"Die offene Stadtgesellschaft Zugänge und Chancen in wachsenden Metropolen" Beitrag zum Sammelband des Urban Forum "Zukunft Stadt"
Zugang: Müsste ich ein Wort wählen, das den Kern vieler Diskussionen beschreibt, die wir in Hamburg über die Zukunft führen, dann wäre es dieses. Denn um die Potenziale zu nutzen, die eine große Stadt erfolgreich machen, ist nichts wichtiger als der einfache Zugang der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Unternehmen zu den Ideen, Angeboten und Möglichkeiten, die in der urbanen Vernetzung liegen. Von guter Bildung bis zur sicheren Einfahrt eines großen Containerschiffs in den Hafen, von effizienter öffentlicher Verwaltung bis zu den Parks und Freiräumen selbst in den dichtbesiedelten innerstädtischen Quartieren: Wirksam ist immer nur, was auch tatsächlich im Dienste der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Netzwerke steht, offen zugänglich ist und auch funktioniert.
Eine Stadt, die Zugänge schafft und Zugänge sichert, möchte ich offene Stadtgesellschaft nennen. Der Begriff ist eine Kombination urbanisierungstheoretischer Konzepte wie The Open City von Richard Sennett, der offenen Stadt von Detlev Ipsen und dem Gedanken der offenen Gesellschaft von Karl Popper. Die offene Stadtgesellschaft ist die moderne, die europäische oder, im Sinne von August Winkler, die westliche Stadt der Zukunft.
Offen ist die Stadtgesellschaft insofern, als es auf jedes Individuum ankommt; das umschließt die Verschiedenheit von Erfahrungen, Perspektiven und Erwartungen. Offen meint zudem diejenigen, die aufgeschlossen sind gegenüber Neuankömmlingen und verschiedenen Lebensformen. Die offene Stadtgesellschaft erlebt die von Popper so eindrücklich beschriebenen Spannungen der Zivilisation und die Last ihrer Anforderungen. Das ist mit der Erwartung an Partizipation und Teilnahme an politischen Prozessen verbunden und verweist auf eine prinzipiell offene Dynamik. Die offene Stadtgesellschaft ist ein komplexes Gefüge demokratischer Prozesse, die entsprechende Anforderungen an Bildung, gesellschaftliche Mobilität und die Infrastruktur der Stadt stellen.
Die offene Stadtgesellschaft lebt von Partizipation, das heißt dem Zugang zu Politik und realen Gestaltungsmöglichkeiten. Anderes wird ob mit oder ohne ausdrücklichen Bezug auf Popper oder andere Vordenker in einer offenen Gesellschaft auch nicht mehr toleriert, schon jetzt nicht und perspektivisch erst recht nicht, denn Begriffe wie Planungskultur, Transparenz, Partizipation sind Zauberlehrlinge voller Tatendrang, die die noch vorhandenen Reste von Obrigkeitsstaatlichkeit in der Verwaltung absehbar wegfegen werden. Übrigens gilt das längst auch in ländlichen Regionen, aber in diesem Band geht es zunächst um die Metropolen mit Recht, denn hier stellen sich die Aufgaben und bieten sich die Chancen jeweils in zugespitzter Form.
Das ist nicht gemütlich, aber demokratisch. Wobei ich sehr eindeutig sage: Der demokratische Rechtsstaat funktioniert auch und nicht zuletzt auf der Basis eines grundsätzlichen Vertrauens in die demokratischen Institutionen, kontrolliert durch Parlamente, und konkret in solche Instrumente wie öffentliche Auslegung, Planfeststellung, Anhörung der Träger öffentlicher Belange, Bürgerbeteiligung. Das allein reicht aber nicht mehr. Plebiszitär zu Stande gekommene Entscheidungen nehmen zu. Bisher sind sie nicht immer zielführend, aber auch darum geht es ja: sie mit den Entscheidungen der politisch Verantwortlichen zu korrelieren und durchzusetzen, dass keine Parallel-Demokratie entsteht, kein shirking of responsibilities. Erst dann und erst dadurch wird nämlich die Smart City, um den Begriff endlich zu nennen, wirklich klug. Das Digitale an sich, seine bytes & pieces stehen dann im Dienst der sozialen Stadt der Zukunft und helfen ihr, sich selbst besser und demokratischer zurechtzurütteln.
Offene Stadt Ankunftsstadt
Die offene Stadtgesellschaft ermöglicht zudem ganz elementar den Zugang in die Stadt. Doug Sanders hat in Arrival City beschrieben, dass die Zuwanderung in die großen Städte weiter gehen wird, weil urbane Strukturen mehr Chancen für ein gutes Leben und ökonomische Eigenständigkeit bieten. Von der Wanderung in die Städte, schreibt Sanders, hängt unsere Zukunft ab. Eine Ankunftsstadt bietet den Neuankömmlingen Optionen für ökonomische Initiative, Verbindungen zum Herkunftsort und verschiedene Zugänge in die Stadt: zum Erwerbsleben, zur politischen Partizipation und zu Bildung. Und vor allem, sie öffnet sich der Zuwanderung.
Hamburg wächst. Entgegen dem bundesdeutschen Trend kommen hier (und in einigen anderen großen Städten) jedes Jahr neue erwerbsfähige Einwohnerinnen und Einwohner hinzu. Die Sehnsucht nach einem besseren Leben; Frauen und Männer, die hier Arbeit suchen, aber auch Flucht und Migration haben Hamburg geprägt. Jeder dritte Hamburger und jede dritte Hamburgerin sind zugewandert oder Nachfahren von Zuwanderern. Bei den Jugendlichen gilt letzteres sogar für fast jeden zweiten, viele sind in Hamburg geboren.
Wir erkennen die Chance, die darin liegt, und wir würdigen, was diese Hamburgerinnen und Hamburger zu unserer Stärke beitragen. Dazu gehört, dass dass wir einen Zugang zur Stadt schaffen, eine Kultur des Willkommens. Ich schreibe als Bürgermeister persönlich all jene ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger an, die die Anforderungen erfüllen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, und lade sie ein, diese Möglichkeit zu nutzen. In der Folge haben wir eine viel höhere Einbürgerungsquote als andere Bundesländer, und wenn ich bei unseren regelmäßig im schönsten Saal des Rathauses stattfindenden Einbürgerungsfeiern spreche, dann sehe ich in den Gesichtern, dass das oft als eine Art Krönung einer erfolgreichen persönlichen Migrationsgeschichte empfunden wird. Das bewegt mich sehr. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, wie schwer oft der Anfang einer solchen Erfolgsgeschichte ist.
Wir werden immer mehr Orte innerhalb unserer Mitte schaffen und zulassen müssen, in denen jene sich ihren Weg in unsere Gesellschaft schaffen können, die auf verschlungenen Pfaden ihren Weg hierher gefunden haben. Hamburg ist auch für viele Flüchtlinge eine Stadt der Hoffnung, und wir werden in Zukunft noch viel mehr Energie und kluge Ideen dafür mobilisieren müssen, diese Realität mit unseren natürlich begrenzten Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Ich bin auch dafür, den Realismus bei jenen zu fördern, die sich das möglicherweise zu einfach vorstellen, zum Beispiel durch eine großzügigere Vergabe von Touristen-Visa, so dass Menschen einfacher hierherkommen und sich ein Bild davon machen können, was denn hier tatsächlich auf sie wartet und später in ihrer Heimat davon erzählen können, dass es nicht so leicht ist, hier tatsächlich Fuß zu fassen. Das Thema Einwanderung wird jede Diskussion um die Stadt der Zukunft begleiten müssen.
Der Trend nach Hamburg setzt sich fort, die Stadt ist attraktiv, wir werden in wenigen Jahren mehr als 1,9 Millionen Einwohner haben, vielleicht sogar an die zwei Millionen. Die allerjüngste Bertelsmann-Studie ist etwas vorsichtiger, geht von 1,86 Millionen im Jahre 2030 aus, aber auch das wären 7,5 Prozent mehr als noch 2012.
Das Wachstum von Städten sollte niemand schrecken, wir begrüßen es, wir wollen es. Die Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass jede und jeder die Chance hat, das Leben nach eigenen Vorstellungen und in eigener Verantwortung zu führen.
Dennoch werden Fachkräfte knapp: schon in wenigen Jahren, etwa ab 2018, sagen unsere Forscher für das Segment der Erwerbsfähigen einen Rückgang voraus. Das ist der zweite globale Trend, auf den wir uns vorbereiten müssen: der demografische Wandel. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland werden im Durchschnitt älter, perspektivisch müssen mehr Renten von weniger Erwerbstätigen erwirtschaftet werden, oder mehr Migrantinnen und Migranten nach Deutschland und auch nach Hamburg ziehen. Ich gehe davon aus, dass es eine Mischung aus beidem sein wird.
Das darf man im Prinzip als bekannt voraussetzen, deshalb eine Parenthese: Natürlich haben wir auch ein Demografie-Konzept Hamburg 2030. Kann man überhaupt konzipieren, wie sich die Bevölkerung in einer Region, in einem Land entwickelt? Wie sie wächst oder auch nicht? Wohin es Männer, Frauen, Kinder, Familien, Singles zieht? Im Großen und Ganzen kann man es nicht, denn es zieht sie immer dorthin, wo sie die besten Chancen für sich sehen, auf ein auskömmliches, selbstbestimmtes, glückliches Leben. Das ist auf der ganzen Welt so, zunehmend auch innerhalb Europas, in diesem Kontinent, der ja so groß nicht ist, dessen Binnengrenzen auch die kulturellen, sprachlichen, ebenso wie die des Arbeitsmarktes mehr und mehr verblassen.
Verstanden habe ich die Demografen so, dass sich die künftige Bevölkerungszahl wie auch deren altersmäßige Zusammensetzung in zehn, zwanzig, dreißig und mehr Jahren ziemlich exakt voraussagen ließe wenn das Ganze unter einer Glasglocke stattfände. Wenn die jetzt in Deutschland Lebenden allein zuständig wären für die im statistischen Fachjargon Fortschreibung ihrer gut 81 Millionen starken Community. Doch es werden uns ja auch Männer, Frauen, Kinder Deutschland verlassen, und es werden andere einwandern. Und weil das Parameter sind, die sich nur vage vorhersehen und nur sehr bedingt steuern lassen, ist genau da der Unsicherheitsfaktor, der die Prognosen schwierig macht.
So oder so: Bei allen Visionen, die wir für die Stadt der Zukunft entwickeln, müssen wir derartige Szenarien und Korridore im Blick haben. Auf jeden Fall aber bedeutet Zugang in Zukunft eben auch: besserer Zugang von mehr älteren Menschen zu allen Einrichtungen der Stadt, und mehr Einwanderung bedeutet, wir müssen ihnen den Einstieg in ihr Leben als Neu-Städter so leicht wie möglich machen.
Hamburg kann es sich nicht erlauben, in bestimmten Bereichen schlecht zu sein. Das mag in anderen Städten anders sein, wo zum Beispiel exorbitant steigende Mieten oder eine extreme innerstädtische Verdichtung von den Bewohnern aufgrund spezifischer Gegebenheiten akzeptiert werden müssen, aber meine Vorstellungen für Hamburg sind andere. Wir haben 2011 sofort nach unserer Amtsübernahme ein umfassendes Wohnungsbauprogramm begonnen, bei dem durch die effizientere Vernetzung und eine neue Priorisierung beim Verkauf städtischer Grundstücke, bei der Ausrichtung der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft SAGA/GWG und mit starker Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger das ehrgeizige Ziel von 6.000 neuen Wohnungen pro Jahr angestrebt wurde. Wir übertreffen dieses Ziel seitdem regelmäßig, ebenso wie die daran gekoppelte zusätzliche Vorgabe, dass bei großen Neubauvorhaben ein Drittel der entstehenden Wohnungen staatlich geförderter Sozialwohnungsbau sind. Das bedeutet, wir fördern und erhalten eine Kultur, die ich immer als sehr prägend für meine Stadt empfunden habe: Nämlich dass in den Vierteln der Stadt nicht nur Menschen wohnen können und es tun, die ein vergleichbares Einkommen oder Vermögen haben, sondern überall solche, denen es finanziell gut oder sehr gut geht, und auch solche, die nur ein geringes Einkommen zur Verfügung haben.
Nach den manchmal eher gut gemeinten als gut gemachten Experimenten des sozialen Wohnungsbaus vergangener Jahrzehnte auf der Grünen Wiese, bei denen ganze Stadtviertel einheitlich neu geschaffen wurden, schaffen wir heute eine vielfältigere und stabilere soziale Textur. Auch das spielt eine Rolle bei dem Zugang, über den ich oben geschrieben habe, weil es bedeutet, dass der Bezug zwischen den sozialen Schichten erhalten bleibt.
Zugang zu Bildung
Bildung ist der Schlüssel zur ökonomischen Unabhängigkeit und damit zur Selbstbestimmung. Zugang bedeutet deshalb immer auch, die Ungleichheitsbedingungen im Bildungssystem zu beseitigen und den Zugang zu real gleichen Chancen zu ermöglichen. Angesprochen sind damit die Möglichkeiten zum Bildungsaufstieg und die Notwendigkeit, allen Schulabgängern eine Berufsausbildung zu ermöglichen.
Niemand soll in dieser Stadt aufwachsen und nichts anderes kennen als das, was die eigenen Eltern machen. Wir wissen, dass es in Deutschland zum Beispiel schwieriger ist als in anderen Industrienationen, durch Bildung aufzusteigen. Eine Ursache dafür ist, dass zum Beispiel Kinder bildungsferner Schichten - um das Wort dieses eine Mal zu verwenden und dann eher nicht mehr - dass sie es schwerer haben, jene Soft Skills zu erwerben, jene Sozialen Codices, die nötig sind, um sich in anderer Umgebung erfolgreich zu bewegen. Dadurch gehen uns als Gesellschaft Potenziale verloren, die wir erschließen müssen, um in Zukunft zu bestehen, denn plakativ gesagt bezahlen werden wir den demografischen Wandel in Deutschland nur mit hochqualifizierter Arbeit können. Das bedeutet, wir müssen in Bildung investieren und die Jugendlichen dazu bringen, sie auch anzunehmen darauf komme ich gleich. Weil aber alles mit allem verbunden ist, dient zum Beispiel die soziale Komponente unseres Bauprogramms eben nicht nur dem Entstehen günstiger Wohnungen, in ihrem spezifischen Mix fördert sie eben auch die Durchlässigkeit.
In Hamburg gibt es nach der Grundschule ein 2010 eingeführtes zweigliedriges Schulsystem, bestehend aus Gymnasium und Stadtteilschule, wobei beide Wege gleichwertig zum Abitur führen auf dem Gymnasium nach zwölf, an der Stadtteilschule nach 13 Jahren. Auch das trägt zur Durchlässigkeit bei, wir legen allerschärfsten Fokus darauf, dass kein Kind seine schulische Laufbahn ohne Abschluss und anschließende Berufsausbildung beendet. Hamburg ist das erste Bundesland, das dafür flächendeckend eine Jugendberufsagentur eingerichtet hat, um Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 zuverlässig in Ausbildung oder Beschäftigung zu vermitteln. Sie finden in der Jugendberufsagentur eine Anlaufstelle für ihre Fragen rund um die Ausbildung, Beschäftigung, Unterstützungsleistungen oder schulische Bildungswege. Die Jugendberufsagentur, die Hamburger Schulen und die Ausbildungsbetriebe arbeiten Hand in Hand. In Teams werden junge Leute beim Übergang von der Schule in den Beruf begleitet. Erklärtes Ziel: Niemand darf zurück bleiben.
Und wenn wir niemand sagen, dann meinen wir genau das. Der jüngste Bildungsbericht aus dem Jahr 2014 zeigt deutliche Veränderungen in den vergangenen Jahren. Der Senat hat vermehrt in die frühkindliche und schulische Bildung investiert, die Zahl der Lehrkräfte und Pädagogen sowie die Zahl der Betreuungsangebote und Ganztagsschulen stark erhöht. Heute sind so gut wie alle staatlichen Schulen Ganztagsschulen. Das hat die Bildungschancen verbessert: Immer weniger Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen Sonderschulen, immer weniger junge Leute verlassen die Schulen ohne Schulabschluss, immer mehr Jugendliche schaffen das Abitur und immer weniger Jugendliche müssen im Übergangssystem der beruflichen Bildung aufgefangen werden. Ich bin der Überzeugung, dass eine gute Ausbildung ein wichtiger Teil der persönlichen Entwicklung ist und dazu beiträgt, ein erfülltes Leben zu führen aber selbstverständlich betrachten wir das auch als eine Investition in die wirtschaftliche Entwicklung unserer Stadt und unseres Landes.
Multiplizität und Mobilität
Die offene Stadtgesellschaft lebt von der Multiplizität der Perspektiven. Deshalb ist Stadtplanung für uns aktive Stadtentwicklung mit mehreren Zugängen: Ob es im Bündnis für Wohnen darum geht, Flächen zu identifizieren, die für Wohnungsbau oder Parkanlagen genutzt werden können, oder um konkrete Projekte zur Quartiersentwicklung, wir nutzen die Expertise von Behörden und Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger ebenso wie der Verbände.
Wir arbeiten jetzt an dem zweiten Teil der HafenCity, bei der ein ganz neues Stadtviertel entstanden ist, an der Mitte Altona, bei der auf einem großen ehemaligen Bahngelände ein neues Quartier entsteht und eine städtebauliche Lücke schließt, und wir haben zwei weitere Programme aufgelegt, durch die unsere Stadt über die Elbe nach Süden und entlang der Bille nach Osten enger zusammenwächst und gewerbliche Nutzung mit Wohnungsbau verbindet. Es ist eine großartige Zeit für alle, die diese Stadt gestalten wollen. Umso wichtiger ist es aber, dass wir uns die richtigen Gedanken darüber machen, wie unsere Stadt in 20, 30 oder sogar 100 Jahren aussehen wird.
Eine Stadt mit steigenden Einwohnerzahlen stellt hohe Anforderungen an das öffentliche Verkehrssystem. Es wird mehr Verkehr geben, die Systeme sollen besser werden und zudem nachhaltiger sein.
Technische Entwicklungen bieten neue, so genannte smarte Lösungsmöglichkeiten, die genutzt werden müssen. Dabei geht es einmal um den Verkehrsfluss auf den Straßen: Smarte Systeme für Parkraumnutzung und intelligente Ampeln können Immissionen und Lärm reduzieren und sparen auch Geld. Das betrifft vorrangig den gewerblichen Verkehr. Auch der öffentliche Personenverkehr kann mit smarten Technologien deutlich verbessert werden. Wir wollen, dass sich die Verkehrssysteme den Nutzerverhalten der Bürgerinnen und Bürger anpassen. Schon heute kann in Hamburg auf jedem Smartphone an jedem Ort der Stadt die beste Verbindung mit drei Klicks gefunden werden. Intermodalität ist bei uns Alltag: Bürgerinnen und Bürger nutzen einen sehr individuellen Mix verschiedener Verkehrsmittel, je nachdem, was gerade passt. Sie gehen zu Fuß oder fahren mit dem Fahrrad, der U- oder S-Bahn, mit dem Bus, dem eigenen oder dem per Carsharing geliehenen Auto und in Hamburg kommt sogar noch die Fähre als Verkehrsmittel hinzu. Und darum bauen wir nach Jahren des Stillstands weiter U- und S-Bahnen aus und erhöhen die Kapazität unserer Busse, die ab 2020 Stück für Stück durch emissionsfreie ersetzt werden sollen. Und wir verbessern das Fahrradnetz und die Gehwege.
Keiner will eine Stadt, die zu klug ist
Dabei sind die smart-App, die der LKW-Fahrerin das stundenlange Stehen im Stau erspart oder die, die jeder Tourist nutzen kann, um vom Hauptbahnhof an einen Badesee zu gelangen oder die, mit der die Familie die Heizung aus der Ferne programmiert, nicht nur neue digitale Zugänge zur Stadt, sondern auch Medien der Selbstbestimmung. In der ersten Person Singular oder Plural wird entschieden, ob es so oder so sein soll: Jeder kann so lange im Stau stehen, wie er will, jede in eine kalte Wohnung gehen, oder eine überheizte, obwohl letzteres energetisch nicht smart ist; Umwege gehören zum Leben dazu. Niemand will eine Stadt, die zu klug ist, wie Richard Sennett es so schön formuliert hat: No one likes a city thats too smart.
Es geht nicht um ferngesteuerte Städte. Ob es Masdar (in den Vereinigten Arabischen Emiraten) oder Songdo (Korea) schon sind, weiß ich nicht. Niemand will jedenfalls Technologien, die das Leben der Bürger bestimmen zumindest kenne ich niemanden, der sich zu dergleichen bekennen möchte , sondern solche, die Zugänge schaffen und Chancen bieten (dass mancher hier und da vom Blick auf das Smartphone abhängig zu sein scheint, because it´s ever so handy, ist dabei eine andere Sache). Ich stimme deshalb Sennett zu, der für die Stadtplanung smarte Systeme verlangt, die offen sind und die Perspektive der Bürger auch dann berücksichtigen, wenn sie als Fußgänger unterwegs sein wollen.
Die Stadt der Zukunft ist folglich keine Utopie, sie ist nicht schön wie Disneyland und auch nicht smart wie Masdar oder Songdo. Die Stadt der Zukunft ist der Ort der offenen Stadtgesellschaft: Sie ist das Zuhause engagierter Stadtbewohner, die ihre Stadt mögen, weil sie sie mit geprägt haben, sie liegt nicht in ferner Zukunft, sondern findet heute schon statt. In vielen Städten der Welt kann man das sehen, auch in Hamburg. Es lohnt sich, vorbei zu kommen. Hamburg ist immer offen. Wir freuen uns.
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Veröffentlicht in: Zukunft Stadt. Wirtschaftspolitische Visionen für die urbanen Zentren von morgen. Herausgeber: Michael Häupl, Patrick Horvath, Bernhard Müller und Thomas Weninger, new academic press. Wien 2016, Seiten 40-48.