Vor 60 Jahren war die Geburtsstunde von Umweltpolitik in Deutschland. Willy Brandt setzte das Thema – fast 20 Jahre vor den Grünen. Heute nimmt Olaf Scholz Kurs auf ein klimaneutrales Land.
Wenn es eine Wiege der Umweltpolitik gibt, stand sie in Bonn. In der Beethovenhalle setzte sich erstmals eine Partei mit der Schattenseite des Wirtschaftswunders auseinander. Am 28. April 1961 trat Willy Brandt ans Redepult, damals Kanzlerkandidat der SPD im Bundestagswahlkampf, und beschrieb eine wichtige Forderung seines Wahlprogramms: „Erschreckende Untersuchungsergebnisse zeigen, dass im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Luft und Wasser eine Zunahme von Leukämie, Krebs, Rachitis und Blutbildveränderungen sogar schon bei Kindern festzustellen ist. Es ist bestürzend, dass diese Gemeinschaftsaufgabe, bei der es um die Gesundheit von Millionen Menschen geht, bisher fast völlig vernachlässigt wurde. Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“
Denn Anfang der 60er Jahre sanken Millionen Tonnen von Staub, Asche und Ruß aus Hochöfen, Stahlkonvertern und Kokereien alljährlich auf die Städte des Ruhrgebiets nieder. Krebs, Atemwegserkrankungen, Bindehautentzündungen bei vielen Menschen waren die Folge. Auch Baumsterben und die Versauerung von Böden und Gewässern.
Brandts Forderung wurde von vielen damals aber trotzdem eher belächelt. Umweltschutz als übergeordnetes Ziel galt im Allgemeinen nicht als wichtiges und ernstzunehmendes Thema. Dabei hatte Brandt eine Zukunftsmission entwickelt – so wie heute Olaf Scholz mit seinem Plan für eine erfolgreiche Wirtschaft in einem klimaneutralen Land.
Bei der Bundestagswahl im September 1961 konnte die SPD einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnen – und die CDU verlor ihre absolute Mehrheit. Der Regierungswechsel blieb damals aber noch aus und in der folgenden schwarz-gelben Koalition spielte Ökologie keine Rolle.