtet ist sie keineswegs ein Selbstläufer. 

 

Wir brauchen aber ein verbessertes Netz dringend. Weil der Wind über dem Meer stärker und stetiger weht als über Land, sind für eine stabile und sichere Energieversorgung auch Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee unverzichtbar. Nicht nur der Bau, sondern auch der Anschluss an das deutsche Stromnetz sind eine enorme technologische und wirtschaftliche Kraftanstrengung.

 

Optimistisch stimmt mich die Investitionsbereitschaft der Industrie, die eine ausreichende Zahl von Offshore-Windenergieparks projektiert. Umso dringender ist Politik gefordert, durch klare und verlässliche Rahmenbedingungen auch den Netzanschluss sicherzustellen. Drei Dinge gilt es sofort zu regeln:

  • Erstens: Kalkulierbar wird der Netzanschluss erst durch klare Haftungsregeln. Am besten wird die Haftung für einen Ausfall den nicht der Netzbetreiber zu verantworten hat zwischen Windparkbetreiber, Netzbetreiber und der Allgemeinheit aufgeteilt. 
  • Zweitens: Der durch die Energiewende erforderliche Netzausbau droht die finanzielle Kraft der Betreiber zu übersteigen. Daran darf der Netzanschluss der bereits projektierten Offshore-Windparks nicht scheitern. Da muss die KfW-Bank dann wohl eine unternehmerische Beteiligung eingehen.
  • Drittens: Das deutsche Stromnetz gleicht am ehesten einem Landstraßennetz. Autobahnen, die große Strommengen von Nord nach Süd und von Süd nach Nord transportieren, fehlen. Darüber genauer gesagt: das schnell zu ändern muss es eine Verständigung von Bund, Ländern, Energiewirtschaft und Netzbetreibern geben. 
 
Dies, meine Damen und Herren, sind die Themen, die wir aus Hamburger und norddeutscher Sicht beim Energiegipfel im Kanzleramt vorbringen werden.

 

Da das Thema Netzausbau ganz oben auf der Prioritätenliste steht, hat sich auch der Rat der europäischen Energieminister vor Jahresfrist dafür ausgesprochen, die Netzkorridore für das Offshore-Netz in den nördlichen Meeren prioritär einzustufen, einschließlich ihrer Verbindungen zu den Netzen und Speichern an Land. Und die ersten Windparks in Nord- und Ostsee liefern ja auch bereits Strom.

 

Meine Damen und Herren,

die Stadt Hamburg ist mit 200.000 zusätzlichen Einwohnern seit den 1990er Jahren auf 1,8 Millionen gewachsen. Gegen Ende des nächsten Jahrzehnts werden es 1,9 Millionen oder mehr sein. Fünf Millionen leben und arbeiten in der Metropolregion Hamburg jeder hundertste EU-Bürger.

 

Hamburg hat aber auch eine geradezu ideale Lage an der Schnittstelle und Hamburg hat ein großes Interesse daran, Teil eines europaweiten smart grids zu  sein, eines intelligenten Netzes in jeder Bedeutung des Begriffs. Mit unserer eigenen Hamburger Energiewende haben wir den Kurs abgesteckt, wie wir Strom aus Atomkraftwerken ersetzen, den erneuerbaren Energien Vorrang geben und uns in die Lage versetzen, Energie zu speichern und dann verfügbar zu machen, wenn sie gebraucht wird.

 

Inzwischen hat die Bürgerschaft in 1. Lesung zugestimmt, dass die Stadt 25,1 Prozent der Hamburger Energieverteilnetze zurückkauft. Das ermöglicht Investitionen in Speicher für Fernwärme, Power to Gas. Speichertechnologie muss dafür sorgen, dass Windstrom nicht nur dann genutzt werden kann, wenn es weht.

 

Meine Damen und Herren,

wir können die politischen und die technischen Bedingungen dafür schaffen, dass vernünftige, nachhaltige alternative Umwelttechnologien sich durchsetzen. Deutsche Autos genießen seit Jahrzehnten Weltruf; nun haben wir die historisch vielleicht einmalige Chance, Umwelt-Marktführer und weltweites Vorbild zu sein.

 

Für eine wirkliche Ära der Nachhaltigkeit braucht es entschlossenes Vorgehen der Politik und visionäres unternehmerisches Handeln. In der Hand von Politik und Wirtschaft liegt es, gemeinsam die gewaltigen Aufgaben zu meistern, die vor uns liegen in Hamburg ebenso wie in Deutschland und in Übersee. 

 

Vielen Dank.

 
 
Es gilt das gesprochene Wort.