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10.09.2011

Der Tag danach - Gastbeitrag für die 'Hamburger Morgenpost'

 

Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hatte ich als Hamburger Innensenator zuerst dafür gesorgt, dass der Polizeischutz für das amerikanische Generalkonsulat und die jüdischen Einrichtungen verstärkt wird. Abends fuhr ich mit meinem Staatsrat Dirk Reimers zu diesen Orten. Wir haben dort mit den Beamten geredet. Wir wollten ihnen zeigen, dass man jetzt bei ihnen ist, sich um sie kümmert. Wir alle standen ja unter dem Eindruck der furchtbaren Fernsehbilder aus den USA. Es ging mir als Innensenator nicht anders als den Polizistinnen und Polizisten, die mit ihren gepanzerten Fahrzeugen vor dem US-Generalkonsulat standen.

 

Weder die Polizeibeamten und die Polizeiführung noch ich ahnten in diesem Moment, dass wir die folgende Nacht im Polizeipräsidium in Alsterdorf verbringen würden: Am Tag nach den Anschlägen - es war der 12. September 2001, abends gegen sechs informierte man mich über eine Agenturmeldung: "Nach Angaben aus FBI-Kreisen hat der Verdächtige Mohammed Atta, dessen Wohnung am Mittwochmorgen in Florida durchsucht worden war, einen Cousin in Hamburg. Sein Name ist Marwan al Shehhi... Es gab eine Spur, wonach der Terror von New York, Washington und Pennsylvania aus Hamburg kam.

 

Wir fuhren in das Polizeipräsidium. Dort hatte der Leiter der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt den Betrieb bereits hochgefahren. Aus der Terror-Spur nach Hamburg war inzwischen ein konkreter Verdacht geworden. Die Atmosphäre beim Staatsschutz war ruhig und konzentriert. Keine Hektik, keine lauten Diskussionen. Jeder wusste, was er zu tun hat. Ich habe mir erklären lassen, was die Fachleute der Polizei erfahren und veranlasst haben. Ich habe ihnen meine Unterstützung zugesichert. Polizei und Medien waren gut informiert. Um zwanzig vor acht hieß es bereits: Kamikaze-Piloten lebten in Hamburg. Der konkrete Verdacht wurde zur schockierenden Wirklichkeit.

 

Je länger die Nacht dauerte, desto klarer wurde das Bild. Wir erhielten im Führungsstab schließlich per Fax eine Liste mit den Namen möglicher Verdächtiger, die in den entführten Flugzeugen waren. Wir überprüften die Namen. Ergebnis: Drei Terroristen hatten in Hamburg gelebt. Wir hatten die Adressen. Es musste schnell gehen. Wir konnten ja nicht ausschließen, dass wir durch schnelles Zugreifen noch Schlimmeres verhindern können. Die Polizei drang also in eine Reihe von Wohnungen ein auch die in der Harburger Marienstraße, die hinterher traurige Berühmtheit erlangte.

 

Es waren Momente, die ich nicht vergessen kann. Wir wussten ja: Das Mobile Einsatzkommando war einem Risiko ausgesetzt. Vor jeder Durchsuchung gab es über Funk die Mitteilung: Wir gehen jetzt rein. Und danach ein scheinbar endloses Warten, bis zur Entwarnung. Ich hatte wie heute volles Vertrauen in die Hamburger Polizei. Aber jeder im Führungsstab wusste in diesem Moment, dass der Einsatz in dieser Nacht ein hohes Restrisiko hatte.

 

Morgens um vier war klar, dass wir es mit einem Fall von internationalem Terrorismus zu tun hatten. Die Anschläge waren eine Sache für das Bundeskriminalamt und den Generalbundesanwalt. Es war auch klar, dass die Polizei innerhalb weniger Stunden wichtige Beiträge zur Aufklärung des Terrors geleistet hatte. Die Agentur-Meldung, die alles ins Rollen gebracht hatte, war zu diesem Zeitpunkt noch keine zwölf Stunden alt. Morgens um elf erläuterten der Chef des Landeskriminalamts und ich bei einer Pressekonferenz die Erkenntnisse der Hamburger Behörden. Die Pressekonferenz lief noch, als die ersten Autos des BKA auf den Parkplatz des Präsidiums fuhren. Generalbundesanwalt Kay Nehm übernahm die Ermittlungen.

 

Zehn Jahre später wird das bedrückende Gefühl dieser Nacht im Polizeipräsidium jetzt wieder wach. Das Schaudern angesichts eines unfassbaren Anschlags, die furchtbaren Fernsehbilder. Aber ich denke auch an die große Solidarität dieser Tage. Zum Beispiel an die vielen Hamburgerinnen und Hamburger, die schweigend vor dem US-Generalkonsulat stehen geblieben sind. Als ein Zeichen stiller Verbundenheit.