"SHZ": Wie bewerten Sie den gewaltigen Verlust von über acht Prozent der SPD in Hamburg?
Olaf Scholz: Die SPD hat fünf der sechs Direktmandate in Hamburg geholt, das ist eine sehr gute Leistung. Aber kein Vertun: Mit dem Zweitstimmen-Ergebnis bin ich nicht zufrieden, obwohl es über dem Bundesschnitt liegt. Übrigens: Die Wählerinnen und Wähler sind klug. Sie unterscheiden, ob der Bundestag gewählt wird oder die Hamburger Bürgerschaft.
"SHZ": Warum konnte die CDU zum zweiten Mal in der Hamburger Bundestagswahlgeschichte stärkste Partei werden?
Olaf Scholz: Beide großen Parteien haben bei der Bundestagswahl erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Die Union hat in Hamburg nur ein Direktmandat geholt.
"SHZ": Warum konnten Sie mit Ihren Hamburger Themen wie etwa neuer Stadtteil Kleiner Grasbrook oder neue UKE-Hightech-Kinderklinik für Hamburg an der Elbe nicht punkten?
Olaf Scholz: Am Sonntag ging es um die Wahl zum Deutschen Bundestag, da standen naturgemäß andere Themen im Blickpunkt. Ich bin zuversichtlich: Hätte die Politik des SPD-geführten Senats zur Wahl gestanden, wäre das Ergebnis ganz anders gewesen. Das letzte Mal holte die SPD in Hamburg 46 Prozent. Daran orientieren wir uns als Ausgangspunkt. Das ist unser Ziel.
"SHZ": Die Wahlanalyse zeigt, dass offenbar auch in Hamburg sich die Wähler von den Regierenden nicht wirklich mitgenommen fühlen und deshalb vor allem die CDU-Opposition und die FDP gewählt haben. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Ihre Arbeit der SPD in Hamburg und aber auch für den rot-grünen Senat?
Olaf Scholz: Der Befund ist oft nicht so eindeutig: Die Union hat verloren, die FDP hat zugelegt. Ich mache bei Begegnungen und Gesprächen die Erfahrung, dass die Arbeit des Senats in der Stadt viel Zustimmung findet. Wir schaffen jährlich mehr neue Sozialwohnungen als alle westdeutschen Flächenländer zusammengezählt. Wir haben die Kita-Beitragsfreiheit eingeführt, und in Hamburg sind nahezu alle Schulen Ganztagsschulen. Das ist etwas ganz Besonderes. Hamburg hat ein robustes Wirtschaftswachstum, und bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen gelten wir bundesweit als vorbildlich. Viele Hamburgerinnen und Hamburger wissen, was sie an der SPD haben.
"SHZ": Die AfD hat in Hamburg vergleichsweise wenig zugelegt. Doch wie gehen Sie mit deren populären Erfolgsthemen gefühlte Überfremdung, zu langsame Integration und Sorgen und Ängste rund um den Islamterror um?
Olaf Scholz: Die Hamburgerinnen und Hamburger hatten bereits länger die Gelegenheit, sich die parlamentarischen Leistungen der AfD in der Bürgerschaft anzuschauen. Sie sind davon erkennbar nicht überzeugt. Es ist entscheidend, dass wir unsere Polizei und die Sicherheitsbehörden so ausstatten, dass sie ihre Arbeit tun können. Das stellen wir in Hamburg sicher. Wer in Deutschland erfolgreich Asyl beantragt, muss Integrationsangebote bekommen und sie auch wahrnehmen. Und wer kein Asyl bekommt, muss wieder ausreisen. Hier unternehmen wir große Anstrengungen, dazu braucht niemand die AfD. Die AfD hat kein Konzept für sichere Renten, für gute und gebührenfreie Bildung oder für sichere und ordentlich bezahlte Arbeitsplätze. Außer schlechter Laune und großen Sprüchen hat sie nichts zu bieten.
"SHZ": Was enttäuscht Sie persönlich am meisten nach dem SPD-Wahldebakel gestern?
Olaf Scholz: Jede Wahlniederlage ist enttäuschend. Die vierte Niederlage bei einer Bundestagswahl in Folge besonders.
"SHZ": Wie motivieren Sie sich persönlich, aber auch als stellv. SPD-Bundesvorsitzender, wieder neu nach so einer Niederlage fürs politische Tagesgeschäft?
Olaf Scholz: Ich konzentriere mich auf die sachliche Arbeit und das, was nun zu tun ist. Die SPD hat in ihrer großen und stolzen Geschichte viele Hochs und Tiefs erlebt und wird auch aus den nun vor uns liegenden Herausforderungen gestärkt hervorgehen.
Das Interview erschien am 27. September in der "SHZ".