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03.02.2013

Interview mit der F.A.S. "Die Harten kommen in den Garten"

Interview mit der F.A.S. "Die Harten kommen in den Garten"


F.A.S: Geht es in Deutschland gerecht zu, Herr Scholz?

Olaf Scholz: Solange Bürgerinnen und Bürger trotz geregelter Arbeit staatliche Unterstützung brauchen, haben wir ein Gerechtigkeitsdefizit. Deshalb wollen wir gesetzliche Mindestlöhne einführen.

 

Tatsächlich? Der Wirtschaftsminister des schwarzrot regierten Thüringen, der Genosse Matthias Machnig, hat ein Gesetz zur Einführung von Mindestlöhnen in den Bundesrat eingebracht, und die SPD lehnt das ab.

Olaf Scholz: Der Vorstoß aus Thüringen ist ein Beweis für meine These, dass, wer von den Bürgern ernst genommen werden will, sich für einen echten Mindestlohn aussprechen muss. Wir sind schon lange für einen Mindestlohn, jetzt folgen andere. Mehr Erfolg kann man im politischen Wettbewerb ja kaum haben.

 

Warum haben Sie also dem Vorstoß aus Thüringen nicht zugestimmt?

Olaf Scholz: Der Bundesrat hat darüber noch gar nicht abgestimmt. Jeder, der einen Mindestlohn von 8,50 Euro befürwortet, kann bei der Bundestagswahl sein Kreuz bei der SPD machen.

 

Das beantwortet die Frage nicht.

Olaf Scholz: Die Union tut zwar so, als wolle sie dasselbe wie wir. Aber sie handelt nicht entsprechend.


Die SPD hat jetzt eine Mehrheit im Bundesrat. Was wird sie damit machen?

Olaf Scholz: Ich halte es für einen großen Vorzug der deutschen Politik, dass wir trotz aller parteipolitischen Unterschiede nicht in einer solchen Gegnerschaft oder gar Feindschaft zueinander stehen, wie sie etwa den amerikanischen Kongress in den vergangenen Jahren gelähmt hat. Der große Konsens in der Europapolitik ist das beste Beispiel dafür. Ich halte es für richtig, wie SPD und Grüne sich im Bundestag in dieser Frage verhalten. Das gehört sich so. Und diese Haltung wird auch das Verhältnis von Bund und Ländern bestimmen.


Die SPD wird also nicht, wie sie es 1998 getan hat, auf dem Weg zur Bundestagswahl den Bundes- rat für eine Dauerblockade nutzen?

Olaf Scholz: Nein. Niemand muss damit rechnen, dass wir aus Spaß an der Freude Gesetzesvorhaben der Bundesregierung aufhalten. Aber man sollte auch nicht damit rechnen, dass wir Sachen, die wir für falsch halten, unterstützen.


Wird die Arbeitnehmerpartei SPD denn bei dem Vorstoß von Bundesumweltminister Altmaier mitmachen, die Ökostrom-Zulage einzufrieren, um den Anstieg des Strompreises zu senken?

Olaf Scholz: Der Vorstoß von Herrn Altmaier ist durchschaubar und unausgegoren. Das hat viel mit dem Wahltermin im September zu tun, aber nichts mit durchdachter Politik. Und es dient nicht dazu, die Energiewende in Deutschland voranzubringen und für ausreichende und bezahlbare Energie zu sorgen.


Bezahlbarer Strom ist aber ein Anliegen, das vielen Bürgern am Herzen liegt.

Olaf Scholz: Bezahlbarer Strom ist wichtig. Das geht nicht ohne weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein Hü und Hott bei den Förderkriterien schadet da. Höchste Priorität hat der Ausbau der Übertragungsnetze. Wenn ein Netzbetreiber das nicht hinbekommt, muss man sich nach anderen Lösungen umschauen. Wer als Energie- und Umweltpolitiker ernst genommen werden will, muss sich darum kümmern.


Sie sagen also nein zum Einfrieren der Ökostrom-Umlage?

Olaf Scholz: Die Regulierungsmechanismen für die Einspeisung erneuerbarer Energien sind kompliziert genug. Die 16 Bundesländer haben gemeinsam mit der Bundesregierung beschlossen, ein Konzept zu entwickeln, das auch Änderungen an dieser Regulierung enthält. Die müssen aber eine langfristige Perspektive haben. Wir müssen jetzt wissen, wie die Förderung 2018, 2020 und 2022 aussehen wird.


Die SPD hat einen Kanzlerkandidaten, der in der großen Koalition eng und vertrauensvoll mit der Bundeskanzlerin zusammengearbeitet hat ...

Olaf Scholz: Gut so.


Nun aber soll er den Wählern einreden, Angela Merkel steuere das Land in die falsche Richtung. Kann das funktionieren?

Olaf Scholz: Peer Steinbrück ist ein Politiker, dem alle zutrauen, dass er das Land in schwierigen Zeiten führen kann gerade wenn es darum geht, die Schuldenkrise zu bewältigen und den Euro zu sichern. Ein Kanzler Steinbrück wird dafür sorgen, dass die Finanzmärkte uns nicht abermals in eine Krise stürzen. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass er ein Kanzler sein kann, bei dem sie sich gut aufgehoben fühlen können, wenn die Zeiten schwer werden. Er ist auch deswegen unser Kandidat, weil er diese Regierungskompetenz hat.


Zu Beginn der Legislaturperiode hat Peer Steinbrück ein Buch geschrieben, in dem viele scharfe Bemerkungen über die ökonomische Realitätsferne der SPD zu lesen sind. Wie soll er nun ein Programm vertreten, zu dem die Parteilinke schon jetzt kräftig Beifall klatscht?

Olaf Scholz: Vielleicht haben wir uns dieses Buch alle so zu Herzen genommen, dass wir gesagt haben: Das ist der Mann, den wir zum Kanzler machen müssen.


Das geht mit einem Buch?

Olaf Scholz: Das geht mit einem Buch. Das hat Obama auch gemacht. Der musste allerdings zwei Bücher schreiben. Scherz beiseite: Die SPD verfügt über ein breites Spektrum von Meinungen. Es ist aber nicht so breit, dass wir uns nicht auf einen Kandidaten und ein Programm einigen könnten.


Sie waren doch eigentlich ein Anhänger einer zweiten Kandidatur von Frank-Walter Steinmeier? 

Olaf Scholz: Ich bin ein Anhänger der Kandidatur von Peer Steinbrück. Die SPD hat sich auf diesen Kandidaten verständigt, und ich glaube, die Deutschen werden mit Peer Steinbrück als Kanzler zufrieden sein.


Wie würden Sie den Start des Kanzlerkandidaten beschreiben?

Olaf Scholz: Der Start ist nicht so gelaufen, wie er und wir uns das erträumt hatten. Aber es ist eine lange Strecke, an deren Ende wir erfolgreich sein können. Ich halte mich an das Motto: Nur die Harten kommen in den Garten.


Immer wenn die SPD im Bund den Kanzler gestellt hat, gab es Abspaltungen, einmal die Grünen, später dann die Linkspartei. Würde so etwas bei einer Kanzlerschaft von Peer Steinbrück nicht wieder passieren?

Olaf Scholz: Wir bewegen uns jetzt schon auf dem richtigen Pfad, weil wir, wie es scheint, gemeinsam von einer Kanzlerschaft Peer Steinbrücks ausgehen. Unabhängig von diesem Erfolg meiner Gesprächsführung teile ich Ihre These nicht. Die Grünen sind kein Fleisch vom Fleische der SPD. 

Wenn SPD und Grüne jetzt eine gemeinsame Regierung anstreben, dann funktioniert das am besten, wenn man sich darüber klar ist, dass wir unterschiedliche Vorstellungen verfolgen, auch wenn die Schnittmengen größer sind als mit anderen Parteien. In der großen Linie würde ich sagen: Die SPD ist seit 150 Jahren eine Partei der Hoffnung, die sich von der Zukunft ein besseres Leben verspricht. Die Grünen sind eher eine bewahrende Partei, die die Sorge vor der Veränderung der Welt aufgreift.


Die SPD liegt nach Umfragen irgendwo zwischen 25 und 30 Prozent. Das könnte bedeuten, dass es wieder nichts wird mit der Kanzlerschaft.

Olaf Scholz: Ich bin sicher, dass die SPD bei der Bundestagswahl eine gute Chance hat, ein Ergebnis oberhalb der 30 Prozent zu erreichen, und stark genug sein wird, um eine Regierung mit den Grünen zu bilden. 32 oder 33 Prozent für die SPD und es gibt einen neuen Kanzler.


Muss Olaf Scholz dafür mehr auf die bundespolitische Bühne als bisher?

Nein. Ich bin stellvertretender SPD-Vorsitzender, ich bin Bürgermeister und Ministerpräsident eines traditionsreichen Stadtstaates. Ich kann über den Bundesrat auf vielfältige Weise Einfluss auf die Politik in Deutschland nehmen. Die Aufgaben, die ich in Hamburg habe, beschäftigen mich von morgens bis abends.


Die Antwort war jetzt so langweilig, dass wir die komplett streichen.

Olaf Scholz: Sehr gut. Das war die Absicht.

 

Das Gespräch mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz führten Eckart Lohse und Markus Wehner.