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28.11.2016

"Arbeit und Sozialstaat: Starke Konzepte zur Gestaltung der Globalisierung" Beitrag für die Festschrift "25 Jahre FES-Managerkreis"

"Arbeit und Sozialstaat: Starke Konzepte zur Gestaltung der Globalisierung" Beitrag für die Festschrift "25 Jahre FES-Managerkreis"

 

Niemand könne bezweifeln, so schreibt John Locke 1689 in dem anonym veröffentlichten Werk Zwei Abhandlungen über die Regierung, dass der Mensch sich selbst gehört und damit auch das, was er hergestellt hat. Die Arbeit des Körpers und das Werk seiner Hände ist im eigentlichen Sinne sein Eigentum lautet das berühmte Diktum von Locke. Den Menschen als Schöpfer der Dinge zu sehen, verstieß gegen das christliche Erbe, und es war zugleich auch ein Bruch mit den politischen Traditionen: Über Jahrhunderte galt als ausgemacht, dass Armut, Rechtlosigkeit und Arbeit verbunden sind. Dass dem Tätigen das durch Arbeit geschaffene Gut auch zusteht, diese Rechtfertigung von Privateigentum war revolutionär: Die Vorstellung, dass durch Arbeit Anrechte erworben werden, ist ein Kennzeichen der Neuzeit.

Lockes Bild von dem aus der Arbeit entstehenden Produkt ist einprägsam, aber es hat viele Schwächen. Was dem Einzelnen zusteht, ist in der arbeitsteiligen Wirtschaft und noch mehr in der Industrie nicht so einfach zu bemessen, schon mal gar nicht vom Schreibtisch eines Philosophen aus. Die große Bruchlinie in den politischen Debatten bestand deshalb über Jahrhunderte in der Frage, wie die Volkswirtschaft aussehen muss, in der die, die ihren Lebensunterhalt mit Erwerbsarbeit bestreiten, das bekommen, was ihnen zusteht.

Inzwischen gehört es zum klassischen Wertekonsens westlicher Gesellschaften, dass man sich anstrengt, um etwas zu erreichen, aber auch, dass alle die Chance und die reale Gelegenheit haben sollen, durch Arbeit zu ihrem Einkommen beizutragen. Die soziale Marktwirtschaft ist eben gerade deshalb so erfolgreich, weil sie für Wohlstand und Gerechtigkeit steht.

Offenheit!

Diese Werte im Kontext der Globalisierung zu stabilisieren und zu verteidigen, gehört zu den großen Herausforderungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ähnlich wie in den Frühzeiten der Industrialisierung, als in Deutschland die sich formierende Sozialdemokratische Partei die staatlichen Sozialversicherungen erkämpfte, ist es auch heute wieder die Situation derer, die von ihrer Arbeit leben wollen und auf gute Arbeitsplätze angewiesen sind, an der sich die Legitimität der wirtschaftlichen Strukturen erweisen muss. Dabei geht es diesmal nicht um die Herausforderung des Kapitalismus durch den Sozialismus oder ähnliche Konzepte. Die Bruchstelle ist viel komplexer und sie durchzieht auch die klassische politische links-rechts Orientierung. Die neue politische Bruchlinie zeigt sich an der Einstellung zur Globalisierung. Wollen wir die damit verbundene Offenheit?

In vielen Ländern gibt es das Phänomen wachsender Unzufriedenheit eines Teils der Bürger, die sich zur Mittelschicht oder zu den sogenannten kleinen Leuten zählen. Es lohnt ein Blick auf die Gründe. Unübersehbar ist, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte die realen Einkommen der Arbeitnehmer im mittleren und unteren Lohnsegment in einigen Industriestaaten nicht gestiegen, oftmals sogar gesunken sind. In den USA ist das besonders deutlich. Für Branko Milanović erklärt die Spreizung von Einkommen auch die Stimmungslage vor den Präsidentschaftswahlen: In den USA bezog Mitte der siebziger Jahre das reichste Prozent der Bevölkerung acht Prozent des Nationaleinkommens. Heute sind es rund zwanzig Prozent. Viele Leute sind enttäuscht, das schlägt sich in ihrem Wahlverhalten nieder.  Forderungen nach verstärkter nationaler Abschottung sind häufig die Folge. Selbst in den USA, einem Land, das traditionell große Unterschiede bei den Einkommen akzeptiert und lange von Freihandel profitiert hat, beginnt die Globalisierung einen schlechten Ruf zu bekommen.

Eine ähnliche Stimmung hat in Großbritannien die Brexit-Entscheidung bestimmt. Auch dort waren soziale Ungleichheit, zu wenig gute Arbeitsplätze und die Hoffnung auf mehr politischen Einfluss wichtige Faktoren. Große Zustimmungsraten kamen aus dem postindustriellen Norden. Hinter der Entscheidung stand der Wunsch nach mehr nationalem Einfluss, zumal auch im Wesentlichen dort gewählt wird. Dennoch war es ein großer Irrtum der britischen Wähler zu glauben, die EU schaffe die Probleme. Das ist eine Verwechslung der negativen Folgen der Globalisierung mit dem wichtigsten Instrument globaler Einflussnahme für die Bürger Europas. Nur mit der Europäischen Union gibt es die notwendige Durchsetzungskraft, um im Wettbewerb und im Umgang mit den großen Wirtschaftsräumen unsere Anforderungen von Rechtstaatlichkeit und demokratischer Kontrolle durchsetzen zu können.

Dabei sollte man auch nicht übersehen: Die Welt ist durch die Globalisierung insgesamt deutlich weniger ungerecht geworden. Die weltweite Armut hat sich reduziert, das betrifft etwa eineinhalb bis zwei Milliarden Menschen. In vielen der Schwellenländer, insbesondere in Asien, konnten sich neue Mittelschichten etablieren. Inzwischen ist das durchschnittliche Einkommen in China etwa vergleichbar mit dem in Bulgarien oder Rumänien.  Milanović  beschreibt in seiner Betrachtung der globalen Ungleichheit, dass es in diesem Jahrhundert in vielen Staaten eine dynamischere ökonomische Entwicklung gibt als in den Industriestaaten. Auch wenn die Unterschiede der Einkommen zwischen den Industriestaaten, Schwellenländern und Entwicklungsländern noch lange hoch sein werden, führt die internationale Kooperation der Wirtschaft in eine positive Richtung.

Wachstum ist nicht mehr so einfach zu erreichen

Die Artikulation prägnanter Parolen, geäußert von weniger vernünftigen Personen, die schlechte Laune verbreiten und das mit Fremdenfeindlichkeit verbinden, verdeckt ein ökonomisches Phänomen, das die Wirtschaft vieler Industrienationen bestimmt: Die Konjunkturdaten und die Wachstumsaussichten schwächeln. Das klassische Versprechen, sei tüchtig, dann wird es deinen Kindern einmal besser gehen, erfüllt sich für eine wachsende Anzahl von Frauen und Männern in den Industriestaaten längst nicht mehr ohne Weiteres. Da sich ähnliche Phänomene der Veränderungen in verschiedenen Staaten mit sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Konstellationen und unterschiedlichen politischen Konstellationen vollziehen, spricht viel dafür, dass es sich um ein globales Phänomen handelt und dass auch die Ursachen globale Phänomene sind.

Die Industrienationen haben sich von den Folgen der Finanzkrise weitgehend erholt, aber die Erholung ist langsam und noch schwach. Die Wachstumsraten sind durchschnittlich nicht auf dem Niveau, das sie vor 2009 hatten. Schon gar nicht kann man den Vergleich mit den Wachstumsraten bis zu den 1970er Jahren wagen. Der Weltwirtschaft scheint der Schwung zu fehlen. Es sieht ganz so aus, als müssten sich Investoren, Politiker und Wissenschaftler mit der Tatsache auseinandersetzen, dass sich die Wachstumsraten derzeit auf niedrigem Niveau einpendeln. Das Phänomen ist in Europa, den USA aber auch in Japan, Korea, Neuseeland oder Australien zu beobachten. Es ist keineswegs einfach zu beschreiben, vielmehr gibt es eine ganze Reihe von verschiedenen Erklärungen.

Zu nennen ist einmal das Konjunkturproblem, das aus einem steigenden Kapitalangebot bei sinkender Investitionsneigung entsteht. An vielen Stellen gibt es Privateigentum, das bislang nicht produktiv genutzt wird. Für mehr Wachstum müsste es im ganz großen Stil überall auf der Welt investiert werden. Eine grundlegende Ursache für Wachstumsschwankungen ist auch der Zusammenhang zwischen Produktivität, Lebenserwartung und Arbeitskräftepotentialen. Es zeigt sich, dass die zurückliegenden großen Wachstumsschübe mit dem Rückgang der Säuglingssterblichkeit und der Anpassung der Geburtenraten korrelieren. Gesellschaften, die wissen, dass ihre Kinder lange leben werden, investieren in Bildung. Das bedeutet mehr und auch besser qualifizierte Arbeitskräfte und damit eine gesteigerte Innovationskraft der Bevölkerung. Wenn Staaten ihre demografische Dividende ausgeschöpft haben, können sie das Wachstum nicht mehr so einfach steigern.

Enttäuscht wurden bislang die Erwartungen an die Digitalisierung von Wirtschaft und Industrie. Das neue digitale Wissen hat noch nicht die Produktivitätszuwächse und die Dynamik entfaltet, die etwa Verbrennungsmotoren, elektrische Geräte und die Revolution des Gesundheitswesens hatten. Manche vermuten bereits, die Zeit der großen Erfindungen sei vorbei. Aber so pessimistisch muss man nicht sein. Denn mit Blick auf die Wirtschaftsgeschichte sehen wir, auch bei anderen weltbewegenden Erfindungen hat es zum Teil lange gedauert, bis die Industrie die Potentiale erkannt hat und nutzen konnte. Das neue Zeitalter der digitalvernetzten Produktion steht noch am Anfang und damit stehen die Wachstumsschübe der Digitalisierung vermutlich noch aus.

Egal welcher der Erklärungen und Prognosen man folgen möchte:  An der Beschreibung der Fakten gibt es kaum Zweifel und das hat auch Folgen für die Politik bei uns in Deutschland: Die Weltwirtschaft lebt von den Impulsen der internationalen Zusammenarbeit, aber Wachstum ist nicht mehr so einfach zu erreichen. Wenn dann noch die Ungleichheit zunimmt, schwindet mancherorts schnell die Hoffnung und die politischen Konflikte nehmen zu. Das ist eine strategische Herausforderung, die in ihrem ganzen globalen Kontext verstanden werden muss, denn nur so kann die Frage für die zukünftige Politik in Deutschland richtig formuliert werden: Wie muss der Sozialstaat in Deutschland ausgestattet werden, damit unsere Wirtschaft in der Globalisierung gut besteht und möglichst viele sich und ihre Familie durch Arbeit versorgen können?

Deutschlands Wohlstand hängt an der internationalen Zusammenarbeit

Deutschland steht verhältnismäßig gut da. Unsere Wirtschaft hat sehr stark von ihrer internationalen Ausrichtung profitiert. Das gilt nicht nur für die großen Unternehmen: Gewonnen haben auch die sogenannten Hidden Champions, Mittelständler, die mit technischen Innovationen ihre Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen. Die deutsche Wirtschaft hat große Exporterfolge, seit Jahren sind wir Weltmeister darin, unsere Produkte in die ganze Welt zu verkaufen. Obwohl Deutschland ein klarer Gewinner der globalen Kooperation ist, hat es auch bei uns Arbeitsplatzverluste gegeben, die mit dem Konkurrenzdruck aus Billiglohnländern verbunden sind. Man muss aber auch sehen: Die Arbeitsplatzverluste werden durch die Erfolge der dynamischen Industrie in Deutschland und die daraus resultierenden positive Beschäftigungseffekte deutlich aufgewogen. Niemals zuvor hatte unser Land einen so hohen Beschäftigungsgrad unter Männern und Frauen.

Aber wir müssen auch sehen: Obwohl Deutschland positive Wachstumsraten hat, gibt es Bürger, die ihren gut bezahlten Arbeitsplatz verloren haben und jetzt weniger verdienen oder danach keine Beschäftigung gefunden haben und in schwierigen Verhältnissen leben. Es gibt viele Jobs in Dienstleistungsberufen, die keine oder kaum Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Es gibt zu viele, die hart arbeiten, aber aufstocken müssen, weil der Lohn nicht reicht. Wenn Einkommen knapp sind, gibt es weniger Entfaltungsmöglichkeiten und der Alltag wird deutlich schwerer. Schon relativ normale Lebensveränderungen, wie ein Umzug, eine Trennung vom Partner oder ein Jobwechsel können unüberwindliche Probleme schaffen.

Die Betonung von Leistung und Anstrengungen, durch die man weiterkommt, ist nicht die Art, in der man über sich nachdenkt, wenn die eigene Tätigkeit wenig Status bringt, schlecht bezahlt ist und die berufliche Zukunft kaum noch Überraschungen erwarten lässt. War einst die schicksalshafte Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse ein Anknüpfungspunkt für Forderungen, Identifikation und Zusammenhalt, geschieht das heute immer seltener. So oder so ist es schwer, sich und die eigenen Probleme in den Diskursen über Individualisierung, Globalisierung und offene Gesellschaft wieder zu finden, wenn die Chancen zwar formal groß, die realen Möglichkeiten aber klein sind. Wenn es in dieser Situation keine Angebote für mehr gesellschaftliche Beteiligung und Perspektiven für ein besseres Leben gibt, hat die Soziale Marktwirtschaft ein beträchtliches Legitimationsproblem.

Deutschland ist ein Gewinner der Globalisierung übrigens auch, weil es ein deutscher Kanzler war, Helmut Schmidt, der die Bedeutung der internationalen Kooperation sehr früh entdeckte und mit der EU und dem G7-Gipfel die politischen Instrumente zur Durchsetzung deutscher Interessen entwickelte. Deutschlands Wohlstand hängt unmittelbar an der Aufrechterhaltung und dem Ausbau der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, das zeigen Studien immer wieder. Dass sie dennoch einen schlechten Ruf hat, ist ein Warnzeichen. Damit die Verbundenheit mit der Welt auch von den Bürgerinnen und Bürgern mit den kleinen Einkommen getragen wird, muss der Sozialstaat ihnen Sicherheit und Perspektiven bieten. Unser Wirtschafts- und Sozialsystem darf die Erwerbsbereitschaft und die Veränderungsbereitschaft der unteren und mittleren Einkommensbezieher und der kleinen Selbstständigen nicht beeinträchtigen. Die Glaubwürdigkeit des Sozialstaats hängt daran, dass man von Erwerbstätigkeit leben kann. Leute, die sich an die Gesetze halten, fleißig arbeiten und sich anstrengen, müssen für sich und ihre Familie sorgen können. Der Sozialstaat muss zeigen, wie das geht.

Ein robuster Sozialstaat muss die Bürger schützen

Die Soziale Marktwirtschaft muss negative Folgen der Globalisierung abfedern. Eines der wichtigsten Prinzipien ist dabei, den Normalverdiener durch soziale Infrastruktur zu entlasten. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche, vor allem aber vernünftige Löhne, bestmögliche Bildung und bezahlbare Wohnungen.

Lohnpolitik ist die Sache von Arbeitgebern und Gewerkschaften, dennoch muss der Sozialstaat auf die stagnierenden Einkommen reagieren. Mit dem Mindestlohn ist ein sehr wichtiger Rahmen gesteckt worden. Den tariflichen Funktionen entsprechend, werden die Lohnuntergrenzen von Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern gemeinsam festgelegt. Der Mindestlohn ist ein großer Erfolg, vier Millionen Beschäftigte profitieren davon, und es gab keine Beschäftigungseinbrüche. Es ist wichtig, ihn konsequent anzuwenden, er muss auch für entsandte Beschäftigte aus dem europäischen Ausland gelten, damit es funktioniert.

Familien müssen stark sein, es muss möglich sein, das Leben mit Kindern gut zu meistern. Das verlangt einen massiven Ausbau von Krippen und Kindergärten, die Abschaffung von Kitagebühren und ein flächendeckendes und kostenloses Angebot von Ganztagsbetreuung in allen Schulen. Das ist nicht nur eine finanzielle Entlastung, sondern auch eine organisatorische Unterstützung für erwerbstätige Mütter und Väter. Auch die Kinder profitieren: Eine qualitativ hochwertige und verlässliche Kinderbetreuung ist der beste Start für die Schule und den weiteren Bildungsweg.

Für die Durchlässigkeit der Gesellschaft ist gute Bildung entscheidend. Deutschland braucht eine für alle zugängliche Bildung auf hohem Niveau. Die soziale Herkunft entscheidet noch zu oft über die berufliche Karriere. Um das zu ändern, gibt es in immer mehr Bundesländern die Jugendberufsagenturen, die nach dem Hamburger Vorbild den Übergang von der Schule in den Beruf begleiten. Es ist auch vernünftig, dass in Deutschland die zeitweilig eingeführten Studiengebühren weitgehend wieder abgeschafft wurden. Zugleich muss die Duale Ausbildung gestärkt und weiterentwickelt werden. Wie enorm wichtig das System der gemeinsam von Staat und Betrieben getragenen Qualifikation ist, sehen wir an der (im europäischen Vergleich) geringen Erwerbslosigkeit von Jugendlichen in unserem Land. Deutschland braucht kontinuierlich weitere Anstrengungen für bessere Bildung für immer mehr Menschen. Bildung ist individuell die Grundlage ökonomischer Eigenständigkeit und gesellschaftlich gesehen der Zugang zu den Wachstumsoptionen des digitalen Zeitalters.

Wo es gute Arbeitsplätze gibt und wo es schön ist, sind Wohnungen teuer. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine Wohnungsbauoffensive für die großen Städte und Ballungsräume. Mein Ziel in Hamburg sind jetzt 10.000 neue Wohnungen pro Jahr. Wir bauen nach dem Drittelmix, das heißt ein Drittel Eigentumswohnungen, ein Drittel frei finanziert und ein Drittel Sozialwohnungen. So schaffen wir nicht nur ausreichend Wohnraum, sondern auch eine soziale Durchmischung der Viertel.

Offenheit und Sozialstaat hängen zusammen

Die internationale Verknüpfung der Wirtschaft bringt Wohlstand und Wachstum, aber das System schafft nicht nur Gewinner. Je freier Kapital, Waren, Dienstleistungen und Arbeitnehmer die Grenzen passieren, desto robuster muss der Sozialstaat seine Bürger schützen. Das gilt auch innerhalb der Europäischen Union. In einer Freihandelszone wie dem EU-Binnenmarkt, der sich aktuell über 28 verschiedene Sozialstaaten hinweg erstreckt, mit über 500 Millionen EU-Bürgern, ist das schon eine enorme Herausforderung. Gerade weil die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein so wichtiges und unbedingt zu verteidigendes Kennzeichen der Europäischen Union ist. Was ist also mit denen, die die Freizügigkeit nutzen, aber vielleicht nicht arbeiten können oder nicht ausreichend verdienen? Deutlich bessere soziale Leistungen können wie ein Anreiz wirken, aber das ist nicht der Sinn. Die EU-Bürger haben das Recht, sich in jedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen aber es gibt kein Recht, das Land auszuwählen, in dem man die sozialen Leistungen bezieht. Sozialleistungen für europäische Arbeitsmigranten müssen daher auch im Gastland an vorausgegangene Arbeitsleistungen gekoppelt sein.

Deutschland ist die am meisten verflochtene Volkswirtschaft der Welt. Wir brauchen die globale Kooperation für die Arbeitsplätze, den Wohlstand und die Integration der Gesellschaft. Deshalb kann die Antwort nicht eine nationale Abschottung sein. Es stellt sich vielmehr die gesellschaftliche Aufgabe, die Soziale Marktwirtschaft unter Bedingungen der Globalisierung auch für kleine und mittlere Einkommen vernünftig zu gestalten. Den Wohlstand dafür können wir nur mit mehr globaler Kooperation in einer starken Europäischen Union erarbeiten. Aber die Stabilität dafür erhalten wir nur mit einer soliden sozialen Infrastruktur.  Die soziale Marktwirtschaft braucht ein den Herausforderungen der Globalisierung angemessenes Update, sonst riskieren wir die Stabilität und die Offenheit unserer Gesellschaft.