arrow-left arrow-right nav-arrow Login close contrast download easy-language Facebook Instagram Telegram logo-spe-klein Mail Menue Minus Plus print Search Sound target-blank X YouTube
Inhaltsbereich

Detail

05.02.2013

ARD-Intendantentagung

 

Lieber Herr Marmor,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

ich freue mich, Sie hier heute in Hamburg zu ihrer gemeinsamen Tagung begrüßen zu dürfen.

Und ich freue mich, dass Lutz Marmor zu Beginn des Jahres den ARD-Vorsitz übernommen hat. 

Nicht nur weil er hier in Hamburg an der historischen Wiege des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks arbeitet, sondern weil ich aus der Zusammenarbeit weiß, dass er zwar tief im Herzen Kölner ist, zugleich aber viel hanseatisch ausgleichendes Naturell mitbringt. 

Das kann ja nie schaden, wenn man starke Partner moderierend zu einem gemeinsamen Willen bringen soll.

Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Marmor, dabei viel Erfolg und eine glückliche Hand.

 

Meine Damen und Herren,

Sie treffen sich heute und morgen in medienpolitisch bewegten Zeiten. Nicht nur, weil die Digitalisierung uns alle mittlerweile im Wochenrhythmus vor die Aufgabe stellt, eine neue Idee zu bewerten und in unsere Medienordnung einzupassen, sondern vor allem auch, weil es eine breite und muntere gesellschaftliche Debatte über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt.

Damit war zu rechnen. Und ich halte auch die Dimensionen alles in allem für überschaubar. Gleichwohl war uns allen bewusst, dass der Umstieg von der gerätebzogenen Gebühr zum Haushaltsbeitrag nicht nur notwendig war, sondern auch sinnvoll ist.

Angesichts der neuen technischen Möglichkeiten wären wir mit dem alten System in Vollzugsdefizite gekommen und hätten mit wachsenden Legitimationsproblemen zu kämpfen gehabt. Und zwar schleichend Das wäre vielleicht das Gefährlichste gewesen.

Mit der Umstellung machen wir das sichtbar und gehen einen neuen Weg in der solidarischen Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten.

Das ist keine kleine triviale Reform, sondern ein großes Rad, das wir da gemeinsam drehen. Deswegen tun wir gut daran, es reflexiv anzugehen und die Evaluation ernst zu nehmen. Es kann nämlich mit Blick auf einzelne Gruppen vielleicht wirklich zu ungerechtfertigten Mehrbelastungen kommen. Das dann auch schleunigst zu ändern, stellt die Grundentscheidung nicht infrage, sondern stärkt ihre Akzeptanz.

Letzten Endes ist die aktuelle Debatte nämlich weniger eine über die Finanzierungsfragen, als vielmehr eine über Sinn und Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in dieser Zeit.

Vor dieser Debatte sollte sich niemand fürchten. Da braucht sich keiner wegzuducken. Im Gegenteil.

Diese Debatte ist eine permanente medienpolitische Aufgabe. Sie sollten sie im Wortsinne selbstbewusst führen das heißt weder verdruckst, noch ohne Reflexion der eigenen Aufgabe.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet herausragende Beiträge zur gesellschaftlichen Verständigung. Ich will die Aufgaben hier nicht wiederholen, sondern lieber darauf hinweisen, dass es der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist, der in einem ansonsten weitgehend privaten und privat-kommerziellen Mediensystem eine andere Steuerungslogik einbringt.

Er rechtfertigt sich nicht in erster Linie über kommerziellen Erfolg, sondern eben vorwiegend über gesellschaftliche Kriterien, über publizistischen Erfolg.

Staatsfern ist unser ganzes Mediensystem, die privaten Angebote bisweilen sogar noch etwas ausgeprägter als der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Aber Unabhängigkeit müssen alle beweisen auf unterschiedlichen Wegen.

Für meinen Geschmack könnten Sie mit Ihren Sendern diese Spielräume zur Unabhängigkeit ruhig noch etwas offensiver nutzen. Die Fixierung auf den quantitativen Erfolg einer Sendung ist zwar nachvollziehbar, aber nicht immer der beste Ratgeber.

Keine Missverständnisse: Ich will keine Nischenprogramme, die nicht mehr in der Lage wären, auch quantitativ Relevanz zu entfalten. Aber ich will auch keine Massenattraktionen, die qualitativ irrelevant werden.

Der Grat dazwischen ist schmal und von außen lässt sich leicht fordern, exakt auf ihm zu balancieren. Ich tue es trotzdem und wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.

Denn es ist ja etwas dran an den Hinweisen, dass das Fernsehen derzeit überall auf der Welt die Erzählformen revolutioniert und sich so neue Publika erschließt, dass wir daran in Deutschland aber nur vergleichsweise selten beteiligt sind.

Haben Sie keine Angst, wenn Sie qualitativ hochwertige Experimente versuchen für genau solche Benchmarks brauchen wir öffentlich-rechtliche Anstalten, die sich auch das Scheitern leisten können, das dann dazu gehört.

 

Meine Damen und Herren,

die Digitalisierung bringt es mit sich, dass sich Medienakteure plötzlich im Netz begegnen, die niemals damit gerechnet hätten, einmal auf demselben Markt in direkte Konkurrenz zu treten.

Dass genau das seit einigen Jahren mit den neuen sogenannten Telemedienangeboten passiert, beschäftigt uns fortlaufend. Aber das ist keine Aufgabe für die Medienpolitik allein. Unsere Grenzziehungen und Definitionen werden immer nachlaufend und vergleichsweise statisch sein.

Wir sind insbesondere hier darauf angewiesen, dass sich eine Ordnung der Media Governance entwickelt, in der die Beteiligten auch wirklich Teil der Regulierungsaufstellung werden.

Deswegen haben wir beispielsweise mit Blick auf die Tagesschau-App immer wieder verdeutlicht, dass uns an einer gemeinsamen Verhandlungslösung von Sendern und Verlegern gelegen ist. Und auch das Gericht hat ja letztlich deutlich gemacht, dass es die Frage der App mit rechtlichen Mitteln nur sehr begrenzt in den Griff bekommt.

Hier sind die Medien gefragt, gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Wir haben früher politisch von einer antagonistischen Kooperation gesprochen vielleicht ist das ja ein gedankliches Modell, dem sich alle nähern können.

Denn natürlich gibt es gemeinsames Interesse an Qualitätspartnerschaften, wie sie sich in der Content-Allianz ausdrücken.

Ich glaube jedenfalls, dass der alte Blick auf die Politik allein, nicht mehr ausreicht, wenn die Dinge dauerhaft und allseits akzeptiert geregelt werden sollen. Ganz egal, ob Politik jemals dieser quasi archimedische Punkt gewesen ist, von dem aus Sie das Ganze drehen konnten heute ist sie es gewiss nicht mehr.

Dazu sind unsere Gesellschaft zu komplex, die technologischen Entwicklungsdynamiken zu hoch und Innovationszyklen zu kurz.

Eine smarte Regulierungsstruktur in der Medienpolitik umfasst deshalb Staat, Wirtschaft und Gesellschaft und hält sie an, argumentativ zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. In Hamburg probieren wir mit dem Mediendialog und anderen Formaten aus, wie das praktisch funktionieren kann und sind immer wieder positiv überrascht, von der Kreativität und Kraft der Kooperation, die sich entfalten können, wenn alle wollen.

Ich lade Sie herzlich ein, sich daran zu beteiligen übrigens nicht, weil wir uns als Politik drücken wollen, sondern weil wir in solchen Diskussionsprozessen klarer sehen können, wo es die Entscheidungsbedarfe gibt, denen wir uns dann auch zuwenden müssen.

Am Anfang steht schließlich die gemeinsame Analyse der Situation und der zu lösenden Probleme. Das wird im Kreise der ARD sicherlich nicht anders sein.

Aus der Politik weiß ich nur zu gut, dass es immer dann schwierig wird, wenn einzelne anfangen, Probleme lösen zu wollen, die andere noch nicht einmal als solche erkannt haben.

Deswegen ist die große medienpolitische Aufgabe unserer Zeit die Erneuerung des medienpolitischen Grundkonsenses unserer Gesellschaft, das heißt: eine gemeinsame Verständigung darüber, wie und auf welchen Wegen wir uns gesellschaftlich künftig verständigen wollen. Dazu gehören Verlage und Internetkonzerne genauso wie private Sender und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.

Die aktuelle Debatte könnte dazu ein guter Ausgangspunkt sein. Denn sehen Sie es einmal so: Die intensive Beschäftigung mit Ihren Sendern und ihrem Programm zeigt vor allem eines:

Ihre Sender haben Relevanz. Ihr Programmangebot bewegt. Solange die Kritik öffentlich formuliert wird, bedeutet das auch, dass es eine gesellschaftliche Vorstellung davon gibt, wie ihre Beiträge zur Öffentlichkeit aussehen sollen und können.

Schon heute wäre unsere Öffentlichkeit ohne ihre Sender um ein Vielfaches ärmer. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen daran zu arbeiten, dass sie künftig noch viel reicher werden kann.

 

Schönen Dank und gute Beratungen hier in Hamburg.

 

Es gilt das gesprochene Wort.