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26.09.2017

"Die SPD muss Oppositionsführerin werden" Interview mit dem Magazin "Der Spiegel"

"Die SPD muss Oppositionsführerin werden" Interview mit dem Magazin "Der Spiegel"

 

"Der Spiegel": Herr Scholz, knapp 21 Prozent: Welche Konsequenzen muss die SPD aus dem Wahlergebnis ziehen?

 

Olaf Scholz: Dies ist das schlechteste Ergebnis der SPD seit Gründung der Bundesrepublik. Vier Mal hintereinander ist es uns nicht gelungen, den Kanzler zu stellen. Drei Mal in Folge haben wir miserable Ergebnisse bei einer Bundestagswahl einstecken müssen. Deshalb ist es dringend nötig, über die strategische Ausrichtung der Partei zu diskutieren.

"Der Spiegel": Minus fünf Prozent kann ein Parteivorsitzender, der zugleich Kanzlerkandidat war, bei einem solchen Ergebnis im Amt bleiben?

 

Olaf Scholz: Er kann. Solche Personalfragen am Wahlabend greifen mir aber zu kurz und entsprechen auch nicht der solidarischen Kultur der SPD. Wir haben jetzt genügend Zeit, darüber nachzudenken, wie wir uns aufstellen wollen, weil wir ja in der Opposition sein werden. Diese Zeit sollten wir uns auch nehmen und nutzen. Angesichts der Wahlergebnisse dürfen wir uns keine Fehler mehr erlauben, wenn wir bei der Bundestagswahl 2021 wieder konkurrenzfähig sein wollen.

"Der Spiegel": Muss sich die SPD personell und inhaltlich erneuern?

 

Olaf Scholz: Die SPD muss sich als moderne Partei präsentieren. Wir haben in diesem Jahr mehr als 23 000 Neumitglieder hinzubekommen, die Mobilisierung in den eigenen Reihen war so groß wie lange nicht. Trotzdem hat es nicht für ein besseres Ergebnis gereicht. Anfang des Jahres lagen wir bei 30 Prozent, das muss unser Anspruch sein.

"Der Spiegel": Worauf muss die inhaltliche Erneuerung abzielen?

 

Olaf Scholz: Wir müssen uns mit den großen Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzen, die etwa aus der Globalisierung oder der Digitalisierung für die Bürgerinnen und Bürger entstehen. Die Veränderungen der Lebensverhältnisse führen ja nicht nur in Deutschland zu Sorgen und wachsender Unzufriedenheit. Populistische Parteien erhalten dadurch Zulauf. Als liberale, weltoffene und tolerante SPD müssen wir eine kluge Perspektive entwickeln, wie wir das Leben der Bürgerinnen und Bürger verbessern können.

"Der Spiegel": Wo soll die SPD hin? Die Mitte schrumpft und ist zu eng für SPD und Union geworden, die Linke hat Ihnen die linken Wähler abgegraben?

 

Olaf Scholz: Ich halte von solchen politischen Kuchentheorien nichts. Die SPD kann im politischen Wettbewerb auch wieder Stimmen zurückgewinnen, die sie bei dieser Wahl an CDU, FDP oder an andere Parteien verloren hat.

"Der Spiegel": Müssen Sie die AfD in der parlamentarischen Auseinandersetzung stellen oder vor allem selbst besser werden?

 

Olaf Scholz: Der Einzug der AfD in den Bundestag ist eine große Zäsur in Deutschland. Und es ist die Aufgabe der SPD deutlich zu machen, dass es möglich ist, eine weltoffene, fortschrittliche und zuversichtliche Politik zu machen, die pragmatisch die innere und äußere Sicherheit im Auge hat und zugleich für den sozialen Zusammenhalt sorgt. Das wird alleine die Aufgabe der SPD in der Opposition sein.

"Der Spiegel": Ist es richtig, eine Große Koalition kategorisch auszuschließen?

 

Olaf Scholz: Ja, es ist wichtig, dass die SPD nach drei solchen Bündnissen seit den Sechzigerjahren nicht wieder in eine Große Koalition geht. Sonst besteht die Gefahr, dass der politische Wettbewerb nicht mehr zwischen den großen Volksparteien geführt wird, also einer fortschrittlichen Partei links der Mitte und einer bürgerlichen Partei rechts der Mitte, sondern von den politischen Rändern bestimmt wird. Das wäre für die Demokratie nicht gut. Deshalb muss die SPD Oppositionsführerin werden.

"Der Spiegel": Wird Ihre Partei in den kommenden Wochen bei dieser Entscheidung bleiben?

 

Olaf Scholz: Ganz sicher. Wir haben das sehr sorgfältig in der Führung diskutiert. Wir alle haben mit sehr vielen Mitgliedern in den vergangenen Wochen gesprochen. Diese Entscheidung ist ohne Hintertüren und Schlupflöchern gefallen. Es geht um Deutschland, es geht um die demokratische und politische Debatte.

"Der Spiegel": Gibt es eine staatspolitische Verantwortung der SPD?

 

Olaf Scholz: Ja.

"Der Spiegel": Und was passiert, wenn die Jamaika-Koalition nicht zu Stande kommt?

 

Olaf Scholz: Sie wird zu Stande kommen.

"Der Spiegel": Warum sind Sie sich so sicher?

 

Olaf Scholz: Alle Beteiligten wollen dies, und im Übrigen haben auch sie eine staatsbürgerliche Verantwortung.

"Der Spiegel": Schließen Sie Neuwahlen aus?

 

Olaf Scholz: Das wäre ein großes politisches Versagen der Parteien, die jetzt dazu aufgerufen sind, eine Regierung zu bilden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kanzlerin, die Union, die Grünen und die FDP eine solche  Peinlichkeit riskieren.

Das Interview führten Markus Dettmer und Horand Knaup.