Interview mit der Pforzheimer Zeitung
Herr Scholz, der nächste Arbeitsminister bekommt viel zu tun. Sämtliche Prognosen sagen, dass die Krise erst Anfang nächsten Jahres voll auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Sehen Sie das auch so?
Bisher war es so, dass alle Prognosen schlimmer waren, als es tatsächlich gekommen ist. Das liegt an der Förderung der Kurzarbeit. Man kann das in Zahlen sehen, was den Rückgang der Produktion und den Rückgang der Beschäftigung angeht: Der Zusammenhang ist weitgehend entkoppelt. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir auch besser bleiben werden als all die düsteren Prognosen.
Sie haben im Ministerium einen Expertenstab welche Arbeitslosenzahlen sagt der für Mitte 2010 vorher?
Zahlen, über die man als Politiker nicht verfügen kann, sollte man nicht mit fester Stimme vorhersagen.
Aber an irgendeiner Zahl müssen Sie sich doch orientieren. Sie müssen auch beim Finanzminister eine Hausnummer abgeben.
Die Zahlen, die der Arbeitsminister dem Finanzminister gemeldet hat, beruhen auf der gesamtwirtschaftlichen Prognose der Bundesregierung. Aber meine These ist: Es wird sogar bessere Werte geben als die, die wir aufgrund unserer Annahmen berechnen.
2500 Hertie-Mitarbeiter haben neulich null Euro Abfindung bekommen ein Porsche-Mitarbeiter hat 50 Millionen Euro Abfindung bekommen. Geht Ihnen da nicht der Hut hoch?
Ich glaube, dass das Verhältnis zwischen Einkünften von Arbeitnehmern und Vorstandsgehältern nicht mehr stimmt. Die Entwicklung der letzten Jahre lässt sich nicht allein mit einer Leistungssteigerung des Managements erklären.
Aber Wendelin Wiedeking war gewissermaßen bescheiden. Es wurde ja schon spekuliert, er würde weit über 100 Millionen bekommen. Wie haben Sie sein Verhalten empfunden im Umgang mit der Abfindung?
Mein Eindruck war, dass ihm aufgrund seiner Vertragslage mehr zugestanden hätte, dass er mehr hätte rausholen können. In diesen Zeiten ist schon bemerkenswert, wenn einer nicht rausholt, was er rausholen kann. Und trotzdem ist es ein verdammt hoher Geldbetrag, der da fließt.
Sind Sie stolz darauf, dass man in Deutschland wieder sagen kann: Die Rente ist sicher?
Deutschland ist eines der wenigen Länder, die die Herausforderung der demografischen Alterung in Bezug auf die Rente bewältigt haben. Mit nicht immer einfachen Reformen haben wir dafür gesorgt, dass Einnahmen und Ausgaben wieder zusammenpassen. Meine Sorge ist, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis alle das Vertrauen in die Stabilität wieder gewonnen haben.
Sie haben eine Rentengarantie versprochen und gleichzeitig gesagt, das diese sowieso nie angewendet werden muss das war dann aber ein günstiges Wahlgeschenk, oder?
Das war gar kein Wahlgeschenk, sondern das war eine durchaus wütende Reaktion darauf, wie mit Verunsicherung Politik gemacht wird. Es gibt nur eine Form, wie man in der Demokratie solchem unseriösen Gebahren entgegentreten kann mit der klaren Sprache des Gesetzes, und die haben wir genutzt.
Die Bundesbank hat ausgerechnet, dass 2060 die Rente nur finanzierbar ist, wenn die Leute bis 69 arbeiten. Ist denn diese Berechnung so abwegig?
Ja. Es gibt keine Berechnung, die darauf hindeutet, dass es notwendig ist. Die Beiträge steigen nach allen unseren Berechnungen im nächsten Jahrzehnt nicht. Und im übrigen haben wir genug Mühe damit, dafür zu sorgen, dass es bessere Beschäftigungschancen für Ältere gibt.
Woran scheitert es Ihrer Auffassung nach, dass man Ältere nicht in Arbeit bringt sind sie zu teuer oder traut man ihnen nichts zu?
Sie sind nicht zu teuer. Man traut ihnen vielmehr nicht zu, was man ihnen zutrauen könnte. Und das ist nicht in Ordnung. Es kann nicht sein, dass man als 51-jähriger Minister pudelwohl in die Zukunft blickt, und jemand, der mit 51 als Angestellter, als Verkäuferin, als Bandarbeiter entlassen wird, berechtigterweise große Sorgen hat.
Es gibt immer mehr Rentner und immer weniger Beitragszahler wie soll es ohne höhere Beiträge oder längere Lebensarbeitszeit funktionieren?
Für das Alterssicherungssystem gilt eine Gewissheit, die für jede Kaffeefahrt auch gilt: Wenn einem angeboten wird, man könne umsonst irgendwo hinfahren, hat man am Ende meistens ein Kaffeeservice oder einen Teppich gekauft. So ginge es uns, wenn wir denen folgen, die hohe Renten für geringe Beiträge versprechen. Wenn wir alle länger leben, dann müssen wir in der Zeit, in der wir arbeiten, mehr Geld beiseite legen, -und zwar egal, ob es unter der Matratze, auf einem Sparbuch oder in der Rentenkasse ist. Und statt miesepetrig über die bewältigbaren Folgen für die sozialen Sicherungssystem zu diskutieren, sollten wir uns mehr darüber freuen, dass wir immer länger leben.
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29.07.2009